Hamburg. Anderthalb Jahre musste man auf „Keine Zeit zu sterben“, den letzten Film mit Craig als Agent 007, warten. Es hat sich nicht gelohnt.
Anderthalb Jahre lang haben wir auf den neuen James-Bond-Film gewartet. Anderthalb Jahre haben wir die immerselben Action-Häppchen im Kinotrailer serviert bekommen. Solange konnte man auch schon den Titelsong von Billie Eilish hören.
Aber kann man so lange die Spannung halten? Hat so ein immer wieder aufgeschobener Event nicht irgendwann einen Bart? Jetzt hat „Keine Zeit zu sterben“ endlich in London seine lang erwartete Premiere gefeiert und kommt am Donnerstag in die Kinos. Aber, ach, das lange Warten, es hat sich nicht wirklich gelohnt. Viele 007-Fans werden wohl eher enttäuscht sein.
James Bond: Beziehung zu Madeleine wird nicht lange halten
„Wir haben alle Zeit der Welt“, sagt Daniel Craig als James Bond anfangs zu Madeleine (Léa Seydoux). Jener Frau, mit der er im letzten Bond „Spectre“ händchenhaltend ins Happy End und in den Ruhestand lief. Aber wenn ein James Bond diesen Satz sagt, weiß der Bond-Fan, dass dem nicht so ist. Und nicht mehr viel Zeit bleibt.
Denn Bond hat den Satz schon mal gesagt, 1969 in „Im Geheimdienst seiner Majestät“, zu der einzigen Frau, die er je geheiratet hat. Sie wurde noch auf der Fahrt in die Flitterwochen getötet. Wenn Daniel Craig das nun wiederholt, erklingt sogar noch mal die Melodie aus dem alten Film. Man weiß also: Auch die Beziehung zu Madeleine wird nicht lange halten.
Letzter Bond-Film lief vor sechs Jahren
Wir haben alle Zeit der Welt: Das ist aber auch sonst so eine Sache bei Bond. Sechs Jahre sind vergangen seit dem letzten Bond-Film „Spectre“. Die Regel sind eigentlich zwei. Und der neue Film, er hätte ja ursprünglich schon – man mag sich noch erinnern, auch wenn’s wirklich lange her ist – vor fast zwei Jahren, im November 2019, ins Kino kommen sollen. Dann wurde der Start verschoben, erst auf Februar, dann auf April 2020. Seine letzte Promotour als Bond sollte Craig auch nach Berlin führen. Aber dann kam Corona und der Lockdown.
Und als die Kinos im Sommer 2020 wieder öffnen durften und alle auf Bond hofften, um die Kino-Öde zu retten, da hat man den Film lieber auf den Herbst geschoben. Stattdessen kam dann ein anderer Agent, in Christopher Nolans „Tenet“, der das Agenten-Kino klug und neu bereicherte. „Keine Zeit zu sterben“ musste dagegen wegen des zweiten Lockdowns noch mal verschoben werden. Der fieseste und zäheste Gegenspieler von Bond ist also: Corona. Die ewigen Verschiebungen sollen über 50 Millionen Dollar gekostet haben. Am Ende hat man sich auch die Welt-PR-Tour gespart. Und nur eine Premiere in London gefeiert.
Daniel Craig will nicht mehr James Bond sein
Daniel Craig dürfte es recht sein. Der wollte eh nicht mehr James Bond sein. Wollte sich, wie er mal lautstark bekundete, lieber die Pulsadern aufschneiden, als noch mal den Agenten mit der Lizenz zum Töten zu spielen. Am Ende hat er sich doch noch einmal überreden lassen. Mit einem ziemlich dicken Gehalt. Es dürfte aber auch ein bisschen Eitelkeit mitgespielt haben.
Immerhin hat Craig so mit fünf 007-Filmen einen mehr als sein Vorgänger Pierce Brosnan. Und dann auch, wie jener, einen Jubiläums-Film. Brosnans letzter Bond war der 20. der Reihe, der von Craig ist nun der 25. Aus dem Jubiläum wird aber erstaunlicherweise wenig gemacht. Keine Zitate, wie etwa beim 20. Bis auf die Replik mit all der Zeit, die wir haben. Ja, beim ikonischen Intro, wenn Bond ins Visier genommen wird und dann zurückschießt, läuft nicht mal mehr Blut übers Bild. Da wird der Fan dann überrascht sein.
Es gibt schon längst einen neuen 007-Agenten
Und das wird er im Laufe des mit 163 Minuten längsten Bond-Films aller Zeiten noch öfter sein. Denn Bond zieht sich in „Keine Zeit zu sterben“ zurück. Fünf Jahre lang. Bis er wieder angeworben wird. Aber nicht vom Geheimdienst Ihrer Majestät, sondern – von der CIA der Amerikaner. Dabei muss er sogar erfahren, dass beim Secret Service nach seinem Abgang nachgerückt wurde. Längst gibt es einen neuen 007, es ist eine Frau, und eine Schwarze obendrein: Nomi (Lashana Lynch).
