Hamburg. Die Direktorin brachte internationale Produktionen und große Künstlerinnen und Künstler nach Hamburg, nun zieht sie nach Luxemburg.

Seit 2014 leitet Bettina Steinbrügge den Kunstverein in Hamburg. Nun geht sie und übernimmt am 1. April den Posten der Generaldirektorin am renommierten Musée d’Art Moderne Grand-Duc Jean (MUDAM) in Luxemburg. Ein Gespräch über das Nicht-Gefälligsein, das Ausreizen von Räumen und warum Hamburg für Kunstschaffende wieder attraktiver geworden ist.

Hamburger Abendblatt: Frau Steinbrügge, wie geht es Ihnen?

Bettina Steinbrügge: Übergangsphasen sind anstrengend. Man hat das eine noch nicht ganz beendet, fängt das Neue eigentlich schon an. Man ist an zwei Orten gleichzeitig und muss dazu noch private Dinge erledigen wie etwa eine Wohnung suchen. Anstrengend, aber auch aufregend, also: Es geht mir gut.

Wie kam es zum Engagement am MUDAM?

Steinbrügge: Ich wurde von einem Headhunter kontaktiert und habe dann ganz normal am Bewerbungsverfahren teilgenommen. Es wurde auch Zeit, dass ich gehe. Für mich, aber auch für Hamburg. Irgendwann wird es langweilig, wenn immer die gleiche Person da ist. Ich glaube, dass jemand Jüngeres den Kunstverein leiten sollte als ich es jetzt bin.

Verlassen Sie die Stadt mit dem berühmten lachenden und weinenden Auge?

Steinbrügge: Ja, ich mag Hamburg total gerne. Ich hatte acht superschöne Jahre hier mit tollen Ausstellungsprojekten, Künstlern und Künstlerinnen und viel Support aus der Stadt heraus. Ich werde bestimmt das Hamburger Licht vermissen. Das war in Wien schon so, und das wird auch in Luxemburg so sein.

Zu gehen bedeutet ja immer eine Zäsur, ein Zurückblicken, Resümieren. Können Sie sich noch erinnern, wie Sie im Kunstverein angefangen haben?

Steinbrügge: Es war der 3. Januar 2014. Ich kam hier rein und war an einem Freitag allein, fast alle waren im Urlaub. Ich bin dann erstmal durch die Räume gegangen und habe mich akklimatisiert. Und im März stand schon die Geoffrey-Farmer-Ausstellung an, ein riesiger Aufbau: eine kinetische Oper über sechs Stunden. Das hat das Team damals zusammengeschweißt, es war eine richtig gute Aufbruchstimmung.

Man sagt, dass die erste Ausstellung eine Benchmark ist. War das in Ihrem Fall so mit Geoffrey Farmer?

Steinbrügge: Viele sagten mir damals, dass der Kunstverein pleite sei und fragten, warum ich von einem Museum dorthin gehen wolle. Deshalb wollte ich gerade mit der ersten Ausstellung beweisen, dass der Kunstverein große Produktionen stemmen kann. Und das hat auch funktioniert. Ich habe in Folge oft mit internationalen Häusern kooperiert, denn ansonsten hätten viele Ausstellungen, die ich gemacht habe, nicht stattfinden können. Sie waren für das Budget zu groß.

Und, war der Kunstverein tatsächlich pleite, als Sie anfingen?

Steinbrügge: Natürlich war der nicht pleite, das hätte schon allein der Vorstand nicht zugelassen. Der Verein steht jetzt ganz gut da. Man darf ja keine großen Gewinne machen, deswegen sind Kunstvereine immer an der Schwelle. Aber wir haben in den vergangenen acht Jahren viel renoviert und baulich verändert. Außerdem ist die Lage bei Sponsoren, Förderern und Mitgliedern gut. Ich glaube, Milan Ther (designierter Nachfolger, Anm. d. Red.) kann den Verein ganz vernünftig übernehmen.

Gab es einen bestimmten eigenen Auftrag, dem Sie sich verschrieben hatten?

Steinbrügge: Mich hat der Kunstverein aufgrund seiner Architektur interessiert. Viele finden sie schwierig, ich finde sie unglaublich toll, weil man experimentieren kann. Ich wollte diesen Raum ausreizen, habe die Architektur oft verändert, habe Künstlerinnen und Künstler sich austoben lassen.

