Hamburg. Am Ohnsorg-Theater gibt der Schauspieler in Lenz’ „Dat Füerschipp“ den Kapitän. Als Hörbuch- und Hörfunk-Sprecher kennen ihn Millionen.

Mach mal Pause! Mittlerweile 70 Jahre alt ist dieser Slogan eines Essener Werbeagentur-Chefs. Noch nicht ganz so alt ist Peter Kaempfe, an diesem Nachmittag jedoch braucht auch er eine Auszeit. Öffnet vor dem Haupteingang des Ohnsorg-Theaters sein silberfarbenes Zigarettenetui und steckt sich erst mal eine an. Die heiße Phase für „Dat Füerschipp“ mit den Endproben läuft.

Ein ganz „schön großer Klotz“ sei das, sagt der 68-Jährige. Das Plakat zur plattdeutschen Erstaufführung von Siegfried Lenz’ Erzählung „Das Feuerschiff“ am 5. März zeigt Kaempfes Kopf. Und aus dem brennt es. Nach einem kurzen Gang zum Hansebäcker an der Ecke vom Bieberhaus und der folgenden Stärkung mit Mett-Brötchen (mit halbem Butterbrötchen extra obendrauf) und Latte macchiato sieht die Lage beim Gespräch im Ohnsorg-Foyer schon entspannter aus. Wobei: Peter Kaempfe ist meist die Ruhe selbst.

Das Ohnsorg ist für ihn, obwohl hier „nur“ Gast-Schauspieler, längst kein Neuland. Schon am früheren Standort hatte er unter Intendant Christian Seeler in der Saison 2005/06 in „Huus an’t Meer“ in der Rolle eines Kunstmalers seinen Einstand gefeiert. Am Heidi-Kabel-Platz dann strippte er mit den Schauspielkollegen in „Barfoot bet an’n Hals“, gab in „Droomdänzers“ einen Autolackierer und gehörte 2017/18 in „De Seewulf“ zur Schiffs-Crew, die physisch und psychisch einiges aushalten musste. In der plattdeutschen Bühnenfassung von Jack Londons Welterfolg agierte Kaempfe am Bühnenrand zusätzlich als Geräuschemacher. „Das habe ich nur für das Stück gelernt, das kann ich eigentlich gar nicht“, wiegelt er ab.

Das Hörbuch zur Biografie „Jan Fedder – Unsterblich“ hat Kaempfe eingesprochen

Unprätentiös ist als Beschreibung für den Künstler fast untertrieben. Dennoch, diesmal ist er die Hauptfigur. Und Plattdeutsch ist für den gebürtigen Flensburger kein Problem. „Das Ohnsorg-Platt ist ja eine Mischung aus mehreren Plattarten“, sagt Kaempfe. Dieses Platt spricht er überwiegend auch in „Dat Füerschipp“ als Kapitän Freytag, der drei vermeintliche Schiffbrüchige aufnimmt. Deren Anführer, verkörpert von Ohnsorg-Ensemblemitglied Oskar Ketelhut, agiert als Gangster Caspary auf Hochdeutsch.

Ob dieser Zweier-Konstellation kommt einem die ARD-Verfilmung von Lenz’ „Das Feuerschiff“ (2008) in den Sinn. In der spielten Jan Fedder und Axel Milberg die Antipoden an Bord. Aber als Vorbereitung für die Kapitänsrolle den Fernsehfilm mit dem Hamburger Volksschauspieler ansehen? Kaempfe schüttelt sanft den Kopf. „Wir haben doch alles, was wir brauchen“, verweist er auf die literarische Vorlage. Außerdem sei der Stoff fürs Fernsehen ins Heute geholt worden, sagt er. „Bei uns bleibt er in den 50er-Jahren“, betont Kaempfe. Wie von Lenz geschrieben.

Mit Jan Fedder, vielmehr für den Autor und den Verlag von dessen autorisierter Biografie, hat Kaempfe bereits gearbeitet. Das Hörbuch zu „Jan Fedder – Unsterblich“ von Tim Pröse hat er 2021 eingesprochen. Mehr als sechs Stunden lang ist darauf seine Stimme zu hören. Mit seinem ausdrucksstarken Organ hat Kaempfe indes einiges und einige bewegt. Auch für den deutschen Oberförster und Bestsellerautor Peter Wohlleben hat er fast alle Hörbücher gesprochen. Es ist Zeit für eine zweite Zigarettenpause.

„Ich bin inzwischen mehr Sprecher als Schauspieler“

Seit fast fünf Jahrzehnten ist Kaempfe im Beruf. Nach dem Schauspielstudium Mitte der 1970er in Hannover mit festen Engagements in Tübingen und München war er Miteröffner der bis heute existierenden Bremer Shakespeare Company. Als einer von „sieben gleichberechtigten Direktoren“, wie er anmerkt. 1991 gründete der Schauspieler dann mit drei Kollegen das Theater Aus Bremen (TAB), mit dem er bis 2004 auch auf internationalen Bühnen mehr als 2500 Vorstellungen spielte. Danach arbeitete er als Gast an Theatern im deutschsprachigem Raum.

Dass Kaempfe auch im Musical „Der Schuh des Manitu“ im Theater des Westens mitwirkte, überrascht zunächst. Auf dem Hocker am Hochtisch im Ohnsorg-Foyer verstellt er seine Stimme und spricht plötzlich zwei Oktaven tiefer. Er fällt in die Rolle des Hombre. Diesen Charakter hatte er in Berlin eineinhalb Jahre lang ausgefüllt, siebenmal in der Woche. Singen kann er auch und Gitarrespielen. Er wiegelt ab – mal nicht übertreiben.

„Ich bin inzwischen mehr Sprecher als Schauspieler“, sagt er. Als solcher ist er einer der meistbeschäftigten deutschen Sprecher für ARD-Sender, auch für den NDR. Mehr als 800 Fernsehdokumentationen sind es, schätzt er. Außerdem mehr als 300 Hörspiele und Hörbücher.

„Ein bisschen fühle ich mich schon wie der neue Hans Paetsch.“ Das ist für Peter Kaempfes Verhältnisse richtig groß aufgetragen – der 2002 in Hamburg gestorbene Hörspielsprecher war eine der bekanntesten Stimmen hierzulande, galt am Ende als „Märchenonkel der Nation“. Kaempfe hat erst im November bei den ARD-Hörspieltagen in Karlsruhe die Geschichte von „Seeräuber-Moses“ nach Kirsten ­Boies Buch erzählt – als Live-Hörspiel vor 2000 erwartungsvollen Kindern.

Statt an Bord der „Wüsten Walli“ von raubeinigen Seeleuten und einem aus dem Meer gefischten Mädchen namens Moses hat Kaempfe jetzt „Dat Füerschipp“ und mit ihm den Kapitän im Visier. Und diesen prinzipientreuen Charakter zu spielen, sei eben eine andere, schauspielerisch große Herausforderung. In der Rolle des Freytag steckt er sich auch mal eine an. Kaempfe zückt sein silberfarbenes Etui. Vor dem Ohnsorg-Eingang ist es Zeit für eine dritte und letzte Pausen-Zigarette.

„Dat Füerschipp“ Premiere So 5.3., 19.30, bis 13.4., Ohnsorg-Theater (U/S Hbf.), Heidi-Kabel-Platz 1, Karten zu 22,- bis 35,50 unter T. 040/35 08 03 21 ; www.ohnsorg.de

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