Hamburg. Er spielte Gitarre, sie las: Beim Kultursommer Hamburg war ein gemischtes Duo auf der Alster unterwegs.
O Mann, was für ein Sommer. Auch aufm Schiff mit der Maske hocken, sicher ist sicher; wo doch immerhin ein bisschen Aerosol-zerstäubender Wind übers Mitteldeck bläst. Es windet mit einer Zartheit, die Bernd Begemann gut kennt. Er kann Rock’n’Roll-Schmelz in seine Stimme legen, und das tut er anlässlich der Fahrt mit dem Alsterdampfer „St. Georg“ an diesem extrem hamburgischen Augustnachmittag auch immer mal wieder.
Das graue Gebirge am Himmel spiegelt sich in der Alster. Aber Begemann, der gemeinsam mit der Autorin Simone Buchholz diese künstlerisch gepimpte Rundfahrt auf dem historischen Schiffchen bestreitet, trägt die Sonne und alle anderen Farben des Lebens wie immer im Herzen.
Simone Buchholz ist die erfolgreichste Krimiautorin Hamburgs
Um Gefühle soll es vor den etwas mehr als 30 Zuhörerinnen und Zuhörern – selbst ohne pandemische Reduktion passen auf den Dampfer auch sonst nicht viel mehr – erklärtermaßen gehen. Simone Buchholz ist die erfolgreichste Krimiautorin der Stadt, gerade erst erschien der letzte Band ihrer Chastity-Riley-Reihe, die nach diesem Goodbye-Buch nun tatsächlich ein Zehnerpack geworden ist.
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Um die Thrillerhandlung soll es, das sagt die 49-Jährige gleich, bei ihrer Lesung nicht gehen. Sondern allein ums Emotionale, denn das ist ja, wissen wir Leser, der Herzkern von Buchholz‘ Heartcore-Krimis: Dass Chastity und die Bullen um sie herum gar nicht so abgebrüht sind.
Buchholz und Begemann verbindet eine 20-jährige Freundschaft
Die Dialoghäppchen aus „River Clyde“ retourniert Begemann mit typischen Begemann-Impromptus. Im ersten Liedbeitrag heißt es, man merkt es sich leider am leichtesten: „Ein guter Mann muss immer wie ein Tiger sein“. Die guten, alten supervirilen Zeiten also, mit deren Spirit ja auch die besten Krimis oft immer noch geschrieben sind.
Wie es zum gemeinsamen Auftritt kam und dessen Emo-Programm, erklären Buchholz und Begemann, die eine 20-jährige Freundschaft verbindet, bereitwillig. Begemann gab einst den Blumfeld-Support in Dresden, wo die heimwehe Simone Buchholz vorübergehend lebte. Sie habe im Publikum gestanden, mit einem T-Shirt, das sie unverkennbar als Hamburgerin identifizierte, erzählt Buchholz.
Kurzweiliger Nachmittag
Und Begemann, der Vollprofi, widmete ihr spontan einen Song. Als Blumfeld später spielte, habe er dann gleich neben ihr gestanden und den Rockstarsatz angebracht: „Du, wir können auch hinter die Bühne gehen und das Konzert backstage anhören.“ Anschließend Kiffen, Nüsschen essen und MTV-Gucken mit Blumfeld, dann Hotel („Dir ist klar, dass nichts läuft?“) und Jahre später, wie Begemann, der trockene Selbstironiker, berichtet, ein Text von Simone Buchholz über „das völlig Unsexuelle der Begegnung“.
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So entstehen Freundschaften fürs Leben, und es ist jedenfalls kein schlechtes Entrée in einen kurzweiligen Nachmittag. Text und Musik ergänzen sich im Anschluss hervorragend. Wobei Buchholz die richtigen Leseanteile aus ihrem Werk herausfischt; auf die „langweiligen Männersachen“ (Buchholz), die ihre Helden zu bereden haben, folgt die Schwärmerei für Chastity, die Göttin der Strafverfolgungsbehörden, und ihre Vorzüge („Lippen wie Ostseewellen“).
Wasser und Popmusik geht immer
So poetisch sind die Hartgekochten im Roman also. Was Begemann angeht, kann die freie und hansestädtische Formel einmal mehr auf ihre Immergültigkeit belegt werden: Wasser und Popmusik, da kriegste halt immer irgendwann Gänsehaut. Schick einen Kahn mit Musikanten, seien sie aus der Hamburger Schule oder nicht, auf Elbe oder Alster, und der Laden läuft.
Wie üblich fährt der Alsterdampfer auch in die Seitenkanäle, und da wünschte man sich fast, Begemann beschallte die Bestlage mit seiner Elektrischen so, dass die Oberschicht um den Mittagsschlaf gebracht wird. Begemann aber spielt lieber etwas Melancholisches, das ist natürlich auch eine Maßnahme gegen unter Umständen aufkommenden Immobilienneid.
Kultursenator auf Stippvisite beim Kultursommer
Später wird er durchaus ein wenig grummelig von seiner Kunst sprechen, die auf Youtube ja umsonst abgerufen werden könne. Wen er da sicher nicht adressiert, ist der hohe Gast: Kultursenator Carsten Brosda sitzt auch auf dem umfunktionierten Kultur-Kahn.
Stippvisite beim von seiner städtischen Abteilung initiierten Kultursommer, der derzeit die schönen und unterhaltenden Dinge nach Monaten des Darbens mit Vehemenz in den Mittelpunkt rückt und außerdem, das ist der zweite Effekt, die Kassen der freischaffenden Kulturbetriebler zumindest etwas füllt. Konstanze Görres-Ohde, die Chefin des Literaturhausvereins, ist ebenfalls an Bord: Die zweitägigen Alsterdampferfahrten, neben Begemann und Buchholz treten unter anderem Leona Stahlmann, Karen Köhler und Regula Venske auf – sind der Beitrag des Literaturhauses zum Kultursommer.
Am Ende singen beide gemeinsam einen Monsterhit von Begemann
Der Charme Begemanns, der im 59. Lebensjahr stehend immer noch die Mischung aus Indie-Legende und gebrochen maskuliner Exotik (der Mann stammt aus Bad Salzuflen) personifiziert, verfängt beim Publikum. Und bei Simone Buchholz. Die erzählt einerseits von speziellen Kommunikationskünsten („Wenn man mit dir auf einer Party ist, stehst du immer irgendwann in der Küche und alle streiten“) und lobt anderseits, dass seine Lieder Beispiele dafür wären, wie schön man als Musiker vom Verliebtsein erzählen könne.
Begemann nimmt den Faden selbstbewusst auf. Was Liebesleid angeht, sagt er, „spendet Musik ein bisschen mehr Trost als Literatur: Sie kann das Dilemma toll beschreiben, aber nicht lindern – ein stupider Drei-Akkorde-Song kann das“.
Am Ende singen beide gemeinsam Begemanns Monsterhit „Ich habe nichts erreicht außer dir“, und als man genau dazu die Lombardsbrücke passiert, den Jungfernstieg im Blick, denkt man: Das alles könnte noch ewig so weiter gehen.
Weitere Veranstaltungen unter www.hamburg.de/kultursommer