Hamburg. Jürgen Hunke, Investor und Eigentümer der Theater-Immobilie, hat bei der Präsentation des neuen Spielplans einen seltsamen Auftritt.
Wenn man genau hinschaut, erkennt man den Schriftzug noch. „Hamburger Kammerspiele“ stand früher auf den großen roten Bannern vor dem Theater im Grindelviertel, aber die Schrift ist verblasst, jetzt liest man da „Buddha Lounge“ beziehungsweise „Buddha Bar Café“. Zumindest optisch steht dem Privattheater eine spürbare Veränderung bevor.
Eigentlich wollen Intendant Axel Schneider, der künstlerische Leiter Sewan Latchinian und Chefdramaturgin Anja Del Caro am Freitagvormittag die kommende Spielzeit vorstellen. Aber zunächst beschreibt der geschäftsführende Gesellschafter (und Besitzer der Immobilie) Jürgen Hunke, was er mit dem Gebäude vorhat: Der 78-Jährige habe laut eigener Aussage mehrere Millionen in die Kammerspiele investiert und keinerlei Rendite erhalten, der aktuelle Betrieb des Hauses sei nicht gewinnbringend und müsse ganz neu strukturiert werden – insbesondere im gastronomischen Bereich.
Hunke will junge Hamburger ins Theater locken
Was heißt: Der bisherige Logensaal wird in „Harmonie“ umbenannt, Hunke will hier – außerhalb der Verantwortung der Kammerspiele-Dramaturgie – ab November Lesungen und andere kulturelle Veranstaltungen anbieten. Den Betreibern des Restaurants „Jerusalem“ wurde gekündigt, stattdessen soll eine Bar mit Selbstbedienung einziehen. Hunke will, so sagt er, damit ein jüngeres Publikum ins Haus locken: „Wir haben genügend Theater für alte Menschen in Hamburg, wir brauchen auch ein Theater für junge Menschen!“
Dabei interessiert Hunke sich kaum für Theater und verbirgt das auch gar nicht: „Ich habe manchmal mit meinem Fußballverein Theater, das reicht mir“, meint der ehemalige HSV-Funktionär. Und führt lieber aus, was er vom aktuellen Hamburger Verkehrssenator hält (wenig) oder dass man als Vermieter große Probleme hätte, unwillige Mieter aus einer Immobilie zu klagen (seine bisherigen „Jerusalem“-Pächter). Die Theatermacher Schneider, Latchinian, Del Caro derweil stehen mit verkniffenen Mündern daneben und sagen: nichts.
Zwei Kinderstücke im Programm der Kammerspiele
Beziehungsweise: Ein ganz klein wenig sagen sie dann doch noch. Als sie die Spielzeit vorstellen, legen sie Wert auf die Feststellung, dass die Kammerspiele keineswegs nur „Theater für alte Menschen“ anbieten würden.
Zum Beispiel seien mit der Wiederaufnahme „Die drei ??? und der Weihnachtsdieb“ (ab 2.12.) und der Premiere „Rico, Oscar und die Tieferschatten“ (ab 2.1. Regie: jeweils Georg Münzel) zwei Kinderstücke im Programm, und mit dem Oscar-prämierten Filmstoff „Once“ (ab 31.10., Regie: Gil Mehmert) gebe es eine musikalische Liebesgeschichte mit irischem Indie-Folk-Hintergrund, die sich ebenfalls an ein jüngeres Publikum richte.
Kammerspiele planen Ur- und Erstaufführungen
Darüber hinaus plant das Theater vor allem Ur- und Erstaufführungen: eine Dramatisierung von Judith W. Taschlers Roman „Die Deutschlehrerin“ (ab 14.10., Regie: Axel Schneider), David Lindsay-Abaires „Die Reißleine“ (ab 20.3., Regie: Frauke Thielecke) sowie Goethes Dreierbeziehungs-Klassiker „Stella“, in einer neuen Fassung von Regisseurin Amina Gusner (ab 23.1.).
Zudem wollen die Kammerspiele – anders offenbar als ihr Gebäudebesitzer – weiterhin die jüdische Vergangenheit des Grindelviertels thematisieren: mit der Reihe „Musikalisch-literarische Stolpersteine“ etwa, bei der unter anderem Markus Majowski (12.9.) und Iris Berben (17.10.) zu Gast sind. Und mit zwei großen Uraufführungen, der von Latchinian selbst inszenierten Spielzeiteröffnung „Der koschere Himmel“ (ab 19.9.) und dem Saisonabschluss „Herr Klee und Herr Feld“ (ab 15.5., Regie: Ulrike Maack), letzterer prominent besetzt mit Matthias Habich und Udo Samel.
Jüdisches Restaurant muss weichen
„Ein passender Ausklang unserer Spielzeit, die in besonderem Sinne Respekt vor den jüdischen Traditionen des Hauses zeigt“, beschreibt Latchinian diese Stückauswahl. Auch hier eine kleine Spitze gegen Jürgen Hunke.
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Denn auch wenn die Umgestaltung des Gebäudes wirtschaftlich begründet sein mag – von echtem Respekt zeugt es jedenfalls nicht, wenn man den jüdischen Hintergrund des Restaurants „Jerusalem“ ignoriert und stattdessen eine buddhistische Anmutung durch ostasiatisches Dekor herstellt.
Hamburger Kammerspiele zeigen literarische Formate
Zumal auch die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit fraglich ist: Mit Arne Nielsens „Vodkagesprächen“ (2. und 17.11., mit Karoline Eichhorn und Catrin Strebeck) und „Im Vertrauen“, einem Briefwechsel zwischen Hannah Arendt und Mary McCarthy (17.1., mit Sandra Quadflieg und Katharina Thalbach) stehen genau solche kleinen, literarischen Formate längst auf dem Kammerspiele-Programm, wie sie Hunke im ehemaligen Logensaal nun also ebenfalls anbieten möchte.