Hamburg. Die dänische Künstlerin Madame Nielsen erreicht ihr Publikum im Thalia Gaußstraße, verstört und irritiert es aber auch.

Die dänische Künstlerin Madame Nielsen ist ein Gesamtkunstwerk. Sängerin, Performerin, Schriftstellerin und nun auch noch „Welterlöserin“, so der Titel ihres gemeinsam mit dem Regisseur Christian Lollike entwickelten Programms, mit dem sie nun bei den Lessingtagen im Thalia in der Gaußstraße gastierte. Ihr künstlerisches Konzept für die Rettung der von Klimawandel und Globalisierung drangsalierten Welt fällt maximal radikal aus: in einem öko-faschistischen Terrorakt.

An ihrer Biografie entlang („Die Kulturwelt verschlang sie“) erzählt Nielsen von einer großen Kehrtwende in ihrem Leben, in dem sie auf einmal Festivaleinladungen nach Buenos Aires nicht mehr froh machten und sie über „hysterisch billige Hemden“ nachzudenken begann. Die schmale Silhouette in ein langes schwarzes Samtkleid gehüllt, stark geschminkt, die Haare akkurat kurz, steht sie unter einem runden Leuchtkreis, der wie ein Heiligenschein über ihr hängt, spricht in formvollendetem Deutsch und fordert die Anwesenden unverblümt auf, ihr Leben zu ändern.

Lessingtage: "Die Welterlöserin" covert Nirvana

Ihrem Anliegen verleiht sie eine Dringlichkeit, wenn sie sich etwa Namen von Nachkommen der Anwesenden zurufen lässt und an einer großen Tafel notiert. Die Sorge, „Die Welterlöserin“ könne zu einem gut gedachten aber pädagogisierenden, freudlosen Abend werden, erfüllt sich dennoch weitgehend nicht.

Das liegt auch daran, dass Madame Nielsen ihre Pamphlete mit schön arrangierten Cover-Songs und Eigenkompositionen garniert, bei denen sie von dem Halvcirkel String Quartett, vier hervorragend aufspielenden, blond perrückten und schwarz gewandeten Musikerinnen, begleitet wird. Darin singt sie das fast volkstümliche „Jesus (Just Like You And Me)“, wie sehr Jesus doch einer von uns sei. Außerdem ein schönes Nirvana Cover „Smells Like Burning Planet“ und eine tolle klassische Version von Nina Simones „Sinnerman“.

Madame Nielsen wird zur öko-faschistischen Soldatin

Im Verlauf des Programms spitzt Madame Nielsen die Sache immer weiter zu. Erst sucht sie Heil in dem Schweigekloster „Maria Regina Martyrium“, bevor sie, nun ganz in Weiß mit schwarzen Stiefeln und langen Handschuhen und Militärmütze, selbst als öko-faschistische Soldatin der Weltsache einen vermeintlich erlösenden Terror-Akt verübt.

Das ist natürlich sehr radikal gedacht, dabei ist es ja immer noch Kunst, konfrontiert den Zuschauer aber mit der Frage, ob Gewalt hier wirklich weiter hilft. Diese zwischen Brandrede und großen Emotionen changierende „Welterlöserin“ erreicht ihr Publikum, aber sie verstört und irritiert auch. Eine Erkenntnis allerdings bleibt, der Planet muss in jedem Fall für alle künftigen Generationen erlöst werden und zwar schnell - und konsequent.

„Um alles in der Welt – Lessingtage 2022“ Bis 6.2., Thalia Theater und Thalia in der Gaußstraße, Karten unter T. 32 81 44 44, thalia-theater.de