Hamburg. Grusel und Charme: Das Metropolis und das B-Movie zeigen zahlreiche Krimi-Klassiker. Manche wurden in Hamburg gedreht
In den 1960er- und 70er-Jahren kannten viele deutsche Krimifans diesen Vorspann: Schüsse peitschen durch den Kinosaal, und eine dämonische Stimme sagt: „Hier spricht Edgar Wallace.“ Nur sprach der Autor damals schon lange nicht mehr, denn er war bereits 1932 gestorben. In einer Reihe, die sich mit den Verfilmungen des britischen Erfolgsautors auseinandersetzt, haben das Metropolis und das B-Movie bis in den März hinein nun eine Mischung aus Grusel und altbackenem Charme im Programm.
Die Einführungen übernehmen der Hamburger Kriminologe Stefan Preis und der Location-Experte Elmar Podlasly. Einige der Filme, die in London spielen sollen, sind damals in Hamburg gedreht worden.
Herr Preis, Sie sind Kriminologe. Ist es das, was Sie mit Edgar Wallace verbindet?
Mich verbinden Kindheitserinnerungen mit ihm. Ich durfte die Filme natürlich erst ab einem bestimmten Alter sehen. Ich war vielleicht so elf oder zwölf Jahre alt, als ich die ersten gesehen habe. Auch die späteren italienischen Produktionen finde ich noch ganz gut, obwohl die Kritik mit denen nicht mehr so zufrieden war.
Die Altersfreigabe für den ersten Wallace, „Der Frosch mit der Maske“, ist erst ab 16 Jahren. Wie viele Filme werden im Rahmen diese Reihe gezeigt?
Etwa 38.
Bevor man Wallace hier als Autor der Vorlagen für die Kinofilme kennenlernte, war er in Großbritannien schon als Buchautor sehr erfolgreich, oder?
Er hat erst im Alter von 30 Jahren seinen ersten Roman veröffentlicht. Und das auch noch im Eigenverlag, denn er hatte für das Erraten der Mordmethode eine Belohnung von 500 Pfund ausgelobt. Das hätte ihn fast ruiniert, denn das Rätsel wurde gelöst. In England wurde Wallace bald schon als Bestsellerautor bekannt. Es hieß, dass er in drei Tagen einen Roman schreiben könne.
Insgesamt hat er 175 Romane veröffentlicht. Er war auch im Theaterbereich tätig. Auch in den USA war er erfolgreich. Erste deutsche Filmproduktionen gab es schon in den 30er-Jahren („Der Hexer“, „Der Zinker“). Produziert hat sie Anny Ondra, die spätere Frau von Max Schmeling. Wallaces Kriminalhandlungen haben das Publikum fasziniert.
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Als die bekannten Filme der Reihe bei uns populär wurden, war er schon lange tot. War das kein Hindernis?
Nein. Er ist 1932 in Hollywood gestorben und hatte zuvor gerade am Drehbuch zu „King Kong und die weiße Frau“ gearbeitet. Der große Menschenaffe ist eigentlich auch seine Erfindung.
Seine Lebensgeschichte ähnelt der Legende: vom Tellerwäscher zum Millionär ...
Er kam aus sehr einfachen Verhältnissen. Seine Biografie ist fast schon eine Kriminalgeschichte. Er erinnert mich an die Romanfiguren von Charles Dickens. Er kam in eine kinderreiche Pflegefamilie und bekam dort den Namen Richard Horatio Edgar Freeman.
Die Schule hat er mit zwölf Jahren abgebrochen und schloss sich einer Jugendbande an. Er hat sich in vielen Jobs versucht. Als Volljähriger kam er zur Armee und wurde Kriegsberichterstatter im Buren-Krieg. Er hat auch einige Afrika-Bücher geschrieben. Trotz seiner großen Erfolge hinterließ er am Ende seines Lebens hohe Schulden.
Was machte ihn bei uns ab den 1960er-Jahren so populär?
Deutschland kam damals aus den Untiefen des Heimatfilms. Als Kriminalfilme gab es damals bei uns Edgar Wallace und die „Mabuse“-Reihe. Später kam James Bond dazu.
Was genau hat das Publikum an diesen Krimis fasziniert?
Schon die Bücher wurden in England mit dem Slogan verkauft: „Es ist unmöglich, von Edgar Wallace nicht gefesselt zu werden“. Heute gilt er als Vater des Thrillers.
Wie funktioniert das Strickmuster?
Es gibt eine rational erklärbare Kriminalhandlung. Jeder sucht seinen Vorteil. Dazu gibt es meist eine Mordserie, häufig wird noch eine Liebesgeschichte mit eingeflochten. Man findet auch humorvolle Elemente. Es spielen viele damals bekannte Schauspieler mit. Es gibt einen Helden, eine „Jungfrau“, die anscheinend aus bescheidenen Verhältnissen stammt, tatsächlich aber eine Millionenerbin ist.
Und wir haben auch oft noch einen Bösen oder ein „Ungeheuer“, ein Element aus der Schauergeschichte. Und unheimliche Effekte. Der Mörder ist nicht bekannt, die Zuschauer müssen immer mitraten. Das ist das Grundschema. Klaus Kinski war zwar oft der Bösewicht, aber auch nicht immer. Und Eddi Arent ist in einigen Filmen tatsächlich der Mörder. Am Ende von „Der grüne Bogenschütze“ sagt Arent übrigens: „Da vorn wird schon der nächste Edgar-Wallace-Film gedreht.“
Haben Sie persönlich eigentlich einen Lieblings-Wallace-Film?
Ja, „Die toten Augen von London“.
Nächste Wallace-Termine: „Die toten Augen von London“, 6.12., 21 Uhr, 12.12., 21.30 Uhr, 14.12., 17 Uhr (mit Einführung von Stefan Preis) im Metropolis (U Gänsemarkt), Kleine Theaterstraße 10, Eintritt 9/6 Euro. Info und weitere Termine unter www.metropoliskino.de.
Podcast „Edgar Wallace seine Nachbarn“ auf www.podcast.de
Wer nicht ins Kino kommen kann: Die „Edgar Wallace – Gesamtedition“ beinhaltet auf 33 DVDs die Filme von 1959–1972. Laufzeit 49 Std., 5 Min., Preis ca. 62 Euro, Leonine