Hamburg. Die Doppel-CD „Zagreb/Ljubljana“ ist das Ergebnis akribischer Detektivarbeit und für Fans unverzichtbar.
Joe Travers lebt im Paradies, und anders als einst bei Adam und Eva gibt es keinen Hinweis darauf, er könnte in absehbarer Zeit daraus vertrieben werden. Im Gegenteil: Der Archivar (offizieller Titel: Vaultmeister) des kaum überschaubaren Œuvres von Frank Zappa (1940–1993) darf Jahr für Jahr aus dem Vollen schöpfen und Box-Sets mit unveröffentlichten Live- oder Studiowerken des Meisters veröffentlichen.
Einerseits ist das natürlich viel Arbeit, andererseits aber auch immer wieder eine Herzensangelegenheit für einen der größten Zappa-Fans weltweit. Und während im Fall anderer Größen, etwa Prince oder Jimi Hendrix, kaum mehr als eine Box pro Jahr zu erwarten ist, haut Travers raus, was immer ihm in hohem Maße veröffentlichungswürdig erscheint – und das ist eine Menge.
"Zappa ’75: Zagreb/Ljubljana“: Eine ganz besondere Rarität
Dabei ist mit „Zappa ’75: Zagreb/Ljubljana“ nun eine ganz besondere Rarität erschienen, dokumentiert die Doppel-CD doch die einzigen Zappa-Auftritte im ehemaligen Jugoslawien, die – sehr seltsam – inmitten einer langen Tour durch die USA lagen. Offenbar gab es eine offizielle Anfrage, das US-Außenministerium stimmte zu, und die Band machte sich Ende November 1975 im Privatjet auf gen Osteuropa. Auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges keine Selbstverständlichkeit und natürlich wurden Zappa und Co. in Jugoslawien überwacht. Saxofonist Napoleon Murphy Brock verschwand dennoch eines Abends spurlos, was für große Aufregung sorgte. Wie sich herausstellte, war er jedoch weder auf Spionagetour noch entführt worden. Er hatte sich mit einer der staatlichen Übersetzerinnen ins ganz Private zurückgezogen ...
Musikalisch sind die Konzerte in Zagreb und Ljubljana in mehrerer Hinsicht bemerkenswert. Vor allem, weil Frank Zappa hier seine Band (wieder einmal) vor besondere Herausforderungen stellte, indem er sie live mit neuen Gitarrenriffs überraschte, auf die spontan reagiert werden musste. Schön zu hören etwa bei „Chunga’s Revenge“. Auch gibt es sehr früher Versionen von späteren Klassikern wie „Black Napkins“, „Zoot Allures“ und „Wind Up Workin’ In A Gas Station“, die erst im Jahr darauf offiziell veröffentlicht wurden. Geradezu embryonal ist zudem „Filthy Habits“ (erst 1979 auf dem Album „Sleep Dirt“).
"Zappacast": Ein hörenswerter Podcast
Im stets hörenswerten Podcast „Zappacast“ berichtet Joe Travers ausführlich davon, wie schwierig es war, das Material in der nun vorliegenden exzellenten Tonqualität zusammenzustellen. Grundsätzlich ein großes Problem für ihn: Zappa dachte nie in Liveshows, die irgendwann zu veröffentlichen wären, sondern suchte stets für seine Alben nach den besten Takes, die er aus den Originalbändern herausschnitt.
Manchmal ging es dabei nur um ein Gitarrensolo, das eben fehlt, wenn Travers sich heute eine der archivierten Konzertaufnahmen anhört. Da erfordert es viel Erfahrung und detektivische Kleinstarbeit, um die verschollenen Minuten auf anderen Bändern aufzuspüren und wieder an den richtigen Platz zu setzen.
"Zappa ’75: Zagreb/Ljubljana“: Eine ganz besondere Rarität
Die nun vorliegende Doppel-CD ist auch deshalb so interessant, weil die Besetzung mit Napoleon Murphy Brock, Norma Bell, Andre Lewis, Roy Estrada und Terry Bozzio nur kurzlebig war und Bell die Band nach nicht einmal drei Monaten wieder verließ beziehungsweise aufgrund von Drogenproblemen verlassen musste. Auch Lewis und Estrada gingen, Brock war bei der 76er-Tour durch die USA und Kanada nicht mehr dabei.
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Laut Joe Travers darf demnächst mit weiteren Konzertveröffentlichungen aus der Mitte der 70er-Jahre gerechnet werden, im Gespräch sind Hofstra University in Hempstead/New York (26.10.1975) und Honolulu (11.1.1976).
Die Tage im Paradies, sie sind noch lange nicht gezählt.
Der „Zappacast“-Podcast (englischsprachig) ist auf allen üblichen Portalen zu finden.