Hamburg. Oscargewinnerin Marion Cotillard engagiert sich seit 1995 bei Greenpeace. Nun hat sie den Dokumentarfilm “Bigger than us“ produziert.
So kannte man sie bisher nicht: Marion Cotillard, umschwärmter Filmstar und Oscar-Gewinnerin (für „La vie en rose“), ist nun auch unter die Produzentinnen gegangen. Die überzeugte Umweltaktivistin hat sich für die Dokumentation „Bigger Than Us“ engagiert, einen Film, der zeigt, wie junge Leute aus Indonesien, Syrien, Malawi, den USA, Griechenland und Uganda sich nicht mit Umweltsünden und Demokratiedefiziten abfinden – sondern Gegenoffensiven starten. Ein Gespräch mit der Französin über diesen Film, der am 16. Februar auch in Hamburg ins Kino kommt.
Hamburger Abendblatt: Frau Cotillard, kann ein Film wie dieser etwas im Denken und Handeln der Menschen verändern?
Marion Cotillard: Ja, denn wir haben den Film schon an vielen Orten gezeigt. Vielen Leuten hat er die Augen und Seelen geöffnet. Vielen Zuschauern hat er den Anstoß gegeben, selbst aktiv zu werden. Der Film zeigt, dass man etwas verändern kann, er macht Hoffnung, er gibt einem Ideen. Man muss gar nicht weit gehen, man kann auch auf lokaler Ebene etwas ändern. Der Film zeigt die Verbindung von Erziehung und Würde auf. Wir haben da eine Verantwortung, wenn wir in Ländern wie Frankreich oder Deutschland leben, denn hier haben wir Zugang zum Wissen. Wir müssen uns darüber klar sein, wenn wir uns ein Produkt von der anderen Seite der Erde kaufen, dass es von Leuten angefertigt wird, die nicht einmal genug Lohn für ihre Arbeit bekommen, um sich mit Lebensmitteln zu versorgen. Es ist unsere Pflicht, uns über so etwas zu informieren. In anderen Ländern gibt es nicht einmal das Recht auf den Schulbesuch oder auf freie Meinungsäußerung. Wir müssen uns unserer Chancen bewusst werden und sie auf die bestmögliche Art nutzen.
Gibt es aus Ihrer Sicht Länder, die in dieser Hinsicht schon alles richtig machen?
Marion Cotillard: Nein, obwohl wir in Frankreich oder Deutschland ein Beispiel geben müssten, denn wir haben ja fast alles. Ich würde kein Land hervorheben, sondern Volksstämme, die in Südamerika oder Afrika leben. Sie haben ein großes Wissen und respektieren die Natur auf eine Weise, die wir schon vergessen haben. Dabei zerstören wir durch die Abholzung von Wäldern ihre Lebensräume. Wir müssen mehr voneinander lernen und verstehen, dass wir Teil der Natur sind.
"Die Produzentin ist diejenige, die den Traum am Leben erhält"
Musste man Sie lange überreden, diesen Film zu produzieren?
Marion Cotillard: Nein, das war ganz leicht. Ich habe die Regisseurin Flore Vasseur schon 2018 getroffen. Sie hat mir damals von diesem Filmprojekt erzählt und mich gefragt, ob ich es nicht produzieren wolle. Das hatte ich noch nie gemacht. Damals gab es nur den Plan für einen Film mit einer jungen Aktivistin. Natürlich sollte ich auch bei der Finanzierung des Films helfen. Ich habe ihr gesagt, dass ich nicht wisse, wie man einen Dokumentarfilm finanziert. Sie hat dann gefragt, ob ich mitmachen würde, wenn sie noch ein paar erfahrene Produzenten auftreiben könnte, und ich habe zugesagt, weil ich das Thema so interessant und wichtig fand. Mit der indonesischen Protagonistin Melati Wijsen hatte Flore sich schon drei Jahre vorher beschäftigt. Sie hat sich dann nach Aktivisten umgesehen, die ähnlich alt sind wie Melati. So entstand die Idee zu diesem Film.
Haben Sie bei dieser für Sie neuen Aufgabe etwas gelernt?
Marion Cotillard: Oh ja, eine ganze Menge. Ich habe erfahren, dass die Produzentin diejenige ist, die den Traum am Leben erhält. Man ermöglicht auch der Regisseurin, kreativ zu bleiben und ihre Vorstellungen zu verwirklichen. Außerdem war es sehr interessant, herauszufinden, wie man so einen Film finanziert. Es war gar nicht so schwer, die Leute, die das Geld hatten, zu überzeugen, dass es sich lohnen würde. Das Thema war einfach so überzeugend. Wir haben 2018 mit der Arbeit am Film begonnen. Kurz danach begann Greta Thunberg mit ihrem Streik für „Fridays for Future“. Das hat uns natürlich einigen Rückenwind gegeben.
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Werden diese Erfahrungen einen Langzeiteffekt auf Sie haben?
Marion Cotillard: Allerdings. Ich habe fast alle Protagonisten aus diesem Film getroffen. Das hat mich zutiefst berührt. Manchmal verlässt mich die Hoffnung aber ein bisschen. Ich bin seit 1995 bei Greenpeace engagiert und habe mich damals ziemlich einsam gefühlt, was meine Befürchtungen für die Zukunft betraf. Aber bei der Umweltorganisation habe ich gelernt, dass es Menschen gibt, die sich erstaunlich engagieren. Das passte gut zum logischen Teil meines Gehirns. Es ist doch verrückt, dass wir den Ort ruinieren, an dem wir leben. Wir konsumieren immer mehr und schädigen dabei immer mehr alles um uns herum. Manchmal wird deshalb meine Hoffnung erschüttert. Manchmal fällt es schwer zu glauben, dass wir erwachsen werden, dabei haben wir doch erstaunliche Talente und Werte. Aber die Perspektiven um uns herum sind sehr dunkel. Trotzdem will ich nicht in Verzweiflung versinken, denn es gibt auch viel Grund für Optimismus. Einige Leute, denen ich wirklich vertraue, sind in der Lage, Dinge zu verändern.
Wird man Sie in diesem Jahr noch als Schauspielerin auf der großen Leinwand sehen?
Marion Cotillard: Ich habe einige Projekte in Vorbereitung. Für Apple TV+ habe ich die Serie „Extrapolations“ mit Meryl Streep und Sienna Miller gedreht. Auch darin geht es um Umweltthemen. Sie soll ab März gezeigt werden. Außerdem habe ich zwei Filme fertiggestellt. Einer heißt „Little Girl Blue“, ein Hybrid aus Dokumentar- und Spielfilm. Und dann hatte ich die tolle Gelegenheit mit Kate Winslet zu arbeiten.
Die Dokumentation „Bigger Than Us“ startet am 16.2. in Hamburg.