Hamburg. Johanna Gehlen und Sebastian Bezzel stehen in „Das perfekte Geheimnis“ im St. Pauli Theater erstmals gemeinsam auf hanseatischer Bühne.
So viel ist mal klar: Die Smartphones kommen hier, im Hof des St. Pauli Theaters, nicht auf den kleinen Tisch. Johanna Christine Gehlen hat ihr Handy ohnehin zu Hause gelassen, Sebastian Bezzel hat seines auf stumm geschaltet – falls doch mal etwas sein sollte. Der Probentag an der Traditionsbühne gleich neben der Davidwache ist für die beiden für heute vorbei. Da beide auch Eltern zweier gemeinsamer Kinder (im Alter von neun und zehn Jahren) sind, ist der Arbeitstag für das Künstlerpaar jedoch noch lange nicht zu Ende.
„Das perfekte Geheimnis“ lässt sich bei derlei Beanspruchung ohnehin kaum bewahren. In dem gleichnamigen Stück, in dem sieben Freundinnen und Freunde zusammenkommen, ihre (entsperrten!) Handys auf den Tisch legen und alle Textnachrichten sowie E-Mails laut vorlesen, feiert das Schauspieler-Paar an diesem Mittwoch im St. Pauli Theater mehrfach Premiere: Es ist ihre erste gemeinsame Bühnenarbeit in ihrer Heimatstadt Hamburg, zudem die erste gemeinsame seit zehn Jahren für das Ehe- und Schauspielerpaar.
St. Pauli Theater: Ex-Tatort-Kommissar auf der Bühne
2012 – Sebastian Bezzel erinnert sich genau – spielte er mit seiner Frau in Johann Nestroys „Der Talisman“ in seiner Heimatgemeinde Garmisch-Partenkirchen. Er gab während des dortigen Kultursommers in der inzwischen 180 Jahre alten Posse auf bayerische Art den rothaarigen Titus Feuerfuchs, sie die literaturbegeisterte, ausschließlich hochdeutsch sprechende Frau von Cypressenburg. Schön war’s, lustig ebenso.
Die Theaterarbeit blieb für Bezzel lange Zeit die Ausnahme – diejenige mit seiner Frau war seine bis dato letzte. Gefragt bei Film und Fernsehen war der gebürtige Bayer, Sohn eines Ornithologen, schon zuvor und auch anschließend. So verkörperte er bis 2016 zwölf Jahre lang im SWR-„Tatort“ aus Konstanz an der Seite von Eva Mattes den Kommissar Kai Perlmann. Noch populärer machten Bezzel Rita Falks Romanverfilmungen der „Franz Eberhofer“-Reihe fürs Kino und die ARD in der Rolle jenes bayerischen Provinzpolizisten. Eine schräge Figur, die er im Vorjahr wiederum im Kinofilm „Kaiserschmarrndrama“ komödiantisch auslebte.
Gemeinsam vor der Kamera und auf der Bühne
Johanna Christine Gehlen, Tochter des Schauspielers und Regisseurs Elmar Gehlen, hat sich seit Jahren überwiegend aufs Theaterspielen konzentriert. „Das perfekte Geheimnis“ ist nach französischen Stücken wie „Die Wahrheit“, „Die Neue“, „Der Sohn“ und „Der Vater“ bereits die zehnte Produktion der gebürtigen Hamburgerin am St. Pauli Theater. Mit der Einschränkung, dass Gehlen ihre Profession auf der Bühne – je nach Rolle mal kühl, mal komisch – aufgrund der monatelangen Theaterschließungen, Abstands- und Hygienebestimmungen in den vergangenen zwei Jahren so gut wie gar nicht ausüben konnte. Tournee-Produktionen wurden verschoben.
Die kleine NDR-Serie „Da is’ ja nix“ war da für beide eine schöne Abwechslung. Die Ideen zu den vom norddeutschem Humor geprägten, wenn auch nicht immer tiefgängigen Episoden hatte das Künstlerpaar schon vor einigen Jahren ersonnen und mit dem Regisseur Matthias Steurer, einem in Hamburg lebenden Österreicher, dann 2020 umgesetzt. Vor und bald nach dem ersten Corona-Lockdown drehten Gehlen/Bezzel als ein süddeutsches Hochstapler-Paar, was die Bedingungen damals erlaubten.
