Hamburg. Der neue Rowling/Galbraith-Kriminalroman ist ein Schwergewicht. Auf 1200 Seiten wird ein komplexes Panorama aufgefächert.
In Robert Galbraiths sechstem Kriminalroman „Das tiefschwarze Herz“ beginnt alles sehr harmonisch. Die Protagonisten der Krimireihe des Robert Galbraith, der eigentlich J. K. Rowling heißt und die erfolgreiche „Harry Potter“-Bestsellerautorin ist, feiern in der vornehmen Rivoli Bar des Hotels Ritz Geburtstag. Robin Ellacott wird dreißig, Cormoran Strike, Afghanistan-Veteran und ihr Partner in der Detektei, bestellt gut gelaunt ein ganzes Bataillon von Cocktails. Ungewöhnlich entspannt ist die Atmosphäre zwischen den beiden Ermittlern. So soll es nicht bleiben auf den nächsten mehr als 1300 Seiten.
Die Detektei von Strike und Ellacott läuft mittlerweile sehr gut, Aufträge kommen reichlich ins Haus, viel Geld fließt in die Kasse. Als eines Tages eine äußerlich etwas heruntergekommene Frau namens Edie Ledwell die Räume der Detektei betritt und verzweifelt um Hilfe bitte, lehnt Ellacott den Auftrag aus Zeitgründen ab. Wenige Tage später liest sie in der Zeitung, dass Ledwell ermordet worden ist. Und zwar auf eben jenem Friedhof, auf dem die von Ledwell und ihrem Partner Josh Blay entwickelte ungemein erfolgreiche Animationsserie „Das tiefschwarze Herz“ spielt. Jetzt nehmen sich Ellacott und Strike des Falles an. Mit für beide unübersehbaren, auch persönlichen Folgen.
Komplexes Panorama aus diversen Handlungssträngen
Was Galbraith/Rowling in diesem Schwergewicht von Kriminalroman auffächert, ist ein komplexes Panorama aus diversen Handlungssträngen, pendelnd zwischen virtuellen Chats und der mühsamen Ermittlungsarbeit in der nichtvirtuellen Welt. Ein Personen- und Pseudonyme-Register am Ende des Bandes wäre hier durchaus hilfreich gewesen.
Das vermeintlich Böse in dem Roman repräsentiert ein Pseudonym namens Anomie. Ob ein Mann oder eine Frau dahintersteckt, bleibt bis zum Schluss offen. Anomie ist ein großer Fan der Animationsserie von Ledwell und Blay, mit einer weiteren anonym bleibenden Figur entwickelt er/sie ein Onlinespiel zur Serie. Die Hauptfigur darin ist ein gewisser Drek, der auch in der Serie den dunkelsten Charakter darstellt.
Als die auf YouTube gezeigte Serie immer kommerzieller und immer erfolgreicher wird, kommt es zum Bruch zwischen Anomie und Ledwell/Blay. Anomie platziert haufenweise Hass-Tweets gegen die beiden Serienentwickler, die Netzgemeinde steht dabei weitestgehend hinter Anomie. Bis es zum Überfall auf Ledwell kommt, bei dem sie stirbt und ihr Partner Blay im Koma landet.
- Zwei spannende Literaturformate feiern in Hamburg Premiere
- Simone Buchholz: „Es geht um das ewige Beleidigtsein“
- Lisa Eckhart: Bettler, Huren, Hostessen, Boum!
Ist der Roman ein Kommentar von J.K. Rowling zu Kritik im Netz
Derweil haben Cormoran Strike und Robin Ellacott herausgefunden, dass sich eine rassistische und homophobe Gruppierung namens Brotherhood of Ultima Thule des Onlinespiels von Anomie bemächtigt hat. Eine Gruppe, die vor Anschlägen nicht zurückschreckt, was auch Strike und Ellacott zu spüren bekommen. Alles läuft auf ein fürwahr furioses Finale hinaus.
Das ist die eine Geschichte. Man kann den Roman allerdings auch als Kommentar von J. K. Rowling auf jene Kritik und anschließende Bedrohungen lesen, denen sie selbst ausgesetzt war: So wurde ihr nach eigenen Tweets Transfeindlichkeit und nach ihrem Roman „Böses Blut“ homophobes Gedankengut vorgeworfen, eine danach von ihr veröffentlichte provokante Stellungnahme trug wenig zur Schadensbekämpfung bei. Schauspieler aus den Harry-Potter-Verfilmungen distanzierten sich von ihr, die Schmähungen im Internet wurde lauter, es wurde ihr körperliche Gewalt angedroht.
Ob „Das tiefschwarze Herz“ ähnliche Reaktionen hervorrufen wird, bleibt abzuwarten. Stoff bietet die Geschichte dafür eigentlich nicht. Aber wer suchet, der findet. Vor allem im Internet.