Hamburg. Dänische Königin ist großer Fan von “Dornröschen“ Ida Praetorius. Warum diese unbedingt mit John Neumeier arbeiten wollte.

Vor einigen Wochen sorgte die Nachricht für Aufsehen, dass die junge Tänzerin Ida Praetorius auf Hélène Bouchet als Erste Solistin des Hamburg Balletts John Neumeier folgen wird. Seither richten sich alle Augen auf die 28-jährige Dänin.

Doch damit hat sie bereits Erfahrung. In Kopenhagen ist sie ein Ballett-Star. Und sie begegnet einem so zugewandt, eloquent und fröhlich, dass von ihrem aktuellen Stress nichts zu merken ist. Die Zeit für ein Interview ist knapp bemessen, denn Ida Praetorius probt mit Hochdruck die Titelrolle in „Dornröschen“ im Ballettzentrum Hamburg - John Neumeier.

Die Premiere ist am 19. Dezember, und es wird nach 14 Jahren eine wirkliche Neukreation des populären Märchen-Balletts von John Neumeier und dem Hamburg Ballett sein. Jürgen Rose ist wie schon vor 14 Jahren mit der Ausstattung betraut.

Ida Praetorius ab 2022 bei John Neumeier

Praetorius tanzt seit 2016 als Erste Solistin beim Königlich Dänischen Ballett, dem sie bereits seit 2010 angehört. Mit dem Weggang Richtung Hamburg – offiziell ab Januar 2022 – erfüllt sich für sie ein langgehegter Wunsch.

„Ich kenne John Neumeier seit vielen Jahren, war Teil seiner Einstudierungen von ‚Die Kameliendame’ und ‚Romeo und Julia’; er hatte schon immer eine enge Verbindung zum Königlich Dänischen Ballett.“ Hier sah er sie bereits als Teenager in „Romeo und Julia“. „Ich habe es immer geliebt, mit John zu arbeiten. Das ist etwas, das seit langer Zeit in mir ist. Und jetzt hatte ich Glück, und es ergibt alles einen Sinn.“

Ballett Hamburg: Auch Alexandr Trusch in „Dornröschen“

Beide hatten parallel eine längerfristige Zusammenarbeit angefragt. Ida Praetorius schätzt besonders, dass John Neumeier als Choreograph weiterhin kreiert, das Repertoire stetig weiterentwickelt und lebendig hält.

In „Daphnis und Chloe“ tanzte sie in Kopenhagen bereits an der Seite von Alexandr Trusch, der nun ihr Partner in ihrem Hamburg-Debüt „Dornröschen“ sein wird. „Er ist eine große Unterstützung, physisch und mental stark, er schafft eine große Präsenz.“

Das klassische Ballett zur Musik von Peter Tschaikowski verfolgt sie derzeit bis in ihre Träume. Immer, wenn sie manchmal tageweise noch für Vorstellungen zwischen Hamburg und Kopenhagen hin- und herjettet, hört sie die Musik laut im Kopfhörer und geht die Schritte durch.

„Dornröschen“ wird zwei Zeiten reflektieren

Der Stil des berühmten Choreografen Marius Petipa ist technisch höchst anspruchsvoll zu tanzen. Er fällt ihr nicht so leicht wie andere, das gibt sie offen zu, aber sie liebt die Herausforderung, die Magie der Melodien. „Die Musik leitet die Charaktere und die Schritte.“

Und was wird nun neu und anders sein bei diesem „Dornröschen“? Es sei eine Fusion aus Schritten von John Neumeier und vielen Petipa-Variationen, erzählt Ida Praetorius. „Er fügt den Charakteren neue Schichten von Poesie hinzu“, umschreibt sie das Ergebnis. „Das funktioniert nicht nur über die Schritte, sondern auch über das, was sie bedeuten. Es ist, als ob man über zwei Epochen nachdenkt, die damalige und die heutige.“

Die Geschichte von der durch eine böse Fee verfluchten Prinzessin, die nach einem langen Schlaf von einem Prinzen wachgeküsst wird, erhält eine besondere menschliche Note. Letztlich gehe es um Menschen, die auf eine gemeinsame Reise gehen. Auch Jürgen Roses Ausstattungsdesign wird beide Zeiten reflektieren.

