Hamburg. Zum Auftakt Pastorales: Beim Internationalen Sommerfestival auf Kampnagel startet die kanadische Sängerin Feist ins Programm.
Vereinzelt und isoliert waren wir alle lange genug. Jetzt sei es an der Zeit, das Miteinander neu zu lernen, findet Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda (SPD) und rühmt in seiner Eröffnungsrede das Motto des diesjährigen Internationalen Sommerfestivals auf Kampnagel: „Togetherness“. Gemeinschaft. Für die dazugehörigen Geschichten sorge schon Festivalleiter András Siebold, für Brosda einer der „besten Geschichtenerzähler, den die Stadt Hamburg zu bieten hat“. Die Kunst könne dazu beitragen, Differenzen als Bereicherung zu erfahren und Zusammengehörigkeit zu stiften. „Die Künstler waren ja nie weg. Wir waren nur nicht dabei.“
Nun ist Dabeisein also möglich. Wenn auch mit strengem Hygiene-Regiment, das Masken auch im Kampnagel-Garten zumindest beim Umherwandern notwendig macht. Immerhin, in diesem Jahr dürfen schon wieder die Hälfte der Plätze besetzt werden.
Feist: Weltpremiere der Konzertperformance „Multitudes“
Wenn die kanadische Musikerin Feist in der Weltpremiere ihrer Konzertperformance „Multitudes“ neue Songs präsentiert, ist das zwar nicht der große kulinarische Tanztheater-Aufschlag, den man zur Eröffnung in der großen Kampnagel-Halle gewohnt ist, aber vielleicht ein Zeichen, das man auch diese neu und anders denken kann. Leslie Feist galt einmal als das Fräuleinwunder des Indie-Pop inklusive eines erfolgreichen Werbehits („1234“).
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Nach vier Jahren Funkstille präsentiert sie sich pur und ohne Glitzer-Kostüm (allerdings mit sehr roten Schuhen) auf einem grün gefilzten Podest. Man sieht Feist ihre Gitarren wechseln und im Skriptbuch blättern, während das Publikum um sie herum auf Papphockern balanciert. Mithilfe von allerlei Fußgeräten loopt die Musikerin Gesang und Klänge, bis so etwas wie Opulenz entsteht.
Der Abend erhält etwas Pastorales
Als sich schließlich Todd Dahlhoff an Tasteninstrumenten und Amir Yaghmai an Violine und Gitarre hinzugesellen, erhält der Abend vollends etwas Pastorales. Und das ist nach den konzertlosen Monaten der Stille in seiner Konzentration, Tiefe und Innerlichkeit wirklich bewegend. Zumal Feist in ihren Texten allerlei Fragen nach dem Zustand der Welt („Become The Earth“) und des menschlichen Miteinanders („Another Persons Wealth“) aufwirft.
Während dem spanischen Künstlerduo Juan Dominguez und Arantxa Martínez das wechselhafte Hamburger Sommerwetter eine Open-Air-Performance verhagelt, bleibt es am frühen Abend in den Kampnagel-Hallen bei zwei Performances für jeweils bloß einen einzelnen Zuschauer trocken. Das Menü in Abhishek Thapars „Belastbar und sauber, dringend gesucht“ wird am Restauranttisch serviert – es besteht aus Erfahrungsberichten von Menschen im Exil, die sich in Hamburg im prekären Dienstleistungssektor durchschlagen.
Überwältigende Fantasieräume
So hat man die Stimme etwa von Mohamadou Kamara im Ohr, der erzählt, wie er nun Hotelbäder im Akkord reinigt oder in heißen Gastroküchen schuftet und nebenbei Gefühle von Heimweh und rassistische Anfeindungen abfedern muss. Der Appetit auf den nächsten Restaurantbesuch könnte einem bei dieser kleinen, aber klugen und akkurat umgesetzten Audio-Performance durchaus vergehen.
Auf sich allein zurückgeworfen ist, wer sich in die virtuellen Welten von Susanne Kennedy und Markus Selg in Zusammenarbeit mit dem niederländischen Videokünstler Rodrik Biersteker vorwagt. Die Installation „I Am (VR)“ entführt mit Hilfe einer Virtual-Reality-Brille und eines Kopfhörers in inhaltlich nicht überfordernde, aber visuell doch überwältigende Fantasieräume.
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Die „Togetherness“, sie ist am ersten Abend am ehesten in Feists intimem Klangkosmos spürbar. Und sie entsteht zu später Stunde im von Jascha&Franz gestalteten Avantgarten auf dem hinteren Kampnagel-Gelände. Da flaniert man vorbei an „Autoscooter“ und „Karussell“, trinkt, isst, quatscht. Auch dazu lädt den Besucher die Kunst beim Sommerfestival nun endlich wieder ein.
Internationales Sommerfestival bis 22.8., Kampnagel und andere Orte, Jarrestraße 20-24, Karten: T. 27 09 49 49; kampnagel.de