Hamburg. Vom 29. September bis 8. Oktober sind in fünf Festivalkinos 134 Filme aus 58 Ländern zu sehen. Fatih Akins neuer Film ist auch dabei.

Das hat es beim Filmfest Hamburg auch noch nicht gegeben: Er sei leider gesundheitlich angeschlagen, erklärt Festivalleiter Albert Wiederspiel am Dienstagmorgen zum Beginn der Programmvorstellung im Cinemaxx. Um möglichst rasch wieder fit zu werden, überlasse er jetzt anderen die Bühne – und verlässt dann auch tatsächlich den Saal.

Allerdings nicht, ohne zuvor auf eine weitere Besonderheit hinzuweisen: Die im gedruckten Programmheft angekündigte Verleihung des Douglas-Sirk-Preises an Regisseur Ulrich Seidel anlässlich der Deutschlandpremiere seines Films „Sparta“ findet nicht statt. Der Grund sind Vorwürfe gegen Seidel wegen der Arbeitsbedingungen während der Dreharbeiten, bei denen Kinder ohne entsprechende Vorbereitung oder Betreuung Themen wie Gewalt und Nacktheit ausgesetzt worden sein sollen.

Causa Seidel überschattet das Filmfest Hamburg

Seidel hat die Vorwürfe zurückgewiesen, sein Film, bei dem es unter anderem um das Thema Pädophilie geht, wird beim Filmfest Hamburg zu sehen sein. Aber: „Wir haben uns dazu entschieden, den Preis nicht zu verleihen, da die aktuellen Vorwürfe gegen die Produktion eine Preisverleihung überschatten würden.“

Ein nachvollziehbarer Schritt, weil tatsächlich das gesamte Filmfest durch die Diskussion um diese Causa in Mitleidenschaft gezogen werden könnte – und das bei einem ausgesprochen vielversprechenden Gesamtprogramm. Insgesamt 134 Filme aus 58 Produktionsländern werden zu sehen sein, darunter sind 22 Weltpremieren und 51 Produktionen mit (Co-)Regisseurinnen. Die bewährten Sektionen von „Asia Express“ über „Voilà“ und „Große Freiheit“ haben Bestand,
Abspielorte sind wieder das Cinemaxx Dammtor, das Abaton, Metropolis, Passage, Studio und Alabama. In der bewährten Nachbarschaftsreihe „Filmfest ums Eck“ kommen das Zeise, Hansa, Cinemaxx Wandsbek, Koralle, Blankeneser und Magazin hinzu, das Alabama ist hier ebenfalls vertreten.

Filmfest Hamburg: Volle Belegung der Kinosäle wieder möglich

Großer Grund zur Freude für die Organisatoren, auch des wie üblich integrierten Michel Kinder und Jugend Filmfests (30.9. bis 5.10.): Es ist wieder eine volle Belegung der Kinosäle möglich. Allerdings wird es einige Vorstellungen auf Abstand geben, um denen entgegenzukommen, die sich im dritten Jahr der Pandemie sonst unwohl fühlen.

Man hoffe, mit dem Filmfest einen Impuls zu setzen, erklärt Programmchefin Kathrin Kohlstedde, um „die Leute aus der Lethargie zu holen“ und „aus Drinnis wieder Draußis zu machen“. Auch wenn der Online-Kartenverkauf erst am 15. September startet, ein Thema ist die aktuelle Kaufzurückhaltung, die nahezu die gesamte Kulturbranche betrifft, beim Filmfest schon jetzt. Doch ein Blick ins Programm zeigt, dass sich der Ticketkauf lohnen dürfte. Nicht nur wegen des Eröffnungsfilms „Wir sind dann wohl die Angehörigen“ von Hans-Christian Schmid nach dem Roman von Johann Scheerer, dem Sohn des 1996 entführten Jan Philipp Reemtsma. Erneut zeigt das Filmfest Hamburg zahlreiche Filme, die in Cannes, Locarno und Venedig ausgezeichnet wurden, darunter die Gesellschaftssatire „Triangle of Sadness“ von Ruben Östlund mit Iris Berben und Sunnyi Melles oder die französische Komödie „The Worst Ones“ über verhaltensauffällige Jugendliche bei einem Filmdreh.

Filmfest Hamburg: Fatih Akins neuer Film "Rheingold" ist auch dabei

Von der Lebensgeschichte eines Esels („EO“) über die (kriminelle) Karriere des Gangstarappers Xatar (Fatih Akins „Rheingold“) bis zur Tour-Doku über die Techno-Abrissbirne Scooter und ein Por­trät von Beate und Serge Klarsfeld reicht das Angebot. Auch Neues aus dem Iran gibt es zu sehen, dafür nichts aus China, einem Land, das sich filmisch international zunehmend isoliert. In mysteriöse Geisterwelten entführt der malayisch-indonesische Film „Stone Turtle“, zu brennenden Autos inmitten der verschneiten finnischen Taiga hingegen „The Woodcutter Story“ und unbequem realistisch wird es mit dem TV-Drama „Die Bürgermeisterin“, in dem eine Lokalpolitikerin (Anna Schudt) in den Fokus rechter Gewalttäter gerät.

Mehr als nur eine schöne Geste ist die Integration des Molodist Kyiv International Film Festivals, dessen Leiter Andriy Khalpakhachi sich in einer Videobotschaft für die Möglichkeit bedankt, in Hamburg mit acht Lang- und zahlreichen Kurzfilmen präsent zu sein und daran erinnert, dass der Kampf des ukrainischen Volkes für Freiheit und Demokratie weiterhin einer ist, der ganz Europa betrifft.

Aufgabe von Filmfestivals sei es auch, immer wieder Unrecht zu zeigen, „das im medialen Rauschen verschwindet“, sagt Kathrin Kohlstedde. Das Filmfest Hamburg engagiert sich in dieser Hinsicht seit Jahrzehnten – das Programm für die Ausgabe zum 30. Jubiläum ist da keine Ausnahme.

Filmfest Hamburg 29.9. bis 8.10., Karten ab 15.9. (11 Uhr) unter filmfesthamburg.de
Michel Kinder und Jugend Filmfest
30.9. bis 5.10., Karten und Infos: michel-filmfest.de