Hamburg. Skeptische Reaktionen auf Option, nur noch Geimpfte und Genesene bei Konzerten, Musicals oder Theaterstücken zuzulassen. Die Argumente.
Die Nachricht, dass der Hamburger Senat ab Sonnabend die 2G-Option anbietet, es Veranstaltern also ermöglicht, nur noch Geimpfte und Genesene einzulassen, kam nicht überraschend, war dieser Schritt doch schon vor Tagen angekündigt worden. Aber die Reaktion auf den Vorschlag, mit dem wieder volle Konzerthallen und Theatersäle sowie eine Wiederbelebung des Clublebens erreicht werden sollen, wird vielerorts verhalten, wenn nicht sogar mit erheblicher Skepsis betrachtet.
Dabei spielen ungeklärte organisatorische Fragen ebenso eine Rolle wie rechtliche Unsicherheiten, der Wunsch nach Gleichbehandlung aller Kulturinteressierten und das Unbehagen darüber, eine Entscheidung mit gesellschaftlichen Auswirkungen fällen zu sollen, für die man eigentlich die Politik für zuständig hält.
Elbphilharmonie: Wunsch nach "Zwei-G+"-Modell
Christoph Lieben-Seutter, Intendant von Elbphilharmonie und Laeiszhalle, erklärt, er halte es prinzipiell für richtig, Regelungen zu treffen, die wieder eine Vollauslastung von Konzert- und Theatersälen ermöglichen. „Ich wäre allerdings dringend für das 'Zwei-G+'-Modell, bei dem auch Personen, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können, die Teilnahme an Veranstaltungen mittels PCR-Tests ermöglicht wird.“
Bevor es in Elbphilharmonie und Laeiszhalle zu Konzerten mit voller Saalauslastung und 2G-Option kommen könne, müssten noch viele Detailfragen geklärt werden. „Zudem wäre für Häuser wie diese, in denen viele unterschiedliche Veranstalter Konzerte anbieten, eine einheitliche Regelung des Gesetzgebers sinnvoll. Sonst besteht für viele Besucher noch mehr Unübersichtlichkeit und Verunsicherung, unter welchen Bedingungen sie eine Veranstaltung besuchen können.“
2G-Regel auch für Künstler verpflichtend?
Zu den Detailfragen, die bisher ungeklärt sind, gehört unter anderem, dass Mitarbeiter mit Publikumskontakt bei der Wahl der 2G-Option ebenfalls geimpft oder genesen sein müssten. Das betreffe auch das Personal von Dienstleistern etwa in der Elbphilharmonie. Ob diese überhaupt verpflichtet sind, Fragen zu ihrem Impfstatus zu beantworten, sei derzeit unklar.
Auch wisse man nicht, ob diese Regelung gleichermaßen für die auftretenden Künstlerinnen und Künstler gelten solle. Ganz klar ist für Lieben-Seutter allerdings, dass Veranstaltungen der HamburgMusik, für die bereits Karten verkauft wurden, nicht nachträglich unter die 2G-Regelung fallen werden. 2G-Veranstaltungen könnte es somit frühestens im November geben.
Musicals: Ticketverkauf unter anderen Voraussetzungen
Auf die Problematik bereits verkaufter Tickets weist auch Stage Entertainment hin, das in Hamburg vier Musicals auf die Bühne bringt, darunter den Dauerläufer „Der König der Löwen“.
Unternehmenssprecher Stephan Jaekel teilt auf Abendblatt-Anfrage mit: „Unsere Musicals befinden sich bereits seit langer Zeit für viele Monate im Voraus im Vorverkauf. Die meisten unserer Gäste haben ihre Tickets unter anderen Voraussetzungen gekauft, das wollen und müssen wir berücksichtigen.“ Die aktuelle Entscheidung des Senats werde man für die vier Hamburger Shows in Ruhe im Detail bewerten.
Ohnsorg Theater wird auf 2G verzichten
Sehr ausführlich äußert sich hingegen schon jetzt Michael Lang, Intendant des Ohnsorg Theaters. Er sei ein großer Befürworter der Corona-Impfung, stehe der 2G-Option des Senats aber kritisch gegenüber: „Theater sind öffentliche Orte, deren Aufgabe es unter anderem ist, größtmögliche Teilhabe für die gesamte Gesellschaft zu ermöglichen und niemanden auszuschließen“, erklärt Lang.
„Wenn der Staat sich scheut, eine grundsätzliche Impfpflicht einzuführen, dann sollte diese Verantwortung, Menschen zu einem bestimmten Verhalten zu verpflichten, nicht auf die Institutionen verlagert werden. So lange es keine Impfpflicht gibt, ermöglichen wir via Tests eine breitestmögliche Teilhabe.“ Heißt: 2G wird es im Ohnsorg auf absehbare Zeit nicht geben – auch weil man dort die Getesteten aus wirtschaftlichen Gründen als Publikum brauche.
Intendant für Abschaffung der Maskenpflicht
Seiner Ansicht nach wäre es viel hilfreicher, für Häuser wie seines als nächsten Schritt die Maskenpflicht am Platz aufzuheben und dafür die Belegung der Plätze nach dem Schachbrettmuster zu belassen. „Die meisten potenziellen Zuschauerinnen und Zuschauer stören sich massiv an der Maskenpflicht während der gesamten Vorstellung und gehen daher überhaupt gar nicht erst ins Theater“, erklärt Lang.
Man müsse also davon ausgehen, durch 2G kaum mehr Publikum zu haben als derzeit. „Insofern bringt uns 2G keine wirkliche Verbesserung der ohnehin schwierigen Lage.“ Die Maskenbefreiung sei auch deshalb zu vertreten, weil „die modernen Lüftungsanlagen in den Theatern eine so hohe Luftwechselrate schaffen, dass fast Freiluft-Bedingungen vorherrschen“.
2G schafft Problem mit dem Rücktrittsrecht
Auch erhebliche organisatorische Probleme führt Lang an, etwa die Tatsache, dass Abonnentinnen und Abonnenten ihre Karten für die neue Spielzeit unter der Maßgabe 3G gekauft haben. Wenn man jetzt die Zugangsvoraussetzung ändere, dann müssten sie alle erneut kontaktiert und ihnen ein Rücktrittsrecht eingeräumt werden.
Insgesamt lassen die ersten Reaktionen darauf schließen, dass die 2G-Option des Senats zumindest kurzfristig nicht der große Durchbruch ist.