Hamburg. Die Hamburger Sängerin und Schauspielerin im Gespräch über Heimat, Comebacks und ihr Electro-Schlager-Album „Von Herzen“
Kein Jahr ohne Comeback: 2019 verwandelte sich die Hamburger Sängerin, Schauspielerin und Moderatorin Jasmin Wagner (41) nach 20 Jahren wieder in die Techno-Pop-Kunstfigur Blümchen. 2020 kehrte sie aus Berlin nach Hamburg zurück und lebt in St. Georg.
Und jetzt veröffentlicht Wagner, die 2006 die Musik aufgegeben hatte und ihre Erfüllung auf der Theaterbühne suchte (u.a. in „Männerbeschaffungsmaßnahmen“ in den Kammerspielen und in „Robin Hood“ am Altonaer Theater), nach 15 Jahren mit „Von Herzen“ ein neues Album. Am Telefon erzählt sie, wie es dazu kam und warum sie sich auch mit ihrem Alter Ego Blümchen versöhnen konnte.
Frau Wagner, auf Ihrem neuen Album singen Sie: „Auf die großen Fragen im Leben heißt es Ja oder Nein, doch auf die wichtigste Frage von allen wird immer Hamburg die Antwort sein“. Frei nach Scooter: Die Frage ist, was ist die wichtigste Frage?
Jasmin Wagner Da kommt vieles zusammen. Ich hatte ja schon lange mit der Musikbranche abgeschlossen und nicht damit gerechnet, daran noch einmal anzuknüpfen. Aber ich wusste immer: Sollte sich das noch mal ergeben, dann schreibe ich unbedingt einen Hamburg-Song. Alle tollen Künstlerinnen und Künstler dieser Stadt haben einen, nur ich nicht. Und das obwohl hier immer für mich die Heimat war. Egal wie aufregend die Reisen, hier renne ich nur einmal um die Alster und komme sofort wieder bei mir an. Die große Frage im Leben lautet immer: Wozu bekennst du dich? Bekenne dich zu deiner Liebe, zu deinen Zielen, zu deiner Sexualität oder zu deiner Heimat. Da gibt es nur Ja oder Nein.
Fettes Brot würde sagen: „Jein“.
Wagner Fettes Brot sind die Einzigen, die das dürfen. Ich habe das nicht getan, zum Beispiel mit meiner Ehe. Im ersten Lockdown haben wir sehr viel Zeit miteinander verbracht und uns dann gefragt: Ja oder Nein. Da gab es kein „schauen wir mal“. Es wurde dann ein Nein, aber auch das war ein Bekenntnis.
Sie würden also keinen Song über Berlin oder Zürich schreiben können, wo Sie einige Jahre lang gelebt haben?
Wagner Nein, ich bin einfach zu verbunden mit meiner Stadt, das habe ich auch nie aufgegeben. Egal wo ich war, ich dachte mir immer: Hier ist es schön, aber Hamburg ist schöner.
Sie hatten eigentlich mit der Musik abgeschlossen, jetzt erscheint aber 15 Jahre nach ihrer letzten Platte „Die Versuchung“ ein neues Album.
Wagner Ich habe zehn Jahre lang auf Theaterbühnen gestanden und war dort sehr glücklich – bis ich im zehnten Jahr mit einem Regisseur eine sechs Wochen lange Leidenszeit hatte. Da wusste ich, dass es Zeit für eine Veränderung ist. Und dann haben 2019 die 90er angeklopft in Form eines großen 90er-Jahre-Revival-Festivals in der Arena auf Schalke. Ich hatte es immer abgelehnt, wieder als Blümchen aufzutreten, aber irgendwie hat es mich gepackt. Da waren 60.000 Menschen, ich lernte David Hasselhoff kennen und nahm mit ihm „Summer Go Away“ auf. Mein Team von früher regte ein Album an, ich bekam alle Freiheiten, entdeckte wieder die Freude am Songschreiben und erinnerte mich an Goethe aus meiner Theater-Zeit: „Es muss von Herzen kommen, was auf Herzen wirken soll.“ Und so entstehen dann Texte wie „Eine Couch, der Fernseher und dich – mehr brauch ich nicht.“
Blümchen ist also auch wieder da: Bereits im Juni veröffentlichten Sie unter diesem Namen mit dem Rapper Finch die Single „Herzalarm“ – mit einem kreischbunten, selbstironischen Video als Reminiszenz an die MTV-Viva-Ära der 90er. Eine ganz schöne Zeitreise, oder?