Sie haben Nicole Wermers zurück nach Hamburg geholt, mit Oscar Murillo den Turner-Preisträger 2020 gezeigt, jungen Talenten wie Annika Kahrs ein Sprungbrett bereitet. Laut dem Sammler Harald Falckenberg hat sich der Kunstverein in Hamburg zum bedeutendsten in Deutschland entwickelt. Ein schönes Kompliment zum Abschied.

Steinbrügge: Wir haben viele große internationale Kooperationen und bedeutende Künstlerinnen und Künstler hierher geholt, so jemanden wie Wolfgang Tillmanns mit einer Einzelausstellung oder Öyvind Fahlström, der im Sommer gezeigt wird. Das ist nicht selbstverständlich. Das liegt aber auch daran, dass der Kunstverein so eine Zwischengröße hat: Eigentlich ist er viel größer als ein Kunstverein, hat teilweise die Dimensionen einer mittelgroßen deutschen Kunsthalle. Deswegen habe ich hier auch anders gearbeitet: Unten mit jungen Künstlerinnen und Künstlern, die ihre erste Monografie erhielten, oben mit etablierteren Namen, die experimentieren konnten.

Welche Ausstellungen werden Ihnen besonders in Erinnerung bleiben?

Steinbrügge: Geoffrey Farmer, James Benning, „Jed Martin – Karte und Gebiet“ mit dem Schauspielhaus Hamburg, Peaches, Ho Tzu Nyen. Ich habe jede Ausstellung in meinem Herzen, sie hatten alle etwas Besonderes. Auch die Zusammenarbeit mit Kampnagel war in den vergangenen Jahren toll und bereichernd.

Wo Sie es gerade erwähnen: Was ist aus dem mit Kampnagel im vergangenen Jahr initiierten Projekt zu den Spülfeldern von Joseph Beuys geworden?

Steinbrügge: Wir haben die Gelder nicht bekommen, und mir ist am Ende die Energie ausgegangen. Ich hatte noch versucht, ein Büro in Innenstadtlage zu bekommen, aber es gab immer noch eine Hürde und noch eine, und im Herbst habe ich dann die Waffen gestreckt. Es ist aber das einzige Projekt, das nicht realisiert wurde.

Wie würden Sie die Rolle des Kunstvereins in der Stadt beschreiben?

Steinbrügge: Der Kunstverein sollte ein Ort sein, der nicht gefällig ist, der Stellung bezieht und eine Meinung hat. Hamburgs Kunstszene ist in den vergangenen Jahren wieder wesentlich stärker geworden, die Kunsthochschule ist eine der besten in Deutschland. Die ganze Kulturszene hat Aufschwung genommen; hier wird auf hohem Niveau gearbeitet. In Folge bleiben auch wieder mehr Künstlerinnen und Künstler in Hamburg. Das kann sich die Stadt, das können sich aber auch ihre Institutionen, Sammlungen und Galerien auf die Fahnen schreiben. Der Kunstverein ist ein Rädchen in einem größeren Gefüge.

Was reizt Sie am MUDAM?

Steinbrügge: Ich habe im Kunstverein viel gelernt, insbesondere im Bereich Management. Jetzt habe ich Lust wie im Belvedere in Wien wieder mit einer Sammlung in einem größeren Gebilde zu arbeiten. Das MUDAM ist ein junges, gut aufgestelltes Museum, die Sammlung fängt etwa 1989 an. Die Lage ist gut, nahe zu Frankreich und Brüssel, in einer sehr dynamischen Region. Dort gibt es ein sehr engagiertes Team von rund 50 Personen, die alle Lust haben, Museum neu zu definieren. Die Herausforderung ist, dass das MUDAM das große Museum ist, weswegen viele nach Luxemburg kommen.

Was wünschen Sie Ihrem Nachfolger?

Steinbrügge: Ein gutes Händchen, ganz viel Spaß, dass die Menschen in Hamburg ihn umarmen. Und, dass er alles umsetzen kann, was er umsetzen möchte. Milan Ther erwartet eine tolle Institution, die Dynamik ist unglaublich.