Hamburg. Joachim Lux hat für die Saison 2021/22 Regisseure aus aller Welt eingeladen – und ein alter Bekannter kehrt nach Hamburg zurück.
„Das Leben feiern“ – vor gar nicht allzu langer Zeit wäre das als Motto einer ganzen Spielzeit womöglich etwas banal daher gekommen. Inzwischen ist schon „eine ganze Spielzeit“ nicht mehr selbstverständlich, und „das Leben kann man nur feiern, wenn man weiß, dass es endlich ist“, fasst Joachim Lux die Grenzerfahrungen der vergangenen Monate zusammen. Nach den Sommerferien wird es in den dritten Spielplan unter pandemischen Vorzeichen gehen, „Celebration of life“ haben der Intendant und seine Chefdramaturgin Julia Lochte die Saison 2021/2022 am Thalia Theater überschrieben.
Noch immer gibt es Unwägbarkeiten, längst fertig geprobte Produktionen müssen nachgeholt werden. Aber es gibt auch den unbedingten Wunsch und Willen, das Theater wieder mit Leben zu füllen, „künstlerisch zu tun, was wir für richtig halten“, so Lux, „sonst wird uns die Luft abgeschnitten“. Man wolle mit Optimismus nach vorn schauen, „die Selbstverzwergung aufheben“, den Blick nach außen weiten.
Regisseure aus aller Welt am Thalia Theater in Hamburg
19 Premieren stehen im Spielplan, sieben Regisseure und eine Regisseurin vertreten „eine internationale Handschrift“ (Lux), womit zum Teil übrigens ganz eigene logistische Herausforderungen einhergehen: Der Iraner Amir Reza Koohestani, der in der Gaußstraße eigentlich schon jetzt für sein Thalia-Debüt, den Anna-Seghers-Roman „Transit“, proben sollte, habe stattdessen „kafkaeske Visa-Probleme“. Premiere soll am 25. September sein – noch allerdings ist Koohestani, statt in Altona, in Teheran.
Auch der russische Regisseur Kirill Serebrennikov, dem das Thalia seit langem verbunden ist, der hier bislang aber noch keine eigene Inszenierung verwirklichte, darf nach wie vor sein Heimatland nicht verlassen. Mit einer eigenen Fassung von Anton Tschechovs „Der schwarze Mönch“ und einem deutsch-russischen Ensemble soll er dennoch im Januar die Lessingtage eröffnen.
Toshiki Okada bringt „Doughnuts“ nach Hamburg
Der Kino- und Theaterregisseur Kornél Mundrusczó, dessen Film „Pieces of a Woman“ bei den vergangenen Filmfestspielen von Venedig ausgezeichnet wurde, hat aufgrund von politischen Repressionen seine ungarische Heimat gegen das Berliner Exil getauscht. Seine Inszenierung des skurrilen israelischen Dramas „Krum. Ein Stück mit zwei Hochzeiten und zwei Begräbnissen“ ist seit letztem Jahr fertig gestellt. Die deutschsprachige Erstaufführung wird bis zum Oktober warten müssen.
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Ebenfalls zu den Lessingtagen wird der Japaner Toshiki Okada erwartet, der 2020 mit einer Inszenierung der Münchner Kammerspiele zum Berliner Theatertreffen eingeladen wurde und für das Thalia in der Gaußstraße nun das eigene Stück „Doughnuts“ zur Uraufführung bringt. Der Isländer Thorleifur Örn Arnasson zeigt im November „Die Wildente“ frei nach Ibsen. Johan Simons, niederländischer Theater- und Opernregisseur, der nach „Der Schimmelreiter“ und „Fountainhead“ schon zum dritten Mal am Thalia arbeitet, setzt seine Komplizenschaft mit dem Ausnahmeschauspieler Jens Harzer fort: Dostojewskijs „Der Idiot“ wird die Saison auf der Großen Bühne im September eröffnen.
Ein alter Bekannter kehrt nach Hamburg zurück
Und noch ein alter Bekannter kehrt zurück ans Alstertor. Michael Thalheimer, dessen steile Karriere hier vor mehr als 20 Jahren mit einer legendären „Liliom“-Inszenierung begann (die den ehemaligen Bürgermeister Klaus von Dohnanyi aus dem Saal trieb), wird im Oktober mit Schillers „Die Räuber“ Premiere feiern. Verblüffend ist die Personalie deshalb, weil Thalheimer zuletzt am Deutschen Schauspielhaus inszenierte – und durch die Corona-bedingten Verschiebungen auch dort in derselben Spielzeit noch eine Premiere feiern wird.
Auch Sebastian Nübling präsentiert (ungeplant) gleich zwei Hamburger Premieren: Seine Bühnenversion des Bestsellers „Herkunft“ von Saša Stanišić sollte eigentlich schon in der vergangenen Spielzeit in der Gaußstraße herauskommen, stattdessen wird sie dort vom 22. August an nachgeholt. Auf die Große Bühne kommt Nübling wenig später mit „GRM Brainfuck“, einem ensemblestarken „sogenannten Musical“ nach dem gleichnamigen düsteren Roman von Sibylle Berg. Hamburg-Premiere ist am 10. September, schon im Juli wird die Ko-Produktion mit dem Festival Theater der Welt in Düsseldorf gespielt.
Stefan Pucher führt Regie für „Eurotrash“
Eine neue, noch namenlose Arbeit ist mit dem Regisseur Christopher Rüping für April vereinbart, Christian Krachts exzentrischer Roman „Eurotrash“ kommt in der Regie von Stefan Pucher im November in die Gaußstraße, und zu den wenigen Theatermacherinnen gehören (wie stets) Jette Steckel und (wie zuletzt) Charlotte Sprenger. Steckel setzt ihre erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Schriftstellerin Nino Haratischwili fort; nach dem sensationellen Georgien-Epos „Das achte Leben (Für Brilka)“ und der beklemmenden Tschetschenien-Geschichte „Die Katze und der General“ findet am Thalia Theater im Februar die Uraufführung des nächsten, noch unveröffentlichten Haratischwili-Romans „Das mangelnde Licht“ statt.
Charlotte Sprengers erste Inszenierung auf der großen Thalia-Bühne wird im März dann die Oper „Der Sandmann“ von Anna Calvi und Robert Wilson nach E.T.A. Hoffmann sein. Sie findet im Rahmen eines ganzen „Spektakels“ statt, für die das Theater unter dem Titel „Hymnen an die Nacht“ Spielräume außerhalb des eigenen Hauses erkunden und bespielen will. Anschließendes gemeinsames Frühstück inklusive.
Balsam für die Seele im Hamburger Thalia Theater
Das Leben feiern, in all seinen Schattierungen, das ist der Anspruch und die Sehnsucht der kommenden Spielzeit. Nach all dem Häßlichen und Disruptiven des vergangenen Jahres verlangt es dabei auch das Thalia Theater nach etwas Balsam für die Seele: Noch vor den ersten eigentlichen Theaterpremieren wird der Autor Navid Kermani seine Reihe „Herzzentrum“ fortführen, auf der Außenalster und im Restaurant Bobby Reich. Thema diesmal: die „Schönheit“.