Hamburg. Axel Zwingenberger ist das Gesicht des Boogie-Woogie schlechthin und Torsten eine Koryphäe an den Drums. Nun feiern sie Jubiläum.
Rhythmus. Tempo. Dynamik. Zugkraft. Ausdruck. Virtuosität. Und Langlebigkeit. Es ist schon etwas Besonderes, wenn sich diese Eigenschaften in einem Hamburger Musiker vereinen. Aber gleich in zweien, das ist wirklich einzigartig. So wie bei den Brüdern Axel und Torsten Zwingenberger. Seit 50 Jahren stehen oder besser sitzen der bekannteste deutsche Boogie-Woogie-Pianist Axel und der ebenso renommierte Jazz-Schlagzeuger Torsten auf der Bühne; ein Jubiläum, das die beiden am 5. Februar im ausverkauften Ernst Deutsch Theater feiern.
Die Arztsöhne bekommen schon als Kinder klassischen Musikunterricht, Axel – Jahrgang 1955 – am Klavier und der 1959 geborene Torsten an der Gitarre. Aber im Teenageralter beginnen sich jeweils individuelle Musikinteressen zu entwickeln. „Als ich 17 war, kam der Boogie-Woogie in mein Leben, und von Stund an war ich vom Klavier nicht mehr wegzubringen. Boogie-Woogie ist eine klavierfokussierte Spielart, das Piano ist das Zentrum dieser Musik, und das kommt mir sehr zupass“, erzählt Axel. Torsten hingegen findet durch Zufall ein Waschbrett, „das ich intuitiv als Perkussionsinstrument nutzte, um darauf zu Jazzplatten zu üben“, erinnert er sich. Und dann ging alles schnell.
Ernst Deutsch Theater: Hamburgs Boogie-Woogie-Brüder feiern 50. Bühnenjubiläum
„Die Initialzündung kam Anfang 1973 durch die Jazz-Schellack-Plattensammlung des Vaters meines besten Schulfreundes, durch die ich und Torsten Zugang zu authentischen Blues- und Jazzaufnahmen der klassischen Ära der 1920er- bis 1950er-Jahre erhielten“, sagt Axel. Zudem lernt Torsten zeitgleich den Trompeter Kuni „Kid John“ Rosolowski und den Pianisten Michael „Stichi“ Steffens bei einer Probe im Haus der Jugend in Volksdorf kennen, die ihn einladen, sie ein paar Tage später bei einem Auftritt am 3. Februar 1973 im Club Barett in den Colonnaden am Waschbrett zu begleiten. Auch Axel kommt mit, „und wir haben dann gemeinsam die Pause bestritten. Dieser erste Auftritt der ,Boogie Woogie Brothers‘ war für uns sehr spannend und aufregend.
Wir bekamen am Schluss sogar eine kleine Gage, mit der wir nicht gerechnet hatten“, blickt Torsten zurück, und Axel ergänzt: „Für mich war das unkonventionelle Auftreten in einem Jazzclub etwas völlig Neues, ebenso wie für Torsten, der plötzlich als vollwertiges Jazzbandmitglied eingesetzt wurde. Es kam auch gänzlich unerwartet für uns, gerade einmal zwei Wochen nachdem wir mit der Jazzplattensammlung des Vaters meines Schulfreundes in Berührung gekommen waren. Der Ball war ins Rollen gekommen, und das Virus, das wir uns im Barett eingefangen hatten, ließ uns seitdem nicht mehr los.“
Mitte der 70er-Jahre bestimmen Pop, Rock und Easy Listening die Musiklandschaft im Radio und im Fernsehen, aber Hamburg ist auch – Stichwort: „Hamburg ’75“ – eine Stadt mit einer lebendigen und bunten Jazz-, Blues- und Boogie-Szene. In der spricht sich das Talent der Zwingenberger-Brüder, Torsten ist mittlerweile ans Schlagzeug gewechselt, schnell herum. Kontakte werden geknüpft, gemeinsame Sessions, Jams und Auftritte in Clubs und Kneipen werden verabredet. Diese Abende vor einem bierseligen, qualmenden und quatschenden Publikum lassen selten ruhigere Töne und Passagen zu.