Profis am Werk: Kollegen statt Partner
„Es ist grundsätzlich nicht so, dass wir ein Paar spielen wollen“, stellt Bezzel klar. Es komme immer auf das Stück an, meint er. Und seine Ehefrau? Johanna Christine Gehlen sieht sich „in einer Arbeitssituation ausnahmslos als Schauspielkollegin und nicht als Partnerin“. Ob nun bei „Da is’ ja nix“ oder derzeit am St. Pauli Theater.
Hier sind Profis am Werk, die ihren Beruf lieben, aber auch ernst nehmen, das ist spürbar. Der vielbeschäftigte Bezzel hat sich diesen Mai bewusst fürs Theater frei gehalten. Aus Vorsicht tragen die Schauspiel-Eltern aus Ottensen auch beim Gespräch an der frischen Luft im Hof auf St. Pauli Masken – wenn sie sich nach getaner (Proben-)Arbeit zur Entspannung nicht gerade einen Kaffee gönnt und er eine Künstler-Zigarette. „Wir sind glücklich, dass wir mit solch tollen Kollegen arbeiten können“, sagen beide unisono. Diese Professionalität seien sie denen schuldig.
Bezzels Debüt auf der Kiez-Bühne
So spielen etwa Anne Weber und TV-Star Oliver Mommsen – er gibt wie Bezzel sein Debüt am St. Pauli Theater – in „Das perfekte Geheimnis“ ein Ehepaar, das zu einem Essen geladen hat. In der Regie Ulrich Wallers geben Gehlen und Bezzel jedoch kein Duo, sondern eine Frau und einen Mann, die wie fünf andere langjährige Freunde und Bekannte bei jenem Paar zum Essen eingeladen sind. Alle sind jenseits der 40. Als deutsche Filmkomödie hatte „Das perfekte Geheimnis“, ursprünglich ein Kammerspiel des italienischen Autors Paolo Genovese, im Jahr 2019 allein fünf Millionen Menschen in Deutschland in die Kinos gelockt.
Wie sie ihre Charaktere kennzeichnen? „Meine Charlotte muss erkennen, dass der große Plan ihres Lebens gescheitert ist“, erläutert Gehlen. „Sie sieht sich in einer Sackgasse, und sie ist in ihrer Ehe unglücklich. Im Laufe des Abends entblößt sich meine Figur.“ Und Bezzels Ben? „Er ist wohl die größte Überraschung dieser Clique – einer, der stets als Außenseiter gilt“, beschreibt der Schauspieler seinen Charakter. „Auf dessen Kosten werden die meisten Witze gemacht.“
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Der Humor ist es jedoch, der die Kollegen Gehlen und Bezzel, die sich einst bei Dreharbeiten zur früheren Sat.1.-Serie „Der Bulle von Tölz“ und beim SWR-„Tatort“ kennengelernt hatten, bis heute auf einer Wellenlänge leben, lieben und arbeiten lässt. Von wegen Nord-Süd-Gefälle. „Das Schöne an einer Zusammenarbeit ist, dass man sich abends über die Arbeit austauschen kann“, sagt Johanna Christine Gehlen. Zu ihrem 52. Geburtstag am vorigen Mittwoch mitten in der Endprobenphase hat sie mit ihrem Gatten und dem Ensemble spontan mal kurz angestoßen, ansonsten aber gar nicht groß daran gedacht. Und Bezzel sagt lachend: „Das Tolle bei dieser Arbeit ist, dass ich abends immer im eigenen Bett schlafen kann!“ Und der Heimschläfer kann an diesem Mittwoch gleich doppelt feiern – die Premiere und seinen 51. Geburtstag.
„Das perfekte Geheimnis“ Premiere Mi 18.5., bis 4.6., jew., 19.30, St. Pauli Theater (S Reeperbahn), Spielbudenplatz 29/30, Karten zu 19,90 bis 69,90 (zzgl. Gebühren) in der Hamburger-Abendblatt-Geschäftsstelle, Großer Burstah 18-32, Ticket-Hotline T. 040/30 30 98 98; www.st-pauli-theater.de