Die ist, als sie erstmals aufeinander prallen, sichtlich stolz, seine Nummer zu tragen. Er dagegen wehrt kühl ab: „Es ist nur eine Nummer.“ Damit ist aber auch die ganze Gerüchteküche, die regelmäßig angeheizt wird, wer der nächste Bond-Darsteller sein könnte, eigentlich überflüssig. Es gibt ja schon einen. Und es ist eben eine.
Bösewicht Blofeld ist wieder zu sehen
„Keine Zeit zu sterben“ kommt nur schwer in Gang. Und will zu viel erzählen. Mit den Craig-Bonds wurde die Serie ja erstmals horizontal erzählt. Und so müssen alle noch mal wieder auftreten oder vorkommen, die tote Vesper aus „Casino Royale“, der Bösewicht Blofeld (Christoph Waltz), der jetzt in einem Hochsicherheitstrakt gefangen gehalten wird wie Hannibal Lecter im „Schweigen der Lämmer“. Und Léa Seydoux’ Madeleine, die nach wenigen Minuten abserviert wird, aber doch so weit vorn im Vorspann steht, dass sie noch mal wiederkehren muss.
Und doch will Bond Nummer 25 auch eine neue Geschichte erzählen. Und vor allem ganz anders sein als seine Vorgänger. Deshalb der Ruhestand. Deshalb der Sprung um fünf Jahre. Aber die vielen Handlungsstränge werden nicht in eine schlüssige Dramaturgie gegossen. Blofeld und seine große, weltweite Geheimorganisation, um die es in „Spectre“ ging, werden hier recht schnell und relativ unspektakulär ausgeschaltet. Dafür tritt jetzt ein neuer Bösewicht auf, der hübscherweise Lyutsifer Safin heißt, aber, obwohl von „I Robot“-Star und Oscar-Preisträger Rami Malek gespielt, kaum etwas Luziferisches hat. Das ist teuflisch schade.
Es fehlt an Spannung, Witz und Eleganz
Auch die Actionsequenzen sind für einen Bond-Film eher rar gesät. Und man hat sie so ziemlich alle schon in den Trailern gesehen. Bond-Produzentin Barbara Broccoli und Regisseur und Ko-Drehbuchautor Cary Joji Fukunaga versuchen dagegen, ihre Figur als genauso tragisch zerrissenen Helden zu zeichnen, wie Christopher Nolan das mit „Batman“ gelungen ist. James Bond als Hamlet quasi. Das geht aber nicht so überzeugend auf wie bei dem Comichelden.
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Und so mäandert der Film seltsam hin und her. All die Gadgets, die sich die ersten Craig-Bonds noch verkniffen haben und die erst in „Skyfall“ und „Spectre“ peu à peu zurückkamen, sie werden hier wieder ausgespielt, aber eher routiniert und lustlos, weil es halt so erwartet wird. Es fehlt aber allenthalben an Spannung, Witz und Eleganz. Und irgendwann ertappt sich bei etwas, was einem bei einem Bond-Film noch nie passiert ist. Man gähnt ein wenig. Dieser James Bond, er schein auch die Lizenz zur Langeweile zu haben.
James Bond: Daniel Craig der wohl beste 007-Darsteller
Das ist so schade. Weil mit Daniel Craigs erstem Bond „Casino Royale“ das erfolgreiche Franchise 2006 wirklich noch einmal radikal neu angefangen wurde und Daniel Craig sich in kürzester Zeit vom anfangs belächelten blonden Bond zu dem wohl besten 007-Darsteller nach Sean Connery freigespielt hat. Auch wenn er dann den Rummel um seine Person kaum noch ertrug und aussteigen wollte. Aber auch das hat er mit Connery gemein.
„Keine Zeit zu sterben“ ist vor allem ein großes Abschiednehmen von Daniel Craig in dieser Rolle. Und damit ein ganz untypischer Bond. Die Filmemacher gehen dabei weiter als bei jedem vorherigen Bond-Darsteller, und das waren immerhin fünf an der Zahl. Sie gehen dabei aber so weit, dass die klassische Bond-Reihe eigentlich an ein Ende kommt. Da braucht es dann auch gar keine große Debatte mehr, wer der oder die nächste 007 werden könnte. Das hat dann alle Zeit der Welt.
„Keine Zeit zu sterben“ Actionthriller GB 2021 163 min., von Cary Joji Fukunaga, mit Daniel Craig, Léa Seydoux, Rami Malek, Lashana Lynch. Christoph Waltz, Ralph Fiennes, Naomie Harris, Ben Whishaw, u.a. im Zeise, Savoy, Passage