Hamburg. Sommer ist, wenn alles leicht ist: Bücher zum Beispiel. Hier unsere Tipps für luftige Unterhaltungsliteratur norddeutscher Prägung.

Es soll wirklich und jetzt mal echt überhaupt nichts schwer sein. Aber auch kein Schmalspur-Gechille, am Ende noch mit Smartphone-Aktivismus. Nee. Sommer ist, wenn alles leicht ist, sonnendurchweht, salzgewärmt. Bücher zum Beispiel. Wir hatten es an dieser Stelle schon das ein oder andere Mal über luftige Unterhaltungsliteratur norddeutscher Prägung, hier folgt nun das Update für 2022. Mit einem herausragend gewichtlosen Abendblatt-Quartett samt Herz und Schmerz und auch ein bisschen Mord.

 Gemeinsam ist diesen Übungen in literarischer Mühelosigkeit der Handlungsort, nämlich Nord- oder Ostsee; aus allen Büchern rieseln Worte und Sätze wie feiner Sand, eben noch hier und gleich schon vergessen. Es bleibt kein Ballast zurück, vielleicht maximal die Erinnerung daran, dass es die Buch-Formel eben doch gibt. Merke: In der leichten Beach-Literatur ist es so, dass ausnahmslos jede Hamburgerin eine verflossene Liebschaft an der Küste hat. Heiße Herzen bekommen keinen Sonnenbrand.

Vier Sommerbücher mit Herz, Schmerz und ein bisschen Mord

Inken Bartels: „Ein Sommer an der Schlei“

Inhalt: Dorthin, wo der Ozean weit ins Land hineingreift, fährt die Großstädterin Hanna. Wohl dem, der ein Wochenendhaus an der Schlei sein Eigen nennen kann! Im Falle Hannas ist das „idyllische Häuschen“ mit dem „verwunschenen Garten“ (Klappentext) eine reine Rettungsinsel. Der Mann hat sie für eine anderthalb Jahrzehnte Jüngere verlassen, die er dann auch gleich schwängerte. Außerdem ist Hannas Vater gestorben, der eine ihr unbekannte, dramatische Schlei-Vergangenheit hat und aber auch ganz grundsätzlich von dort kommt. Was braucht eine Frau mit emotionaler Schlagseite für einen fachgerechten Schlei-Sommer? Logisch, einen kernigen Einheimischen. Hier heißt er Thies. Thies kann Boote bauen und gebrochene Herzen heilen.

Eine Lebensweisheit: „Die richtige Per­spektive ist ja bekanntlich der Schlüssel zum Glück.“

Ein kulinarisches Highlight: „Der Dorsch ist fantastisch!“

Hamburg: „‚Echt was los hier‘, sagte Meike und beobachtete aus dem runtergekurbelten Fenster das bunte Treiben in den Cafés und kleinen Läden.“

Schlei: „Nach einer Weile drehte sie sich auf den Bauch und schwamm ein paar Züge weiter raus. Die Morgensonne tauchte die Landschaft auf der anderen Uferseite in ein magisches Licht. Es war eine besondere Stimmung, und Hanna konnte sich nicht daran erinnern, wann sie sich das letzte Mal derart leicht und ausgeglichen gefühlt hatte.“

Hamburg & die Schlei: „Obwohl Hamburg nur gut 100 Kilometer weiter südlich lag, war es hier oben deutlich länger hell, das war Hanna heute wieder aufgefallen. Doch auch über der Schlei war die Sonne nun untergegangen, und über ihnen hatte sich eine ganze Farbpalette von leuchtend Orange und Tiefrot bis hin zu Violett gezeigt.“

Männer: „Ich will mein Leben nicht einfach so wegleben. Ich … ich will mich spüren.“

Poesie-Power: „In diesem Moment brach ein Sonnenstrahl durch die Wolkendecke.“

Adalbert Stifters Beitrag: „Nach dem Sternenhimmel ist das Größte und Schönste, was Gott erschaffen hat, das Meer.“

Cover-Köder: Pusteblumen, Wiese, Wasser, verschwommen, im psychedelischen Blubber von Rosenblüten. Ein impressionistisches Blaugrün.

Windstärke: 5

Sonnenstunden: 7

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Meike Werkmeister: „Das Glück riecht nach Sommer“

Inhalt: Ina kommt von der Küste. Wird Ärztin in Hamburg. Liebt unerfüllt einen Weißkittel. Last Exit Nordfriesland: Zurück aufs flache Land mit Meerzugang, Liebesgeschichten, Re-Start in Hamburg. Ina hat einen stabilen Bruder, der auf der heimatlichen Nordscholle verblieb und eine Familie gründet. Sie dagegen ist die klassische Frau, die eigentlich zu alt ist, um glücklos zu lieben und orientierungslos durchs Berufsleben zu torkeln. Macht sie aber trotzdem. Das Gute ist: Weißkittel trifft man manchmal zweimal.

