Hamburg. Die Schauspielerin gehört seit Kurzem fest zum Ohnsorg-Ensemble. Am Sonntag feiert sie in „De leven Öllern“ Premiere – als Tochter.

Ihre Zeit ist knapp bemessen in diesen Tagen – Endproben, Umbesetzungen wegen Erkrankungen bei laufenden Stücken, Einspringen in andere Rollen. Rabea Lübbe kann durchaus spontan sein, aber auf das Abendblatt-Gespräch wolle sie sich etwas vorbereiten, hatte sie vorab mitgeteilt. Ein Profi eben, indes auch eine Frau, die (nicht nur eine) gute Unterhaltung verspricht. An diesem trüben Januar-Nachmittag verbreitet die Schauspielerin im hinteren menschenleeren Foyer des Ohnsorg-Theaters vor der Bar schon auf Distanz mit ihrer roten Wollmütze Frohsinn.

Im vergangenen Sommer hatte das Traditionshaus mit der Nachricht überrascht, dass erstmals seit zehn Jahren wieder „drei Schauspielerinnen der nachwachsenden Generation“ neu ins feste Ensemble aufgenommen werden. Rabea Lübbe steckt zwischen der erfahrenen Caroline Kiesewetter und der jungen Nele Larsen quasi in der Sandwich-Position, obwohl sie meist noch immer jünger, jedoch typgerecht besetzt wird, als es ihrem Alter (39) entspricht.

Rabea Lübbe spielt in Komödie „Chers Parents“

In der französischen Komödie „Chers Parents“, die an diesem Wochenende als „De leven Öllern“ plattdeutsche Erstaufführung im Großen Haus feiert, spielt Rabea Lübbe eines von drei Kindern. Diese werden von den Eltern einbestellt, um ihnen etwas vermeintlich Wichtiges mitzuteilen. Lübbes Figur heißt Luisa, genannt „Lieschen“, ist 30, Ärztin im Wartestand und sollte ihre Doktorarbeit längst fertiggestellt haben, erzählt die Schauspielerin. Vor dem Eingang am Heidi-Kabel-Platz steht ein Aufsteller mit einem witzigen Plakat ihres Konterfeis, auf dem sie sich zwei Ketten mit zwei Dollarzeichen vor die Augen hält.

Was nun, bei ihrer ersten Rolle als festem Ensemblemitglied, anders ist als früher? Sie spüre jetzt noch mal „eine andere Art der Gemeinschaft“, sagt Rabea Lübbe. „Außerdem freue ich mich darauf, die Menschen am Haus besser kennenzulernen. Das sind ja alles Unikate.“

Beifall und Lacher für Lübbes akrobatisches Spiel

Gilt gewiss auch für sie. Als sie im Ohnsorg im vorigen August fest einstieg, war sie weiß Gott keine Unbekannte mehr. Ihre persönliche Premiere hatte Rabea Lübbe hier fünf Jahre zuvor mit dem Beginn der Intendanz Michael Langs gefeiert. In Shakespeares „Romeo un Julia“ hatte sie 2017 Julias Amme als exaltierte Type mit blonder Wuschelperücke gegeben.

Für ihr körperliches, ja akrobatisches Spiel und ihre komischen Einlagen erntete sie Szenenbeifall und Lacher; schon damals deutete sie mehr als bloß an, welch wahrhaft große Komödiantin in ihr steckt. Seitdem habe sie ja in jeder Saison „mindestens zweimal“ am Ohnsorg gespielt, meint die schlanke, überaus gelenkige 1,76-Meter-Frau.