Wagner Ich habe in meiner Theaterzeit kaum mitbekommen, dass die 90er-Jahre wieder zurückkommen und hätte auch nicht geglaubt, dass dieses Jahrzehnt ein Comeback erfährt wie die 70er und 80er. 90er-Partys, 90er-Fashion, das lief an mir vorbei. Ich wunderte mich allerdings, warum Freunde immer öfter nachts 90er-Songs auf meine Mailbox grölten. Und dann landete ich selber auf der „Lo Limit“-90er-Party im Schmidts Tivoli, der Laden kochte und eskalierte völlig, als ein Blümchensong aufgelegt wurde. Da habe ich begriffen, dass die Wirkung des herumhüpfenden Teenagermädchens Blümchen doch größer ist als ich bis dahin dachte
„Wie ein boom boom boom boom Boomerang komm ich immer wieder bei dir an“?
Wagner Früher hörte ich dauernd, dass meine Musik kommerzieller, elektronischer Mist sei. Heute steht Blümchen für eine Generation und ihre Erinnerungen. Mit Blümchen zu spielen macht Spaß. Und es ist toll, zwei Künstlerinnen sein zu können: Blümchen und Jasmin Wagner.
Aber Sie sind seit vielen Jahren omnipräsent in TV-Shows, Serien, Filmen, im Theater, in Musicals, Podcasts, als Werbepartnerin für diverse Produkte, Sie haben ihre eigenen Weine, versorgen insgesamt 160.000 Instagram-Follower und haben sogar Immobilienentwicklung und Investmentberatung in der Vita stehen. Machen Sie auch einfach mal nichts?
Wagner Ich bin sehr aktiv, aber das ist auch erschöpfend und ich möchte auch einen Ruhepol finden. Am besten mit jemanden, der mit mir das einfache Miteinander sein, Nahesein teilen kann.
Das Lied „Du bist nicht allein“ unterstreicht, dass Sie nicht die Einsamkeit suchen. Das passt thematisch zu den vergangenen 16 Monaten.
Wagner Das ist schon ein pandemischer Song, das kann man nicht anders sagen. Ich war isoliert, aber nicht allein, man hat seine Gemeinschaft anders organisiert. Aber dieses Glück haben viele nicht und denen möchte ich auch Mut machen. Ich hatte auch zum ersten Mal keinen Druck bei den Albumaufnahmen, keine Veröffentlichungstermine, keinen Stress. Das war geradezu kurios. In der ganzen Zeit – Ehe futsch, Lockdown – war Musik immer der rote Faden.
Ihr Album klingt beim ersten Hören wie House-Remixe von Helene Fischer. Sie selbst nennen Ihren neuen Sound sehr passend „Electro-Schlager“ ...
Wagner Alles braucht ja einen Namen, und Electro-Schlager passt am besten. Was ich bei Blümchen liebte, waren die hymnenhaften Melodien, die auf die dunkle Seite der Ballerbeats trafen. Und meine elektronische Vergangenheit gehört auch jetzt unbedingt zu mir, auch wenn die nicht mehr im Vordergrund steht. Ich kenne jedenfalls nichts, was vom Sound so klingt wie „Von Herzen“.
Im neuen „Blümchensong“ singen Sie: „Nur wenn dein Herz so schlägt wie ein Blümchensong, dann will ich dich“. Besorgniserregender Bluthochdruck ist also die Basis einer erfolgreichen Partnerschaft?
Wagner So ungefähr (lacht). Da sind wir wieder beim Bekenntnis, bei Ja oder Nein. Wenn bei einem Date das Herz nicht pocht, dann ist das doch nichts. Und ja, Blümchensongs sind sehr, sehr schnell.