Hamburg. Die Produktion „Eurotrash“ setzt auf Nachhaltigkeit und Wiederverwertbarkeit – darum kümmert sich am Haus auch eine Arbeitsgruppe.

Der Begriff „Trash“ im Romantitel „Eurotrash“ bezeichnet wohl eher seelischen und sozialen Ballast als realen Müll. Doch wenn Christian Krachts Mutter-Sohn-Studie als Theateradaption an diesem Sonnabend im Thalia an der Gaußstraße Premiere feiert, werden die Abfallprodukte unserer Wohlstandsgesellschaft auch ganz real in Szene gesetzt. Bühnenbildnerin Barbara Ehnes hat eine Wendeltreppe gebaut, die sich dynamisch in die Höhe schraubt. Ins Nichts. Eine Konstruktion, die ganz auf Nachhaltigkeit setzt. Auf Wiederverwertbarkeit. Auf den Kreislauf der Dinge.

Das Treppengerüst besteht aus alten Stahlrohren, die im Theater zuvor Vorhänge und Technik trugen. Das Geländer ist aus Hanfseilen gefertigt, die früher als Handzüge dienten. Und die Stufen sind aus Parkettplatten gesägt, die im Stück „Ode an die Freiheit“ verwendet wurden.

Thalia Theater: So geht Nachhaltigkeit auf der Bühne

„Ich habe das Bühnenbild erst künstlerisch entworfen. Ohne Schere im Kopf“, erzählt Barbara Ehnes. „Dann haben wir Schritt für Schritt geschaut, welche nachhaltigen Lösungen sich für die Umsetzung anbieten.“ In diesem Prozess hat sie sich sowohl mit Regisseur Stefan Pucher ausgetauscht, als auch mit der 2019 gegründeten Arbeitsgruppe Nachhaltigkeit des Thalia Theaters. „Uns geht es darum, bereits über kleine Veränderungen ein Bewusstsein für ökologische Themen zu schaffen“, erklärt Jana Popihn, persönliche Referentin des kaufmännischen Geschäftsführers Tom Till.

Das Engagement beginnt damit, zum Beispiel Druckerpapier zu sparen und Wasserspender anzuschaffen. Und es reicht bis hin zu umweltbewusster Materialbeschaffung sowie der Suche nach regionalen Alternativen. Jana Popihn ist begeistert davon, wie die drei großen Bereiche des Theaters – Kunst, Technik und Verwaltung – in der Arbeitsgruppe abteilungsübergreifend zusammenkommen. Und sie freut sich, dass „Eurotrash“ als Pilotprojekt fungiert, um Ideen konkret und für das Publikum sichtbar umzusetzen.

Geschredderte Jeansstoffe und landwirtschaftliche Abfälle bei „Eurotrash“

Nachhaltige Produktionen sieht Barbara Ehnes jedoch nicht nur als Beitrag, um Ressourcen zu schonen. Sie fühlt sich von Materialien, die aus Recycling neu entstehen, auch künstlerisch inspiriert.

Bei „Eurotrash“ etwa hat sie Bodenplatten ausgelegt, die aus geschredderten Jeansstoffen und landwirtschaftlichen Abfällen entstanden sind. Zudem befasst sie sich gerade intensiv mit Pilzmycel und wie mit dessen Hilfe ein Styroporersatz geschaffen werden kann.

Ihre Erkenntnisse gibt sie als Professorin für Kostüm- und Bühnenbild an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden auch an ihre Studierenden weiter. „Wir sind am Theater in einer Transformationsphase. Die Berufsanfänger haben ein viel größeres Bewusstsein für Nachhaltigkeit.“ Der Nachwuchs achte stärker darauf, Müll zu vermeiden und besser abbaubare Materialien zu verwenden. „Damit die nächste Generation nicht zwischen Anspruch und Praxis feststeckt, müssen wir ihr Alternativen bieten“, erklärt Barbara Ehnes.

So viel Nachhaltigkeit wie möglich, aber „Kultur kann nicht alles retten“

Der Bühnenbildnerin ist es ein wichtiges Anliegen, all die eingelagerten Kulissen, Kostüme und Requisiten besser verfügbar zu machen. „Die Theaterlandschaft ist durch ihr Fundus-System ja bereits nachhaltig angelegt“, sagt Barbara Ehnes. Doch all diese Schätze müssten über Datenbanken noch besser in den Austausch gelangen. Auch Jana Popihn strebt mit ihrer Arbeitsgruppe an, die Häuser und Hochschulen besser zu vernetzen und konkret zu schauen, wer welches Material benötigt. „Das bietet dann direkt die Chance, neue Kooperationen einzugehen“, sagt Jana Popihn. Trotz all dieser Bemühungen merkt Barbara Ehnes kritisch an: „Kultur kann nicht alles retten. Wir müssen immer wieder auch die großen Player benennen, die maßgeblich für den Klimawandel verantwortlich sind.“

„Eurotrash“ Thalia Gaußstraße, Premiere: 27.11., 20.00 (2G); www.thalia-theater.de