Lässt sich für den Fotografen auch gern von Heidi Kabel (als Statue) auf den Arm nehmen: Ohnsorg-Schauspielerin Rabea Lübbe. Daneben das Plakatmotiv mit ihr zum aktuellen Stück.
Lässt sich für den Fotografen auch gern von Heidi Kabel (als Statue) auf den Arm nehmen: Ohnsorg-Schauspielerin Rabea Lübbe. Daneben das Plakatmotiv mit ihr zum aktuellen Stück. © HA | Michael Rauhe

Rabea Lübbe studierte Schauspiel in Hamburg

Dass in „De leven Öllern“ nun die versierten Kollegen Meike Harten und Konstantin Graudus ihre Eltern spielen, freut Rabea Lübbe besonders. „Damit schließt sich für mich ein Kreis“, sagt sie. 2012 war sie im Stück „Der Wind macht das Fähnchen“ im Theater Kontraste in der Komödie Winterhuder Fährhaus ebenfalls deren Tochter, damals spielte sie eine 16-Jährige. Und Harald Weiler bekam für die beste Regie den Rolf-Mares-Preis.

Im Kontraste begann für Rabea Lübbe, die 2010 ihr Studium an der Schule für Schauspiel Hamburg (SfSH) mit Auszeichnung abgeschlossen hatte, ihre Bühnenlaufbahn. „Guck dir die mal an. Da wartet ein Rohdiamant“, empfahl Meike Harten die angehende Schauspielerin damals Michael Lang. Der zeichnete zu jener Zeit außer für die Komödie Winterhude auch für das auf zeitgenössische Stücke spezialisierte kleine Theater Kontraste verantwortlich. Meike Harten war die Schauspielschülerin Rabea bei ihrer Regie-Arbeit an der SfSH fürs Stück „Der Streit“ aufgefallen. Wenig später übernahm Lübbe dann in Florian Zellers „Wenn du tot wärst“ (Regie: Benjamin Utzerath) im kleinen Saal ihre erste Rolle.

Lübbe spielte auf allen großen Hamburger Bühnen

Seitdem hat die Künstlerin in ihrer Geburtsstadt an allen renommierten Bühnen gespielt: Thalia Theater (bis 2013) in der Regie Luk Percevals in „Hamlet“ und „Macbeth“, Altonaer Theater, Hamburger Kammerspiele, Deutsches Schauspielhaus, Ernst Deutsch Theater, Kampnagel und beim „Hamburger Jedermann“ in der Speicherstadt. Gastspiele am Schauspielhaus Berlin, an den Münchner Kammerspielen, in Amsterdam sowie am People‘s Art Theater in Peking gehören auch zu Lübbes Vita, die keineswegs so geradlinig verlief, wie es scheint.

Obwohl sie am Friedrich-Ebert-Gymnasium in Harburg früh ihre Neigung für Darstellendes Spiel (sowie für die Geige) entdeckt hatte, studierte sie nach dem Abitur zunächst Geografie – nur ein kurzes Intermezzo. Stattdessen zog es Lübbe in die weite Welt. Nach Erfahrungen als Artistin in einem Zirkus und dem Besuch einer „Physical Art School“ in Kalifornien entdeckte sie ihre Leidenschaft für die Bühne neu.

Vor Ohnsorg nahm sie Unterricht bei Erkki Hopf

„Ich glaube, dass meine akrobatischen Einlagen in Stücken auch mit der Schauspielausbildung in Amerika zu tun haben“, sagt sie heute. „Oft wurden dort Texte und Situationen mit dem Körper ausgedrückt.“ Besonders spektakulär fürs hiesige Publikum war das in der mit dem Theaterpreis Hamburg, Rolf Mares 2022 für die beste Regie (Ayla Yeginer), ausgezeichneten Hans-Fallada-Adaption „Kleiner Mann – was nun?“: In einer Modellkastenkulisse vom Ohnsorg-Studio quetschte sich Lübbe per Kopfstand ins Wohnloch des Ehepaars Johannes und „Lämmchen“ Pinneberg – ohne dass es den Fokus zu sehr weg von den Protagonisten lenkte.

