Harburg. Das Publikum scheut derzeit Konzerte – unabhängig von der Frage, ab wann man zum Tanzen einen zusätzlichen Test braucht.
Zu den Branchen, die unter der Corona-Pandemie besonders gelitten haben, zählen die Live-Musik-Veranstalter. Eineinhalb Jahre lang haben die Clubs ihre Türen schließen müssen. Erst vor Kurzem durften sie wieder öffnen – für ein Publikum, das geimpft oder genesen ist.
Dann kam die vierte Corona-Welle und die 2G-Regelung ist wieder infrage gestellt. In Hamburg ist die Verordnungslage noch relativ entspannt. Die Clubs plagen aber ganz andere Sorgen: Das Publikum bleibt weg, und das nicht wegen, sondern trotz der Kontrollen. Selbst Musiker sagen Auftritte aus Sorge ab. Es ist schon wieder nicht einfach für die Harburger Clubwirte, wie ein Szene-Check am Freitag und Sonnabend zeigte.
Corona: Geringe Auslastung im „Komm Du“
Freitagabend im „Komm Du“ an der Buxtehuder Straße. „Dr. Love Power“ sorgt hier normalerweise für einen gefüllten Saal. Heute verliert sich nur etwas mehr als eine Handvoll Zuschauer im Raum. Alle sitzen brav an den Tischen, obwohl die 2G-plus-Regel, nach der bei Tanzveranstaltungen zusätzlich zu den Impf- oder Genesenen-Nachweisen auch ein negativer Test vorgelegt werden müsste, erst ab Sonnabend greift – wenn ein Konzert überhaupt als „Tanzlustbarkeit zählt.“ Sänger Mark Bloemeke hat das Programm angepasst. Die Bluesrockband spielt heute ruhige Nummern.
„Die Gäste sind verunsichert“, sagt der Wirt Achim de Buhr. „Ständig kommen neue und teilweise widersprüchliche An- und Aussagen aus der Politik. Da bleiben viele lieber zu Hause. Ich überlege schon, freiwillig 2G plus einzuführen, damit ich komplett auf der sicheren Seite bin und die Maskenpflicht nicht mehr anmahnen muss.“
2G plus soll nicht für Konzerte gelten
Die Pflicht, auch bei 2G-Veranstaltungen wieder Maske zu tragen, sobald man seinen Sitzplatz verlässt, ist eigentlich die einzige Verschärfung, die die Live-Musik-Clubs betrifft, versichert die Sozialbehörde. 2G plus soll für Konzerte nicht gelten, sondern nur für „Tanzlustbarkeiten“. Tanz-was?
Behördensprecher Martin Helfrich erklärt den juristischen Begriff: „Tanzlustbarkeiten sind Veranstaltungen, die darauf gerichtet sind, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer tanzen, insbesondere in Clubs und Diskotheken. Soweit Musik gespielt wird und Tanzflächen zur Verfügung gestellt werden, ist grundsätzlich von einer Tanzlustbarkeit im Sinne der Corona-Eindämmungs-Verordnung auszugehen. Bei einem Konzert hingegen wird zumeist auf einer Bühne eine musikalische Darbietung erbracht, die von einem passiven Publikum entweder stehend oder sitzend verfolgt wird.“
Konzerte in anderen Bundesländern verboten
Darf man auf seinem Konzertstehplatz jetzt zur Musik leicht wippen, und wenn ja, wieviel, ohne dass der Clubwirt Strafe zahlen muss? Der Senat hat angekündigt, diese bei Konzerten großzügig zu interpretieren. Letztendlich entscheiden allerdings die Kontrolleure vor Ort – wenn sie denn überhaupt Publikum finden.
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Ebenfalls am Freitagabend: Im „Stellwerk“ geben sich die Surf-Rocker von „Jancee Pornick Casino“ alle Mühe, die Zuhörer in Bewegung zu versetzen – an diesem Tag noch bedenkenlos möglich. Allerdings sind auch hier nicht viele Zuschauer gekommen. „Und es sind nicht nur die Gäste, die Bedenken haben“, sagt Programmmacher Jan Nickel, „Auch Bands sagen ab. Einige, weil sie es nicht verantworten wollen, vor 100 Leuten ein Punk-Konzert zu geben, andere, weil ihnen die Tourneen zusammenbrechen, da in anderen Bundesländern Konzerte schon wieder verboten sind. Wir hoffen auf bessere Zeiten und dass wir viel von unserem Programm veranstalten können.“
In Marias Ballroom sind fast mehr Mitarbeiter als Gäste
Auch in Marias Ballroom herrscht am Freitag ziemliche Leere. Liedermacher Franz Josef muss seinen Blick weit schweifen lassen, um seine Zuhörer zu finden. Mit Barpersonal, Ton- und Videotechnikern, Clubchef Heimo Rademaker sowie den zwei Musikern arbeiten heute mehr Menschen im Ballroom, als hier ihre Freizeit genießen. „Dank diverser Förderprogramme konnten wir den Club erhalten und sogar in Technik investieren“, sagt Rademaker. „Aber so, wie es derzeit läuft, machen wir Verluste, sobald wir aufmachen. Ich überlege schon, das Programm für Januar und Februar zu streichen und abzuwarten, was sich entwickelt!“
An der 2G-Regel kann der Publikumsschwund kaum liegen. Als diese Mitte Oktober eingeführt wurde und beispielsweise bei der „Südkultur Music Night“ galt, waren die Lokale voll. Mittlerweile beherzigen auch gestandene Pistengänger immer häufiger die Aufrufe, Kontakte zu reduzieren.
Fischhalle im Binnenhafen will Programm nicht einschränken
Die Wirte müssen ihre eigenen Wege finden. Werner Pfeifer, Chef der „Fischhalle“ ist zuversichtlich. „Bei unserem Konzept mit Sitzplätzen auf Abstand können die Leute bedenkenlos Musik genießen, und ich glaube, das wissen sie auch. Wir schränken unser Programm nicht ein.“
Auch Kirsten Czeskleba-Huuck, Teilhaberin des Irish Pub „Old Dubliner“, der gerade erst wieder angefangen hat, Live-Musik anzubieten, ist zuversichtlich – obwohl auch bei ihr mit „Mikel OneTwo“ gerade eine Band vor sitzendem Publikum spielt, die den Pub sonst mit Tanzenden füllt: „Wir werden uns vorsichtig wieder an das Programmmachen herantasten“, sagt sie. „Ohne Musik wäre das Leben ja doof!“