Eine Lebensweisheit: „Manchmal muss man ins kalte Wasser springen, um im Glück aufzutauchen …“

Noch eine Lebensweisheit: „Man weiß nie, wann der Tag gekommen ist, an dem man keine Pusteblumen mehr fliegen lassen kann.“

Hamburg: „Bei Dunkelheit sahen die Umrisse der Stadt noch malerischer aus als im Hellen. Über allem ragte in der Ferne der Fernsehturm auf. Irgendwo zwischen Turm und uns musste die Außenalster liegen. Ja, hier könnte ich mich zu Hause fühlen, beschloss ich.“

Küsten-Kitsch: „Ich lief den Deich herunter und genoss die kühle Brise, die mir entgegenwehte.“

Poesie-Power: „Ich erwachte vom Regen auf meinem Gesicht.“

Cover-Köder: Verschiedene Gelbtöne. Ins Goldene und Pinke zielende, zwischen Getier und Gewachsenem changierendes Sommerensemble. Gediegen, nicht gehyped.

Windstärke: 3

Sonnenstunden: 6

Tanja Janz: „Willkommen in St. Peter-(M)Ording“

Inhalt: Ilva Feddersen ist eine nicht verpartnerte, kinderlose Lehrerin in Hamburg. Dann ereilt sie der Ruf der Küste: Ihre Mutter benötigt nach einem Sturz Hilfe. Also zieht Ilva zurück in die Heimat, wo ihr stabiler Bruder Dorfpolizist  ist: in St. Peter-Ording. Alles schick also am Deich für die verlorene Tochter? Nee. Wie jeder Nord-Krimi hält der hier einen Toten in den Dünen parat. Einen Rahlstedter Hotelarchitekten. Unter Verdacht: Umweltaktivisten. Ihr Bruder kriegt die Ermittlungen allein nicht hin, Ilva hilft. Ehrensache, der Hauptverdächtige ist Eike, Ilvas Jugendliebe.

Eine Lebensweisheit: „Wer Umweltpro­bleme nicht ernst nimmt, ist selbst eins.“

Gelogenster und fragwürdigster Satz: „Ich dachte, du kommst nie mehr aus Hamburg zurück.“

Wahrster und klügster Satz: „Alle Wege führen nach St. Peter-Ording.“

Küsten-Kitsch: „Sie atmete die klare Luft ein, die ganz anders als in Hamburg roch.“

Ein ehrlicher Moment: „Dicke graue Wolken hatten sich vor die Sonne geschoben, und die Temperaturen waren mindestens um fünf weitere Grad gesunken.“

Noch ein ehrlicher Moment: „Ein bisschen Action kann St. Peter nicht schaden.“

St. Peter-Ording: „Meine Devise lautet, nich’ lang schnacken, Kopp in Nacken.“

Hamburg: „In Hamburg hatte sie weitgehend vegan und alkoholfrei gelebt.“

Cover-Köder: Ein Leuchtturm, drei Schafe. Eins mit Polizistenmütze. Humor? Durchaus. Außerdem geht unter sattem Rot die Sonne auf. Oder unter. Auf der Rückseite des Einbands ist ein Stelzenhaus abgebildet. St. Peter-Ording, deine Schlüsselreize.

Windstärke: 7

Sonnenstunden: 2

Svenja Lassen:  „Meer Liebe im Herzen“

Inhalt: Marlie ist eine von den Casting-Abteilungen und Schauspielschulen verhinderte Schauspielerin in Hamburg. Dann ereilt sie der Ruf der Küste: Ihre Mutter benötigt nach einem Sturz Hilfe. Marlie trägt nun auf dem Dorf die Post aus. Marlie hat einen stabilen Bruder, der auf der heimatlichen Nordscholle verblieb und eine Familie gegründet hat. Sie dagegen ist die klassische Frau, die eigentlich zu alt ist, um glücklos zu lieben und orientierungslos durchs Berufsleben zu torkeln. Genial: Es gibt Finn, den Mann, den sie einst liebte, als er noch nicht ganz ein Mann war. Er lebt immer noch da, wo der Wind immer frisch ist.

Eine Lebensweisheit: „Kein Nordfriese sagt zweimal Moin.“

Hamburg: „Nirgendwo konnte man allein sein, außer in seiner Wohnung. Immer und überall begegneten einem Menschen. Und dennoch fühlte ich mich oft einsamer als auf dem Dorf.“

Dagebüll: „Für uns Nordfriesen hörte Norddeutschland bereits hinter dem Nord-Ostsee-Kanal auf, und Hamburg war sozusagen das Tor zu Bayern.“

Küsten-Kitsch: „Wir erreichten die Deichkrone, und da lag sie vor uns – die Nordsee, beziehungsweise das, was sie freigegeben hatte. Ihr Bett, das Wattenmeer. Meine Heimat, mein Zuhause, mein Herz.“

Abenteuer Sprache I: „Mein Herz pumpte auf Hochtouren das Blut durch meinen Körper, und ich versuchte, nicht unterzugehen in den Emotionen, die in Wellen über mir zusammenschlugen.“

Abenteuer Sprache II: „Mein Herz hämmerte erbost gegen meine Rippen, es fühlte sich von mir verraten, während das Blut in meinen Ohren rauschte, als stünde eine Sturmflut bevor.“

Cover-Köder: Nordseefolklore als knallbuntes Wimmelbild mit Strandkorb, Leuchtturm, Muschel, Meer und Schaf. Dazwischen zwei Liebende als Schattenriss. Motivisch dicht auf Sand gewebt.

Windstärke: 5

Sonnenstunden: 5