Im Großen Haus hat sie mit ihrer enormen Körperlichkeit, jedoch auch mit ihrem Sinn fürs Tragikomische, immer wieder als Expertin für leicht verpeilte Charaktere überzeugt: Ob vergangene Spielzeit in der turbulenten Komödie „Bares is nix Rares“ als umarmungssüchtige Jugendamtsmitarbeiterin an der Seite von Top-Komödiant Erkki Hopf, bei dem Lübbe schon vor ihrem Ohnsorg-Engagement Einzelunterricht genommen hatte. Oder vor Corona in Janne Mommsens Komödie „Botter bi de Fisch – Singles à la Carte“ als zwischen schriller Partybegeisterung und fahriger Nervosität hin- und hergeworfene ewige Single-Frau Lotte. Oder in ihrer ersten Ohnsorg-Spielzeit 2017/18 in der plattdeutschen Version „All Johr wedder“ von Ayckbourns Weihnachtsklassiker „Schöne Bescherungen“ als zugeknöpfter Bücherwurm – Lübbe beherrscht das feinsinnige Spiel ebenso.

Rabea Lübbe singt und spielt drei Instrumente

Und singen (mit ihrem Alt) kann sie auch, wie sie in „Tussipark“ in der von Ohnsorg-Oberspielleiter Murat Yeginer nach dem ersten Lockdown 2020 inszenierten Karaoke-Komödie noch mit Abstand nachgewiesen hatte. Da halfen ihre Gesangsausbildung sowie ihre Fähigkeiten am Klavier, Kontrabass und Geige – die „Singende Säge“ gar nicht mitgezählt.

Doch diese (Theater-)Frau lernt nicht aus: Seit einigen Jahren studiert Lübbe Kriminalpsychologie. „Nur aus Interesse“, erzählt sie, habe sie sich schon vor der Geburt ihres inzwischen zwei Jahre alten Sohnes für zwei bis drei Vorlesungen pro Semester eingeschrieben. „Da habe ich schon einiges über Täuschung erfahren“, sagt sie. Im Bereich Rechtspsychologie etwa. „Im Hörsaal haben wir mit Perspektivwechsel zwischen dem Verhörten und Verhörer experimentiert und dabei festgestellt, dass der Fokus auf die ein oder andere Person das Urteilsvermögen beeinflussen kann.“

Im Studium habe sie zudem Techniken fürs Auswendiglernen kennengelernt. „Ich lerne schnell Text“, sagt sie. Das half ihr bei den ungeahnten mehrfachen Einsätzen als Einspringerin noch bis Anfang Januar. Ihre Aussage „Ich mag den Thrill“! passt umso mehr.

Lübbes Uropa gründete plattdeutschen Theaterverein

Obwohl ihr Uropa einst in Harburg den plattdeutschen Theaterverein Hoffnung gegründet hatte und Rabea Lübbe bereits als Kind mit Vater und Mutter öfter Gast im alten Ohnsorg an den Großen Bleichen war, hat sie sich vor ihren ersten Engagements am neuen Ohnsorg noch mal Hilfe bei den Plattdeutsch-Coachs Peter Nissen und Hartmut Cyriacks geholt. Insbesondere der im November gestorbene Cyriacks („Ein lieber Mensch“) habe ihr auch nach Premieren oft Tipps gegeben, was sie an der Aussprache noch verbessern könne.

„Ik heff de Büxen sowat vun vull“, zitiert Rabea Lübbe einen Lieblingssatz aus „De leven Öllern“. Der dürfte, ja er sollte nicht für sie gelten ob all ihrer Fähigkeiten. Es geht ihr auch um die Verständlichkeit beim Publikum. „Ich stelle fest, dass ich Tag für Tag dankbar bin, eine Arbeit zu haben, die ich liebe, mit Menschen, auf die ich mich freue.“ Das fange schon bei dem Matthias an der Kasse an, sagt sie, bevor sie mit dem Abendblatt-Fotografen noch für Aufnahmen vor die Tür des Theaters tritt und auch dort ihre Gelenkigkeit zeigt.

Es bleibt der Eindruck: Rabea Lübbe und das Ohnsorg, das passt – mit Verlaub – wie Arsch auf Eimer.

„De leven Öllern“ Premiere So 15.1., 19.30, bis 26.2. (außer Mo), Ohnsorg-Theater (U/S Hbf.), Heidi-Kabel-Platz 1, Karten zu 22,- bis 35,50: T. 040/35 08 03 21; www.ohnsorg.de