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Da muss Druck auf den Kesseln sein wie bei den Dampflokomotiven, die Axel später sammeln wird – im 1:1-Maßstab übrigens. „Und dann hieß es: Du kannst ja nur schnell und laut spielen! Deswegen bin ich dann in Kabarett-Bühnen, Theater und Konzertsäle umgezogen, seitdem kann ich die ganze Bandbreite von leise und langsam bis schnell und laut präsentieren, und die Leute hören zu. Das macht dann wirklich Spaß, und folglich ist die beste Zeit für Livekonzerte: jetzt!“, vergleicht Axel die Bühnen damals und heute.
Axel und Torsten Zwingenberger feiern ihr 50. Bühnenjubiläum
Wobei das Publikum nicht erst in den letzten Jahren aufmerksamer wurde. Axel Zwingenberger ist das Gesicht des Boogie-Woogie schlechthin und Torsten eine Koryphäe an den Drums. Dazu hat auch seine innovative Technik beigetragen, „Drumming 5.1“, wie er es nennt. Er kann, wenn er dazu Lust hat, simultan fünf und mehr Fußmaschinen und alle vier Enden seiner Trommelstöcke zum Swingen bringen. Nicht um Showeffekte zu liefern, sondern aus reiner Neugier, was alles aus einem Drumset herauszuholen ist. In Berlin, der Stadt der Beats, in der Torsten seit 1980 auch lebt, ist er gut aufgehoben.
Wobei die Brüder jeder für sich, aber auch zusammen über die Jahre auf allen Kontinenten mit einer nicht mehr überschaubaren Zahl von Künstlerinnen und Künstlern auftreten. „Besonders prägend waren die Begegnungen mit den originalen Protagonisten des Blues und Boogie-Woogie, von denen ich zum Glück noch mit vielen musizieren konnte. Champion Jack Dupree hat mir zu meinem Bluesverständnis verholfen. Big Joe Turner war der erste Pionier, mit dem ich eine Platte aufnehmen konnte, unterstützt von Torsten am Schlagzeug.
Mit Joe zu spielen war eine unglaubliche Erfahrung, er war der Boogie-Woogie-Sänger schlechthin und strahlte bei aller Power eine komplette Ruhe und Entspanntheit aus. In der Big Band von Lionel Hampton zu sitzen, bei seiner Europatournee 1980 und bei unseren Studiosessions, war einschneidend für mich: Mehr kann man über Dynamik und Drive nicht lernen! Legenden wie Sippie Wallace, Mama Yancey, Jay McShann, Big Jay McNeely, um nur einige zu nennen, verkörperten jeweils ganze Lebensgeschichten, die sich in ihrer Musik niederschlugen“, zählt Axel auf.
Noch immer zählt jeder Gig genauso wie der erste 1973
Nicht zu vergessen die 2009 gestarteten 80 Konzerte der „Supergroup“ The ABC&D of Boogie Woogie mit Ben Waters, Dave Green und Charlie Watts. Den legendären Trommler der Rolling Stones lernt Axel bereits 1986 bei Sessions für eine Boogie-Dokumentation der BBC kennen, und als der Kalender der Stones es Jahrzehnte später zulässt, lässt Watts Stadien Stadien sein und trommelt mit Axel vor 500 Menschen als sei es das Normalste der Welt. Torsten schwingt die Stöcke mit Turner, mit Dupree, mit Red Holloway, Buddy De Franco, dem jungen Till Brönner, mit Lyambiko … „Ich kann nicht alle aufzählen. Und gerade meine aktuellen Projekte erfüllen mich sehr. Ich habe sehr tolle Kollegen, mit denen ich wunderbare Konzerte spiele und die mich in meiner Entwicklung immer wieder inspirieren und herausfordern.“
Aber auch nach 50 Jahren zählt für die Zwingenbergers jeder Gig genauso wie der erste 1973 im Barett: „Wir freuen uns sehr auf unseren Auftritt im Ernst Deutsch Theater. Axel und ich werden natürlich die Klassiker und Publikumslieblinge aus 50 Jahren Boogie Woogie Brothers spielen. Hamburgs Blueslegende Abi Wallenstein, mit dem wir schon 1975 unter anderem im Audimax zusammen gespielt haben, ist bei uns zu Gast, genauso wie meine erste von mir und Thomas L’Etienne 1976 gegründete Jazzband New Orleans Shakers. Das wird ein richtig schöner Abend“, freut sich Torsten.
Und Axel ergänzt: „Leidenschaft, Spielfreude, Spaß mit den Kollegen gehören für uns zu jedem Konzert. Und alles zusammen ergibt dann die Mischung, die hoffentlich das Publikum begeistert!“ Davon ist auszugehen.