Schon ihre Mutter tanzte in der berühmten Compagnie

Tatsächlich reicht die Verbindung von Ida Praetorius mit dem Hamburg Ballett sehr weit zurück. Denn schon ihre Mutter tanzte einst in der Compagnie, bevor sie später als Ärztin arbeitete und ihren Vater, einen Wirtschaftswissenschaftler, heiratete.

Ihre beiden jüngeren Brüder tanzen ebenfalls. Im Alter von drei Jahren sah Praetorius ihr erstes Ballett – da war es um sie geschehen. Damals begann sie mit dem Unterricht. Sie sei nicht so ideal proportioniert gewesen, die Arme hätten nicht über den Kopf gereicht, erzählt sie lachend.

Längst ist sie zu einer zarten, hochgewachsenen Ballerina herangereift. „Ich hatte viel Glück, schon als junger Mensch viele Chancen zu bekommen“, sagt sie bescheiden. „Ich bin einfach meinem Instinkt gefolgt. Noch heute versuche ich, mir die Freiheit, die ich als Kind spürte, zu bewahren, als ich einfach Musik hörte und anfing zu tanzen.“

Ida Praetorius: „Ich habe gewählt, was ich liebe“

Natürlich sah ihre Jugend anders aus als die ihrer Freundinnen. Sie war diszipliniert und ging immer in den Tanzunterricht, auch wenn sie sich mal nicht so gut fühlte. „Ich habe viel Zeit im Theater verbracht, und wenn ich am Sonnabend getanzt habe, bin ich am Vorabend natürlich nicht ausgegangen“, erzählt Ida Praetorius.

„Meine Jugend war anders, aber ich hatte nie das Gefühl, etwas zu verpassen. Ich habe gewählt, was ich liebe.“ Klassisch ausgebildet, kann sie auch dem zeitgenössischen Ballett, wie etwa des britischen Choreographen Wayne McGregor, positive Seiten abgewinnen. „Es ist alles Bewegung, und dann ist es, glaube ich, einfach die Frage, mit welchem Akzent man spricht.“

Dänische Königin will für "Dornröschen" nach Hamburg kommen

Schon in Kopenhagen lebte sie mit ihrem Freund – ebenfalls Tänzer und übrigens in der letzten Produktion auch der „Romeo“ – zentral in Theaternähe. Das tut sie jetzt auch in Hamburg. Sie genießt die urbane Atmosphäre und freut sich auf Konzerte, Theater und Museen, deren Räume sie als fast schon religiös empfindet. „Ich bin ein Kunst-Junkie“, bekennt sie.

Beim Königlich Dänischen Ballett hat sie nicht nur große Rollen von „Cinderella“ bis „Giselle“ getanzt, sondern auch viele Preise, etwa den Reumert Preis als Tänzerin des Jahres 2019, erhalten. Die Königin von Dänemark schlug sie gar zur jüngsten Ritterin des Landes.

Die Königin sei großer Ballett-Fan, erzählt Ida Praetorius und lacht ihr mitreißendes Lachen. Und sie habe sogar signalisiert, dass sie vielleicht nach Hamburg reisen wolle, um Ida Praetorius in „Dornröschen“ zu sehen. Da könnte sie bald nicht die einzige sein.

John Neumeier: „Dornröschen“ Premiere 19.12., 18 Uhr, weitere Vorstellungen 21.12., 29.12., 30.12., 6.1.2022, 7.1.2022, 10.1.2022, 13.1.2022, 15.1.2022, jeweils 19 Uhr, 9.1., 18 Uhr, Hamburgische Staatsoper, Dammtorstraße 28, Karten unter T. 35 68 68; www.hamburgballett.de