Hamburg. „Das Revier“: Eine Perfomancegruppe schickt ihre Besucher in St. Georg utopisch auf Streife. Wie die dreistündige Tour abläuft.

„Das Revier“ ist eine Utopie: Was wäre, wenn es keine Polizei gäbe? Man müsste in diesem Fall die Bevölkerung wohl auf die neue Situation vorbereiten, damit sich die Leute nicht gegenseitig die Köpfe einschlagen. Also bietet man einen Lehrgang an: Transformation in die polizeilose Gesellschaft. Und zwar mitten im Getümmel: in St. Georg. Eine Utopie, wie gesagt.

Die Performancegruppe SV Szlachta hat in Zusammenarbeit mit Kampnagel einen Container auf dem Hansaplatz aufgestellt, „Deutschlands kleinste Polizeiwache“. Und da kann man sich für eine dreistündige Tour anmelden, die einen fit machen soll für eine Welt ohne Polizei.

Theater Hamburg: Jeder Besucher bekommt einen Ablaufplan

Man wird in eine Uniform gesteckt, und dann übt man: auf Streife zu gehen, ohne Aggression auszustrahlen. Im Archiv Cold Cases vergangener Polizeigewalt nachzurecherchieren. Ein Verhör zu führen und sich dabei bewusst zu machen, wie sehr der eigene Blick auf die Institution Polizei durch Fernsehkrimis geprägt ist. „Wo waren Sie vergangenen Sonntag um 20.15?“ Ja, das ist lustig.

SV Szlachta kommen aus dem Umfeld der Kopenhagener Immersionstheater-Stars Signa, deren Schauspielhaus-Arbeit „Die Ruhe“ (Uraufführung war im November im Paketpostamt Altona) zum renommierten Berliner Theatertreffen im Mai eingeladen ist. Strukturell merkt man dem „Revier“ die Verwandtschaft an: Jeder Zuschauer bekommt einen Ablaufplan, mit dem er von Station zu Station geschickt wird.

Zuschauer werden freundlich aufgenommen

Anders als die Kolleginnen und Kollegen von Signa konstruieren SV Szlachta allerdings keine forciert unbehaglichen Situationen: Im Grunde wird man überall im Revier freundlich oder informativ aufgenommen, selbst die seltsam lächerliche Patrouille im Pinguingang wird durch den sanften Humor der Performer erträglich.

Zudem hat die Produktion in ihrem polizeikritischen Charakter ein echtes politisches Anliegen, anders als bei Signa. Ein Anliegen, das vermittelt werden will, zum Beispiel durch die genau recherchierten Beispiele für die heftig umstrittenen Brechmitteleinsätze der Hamburger Polizei zwischen den Jahren 2001 und 2021.

Theater Hamburg: Eine Leerstelle bleibt

So unterhaltsam und ästhetisch klug die drei Stunden allerdings sind, eine Leerstelle bleibt: Wie sieht die skizzierte Utopie eigentlich aus? Eine Polizei, die rassistisch, brutal oder selbst kriminell agiert, will niemand – aber das Stück formuliert es anders. „Es geht nicht um eine andere oder bessere Polizei“, heißt es an einer Stelle, „es geht um keine Polizei“. „Das Revier“ aber erzählt als uniformierte Stadtraumbespielung eine andere Geschichte.

„Das Revier“ bis 24. April, Mittwoch bis Sonntag, 15 Uhr und 19 Uhr, Hansaplatz, Tickets über Kampnagel: 27 09 49 49, alle Infos unter www.kampnagel.de