Hamburg. Er heißt jetzt NDR Vokalensemble, bestehende Arbeitsverhältnisse sind sicher, bei Neueinstellungen ist 60-Prozent-Teilzeit die Basis.

Der Ärger war groß, beide Seiten waren mächtig verstimmt. Doch nach einigen gut orchestrierten Protest-Aktionen im letzten Jahr – unter anderem mit einem Auftritt direkt vor der Elbphilharmonie – und etlichen Verhandlungsrunden haben sich der NDR und die Deutsche Orchestervereinigung (DOV) auf eine „Neuausrichtung“ des NDR-Chors geeinigt. Als Beitrag aus der Klangkörper-Abteilung des Senders, der einen 300-Millionen-Euro-Sparzwang zu bewältigen hat, wurden die strukturellen Rahmenbedingungen grundsätzlich neu gedacht.

Sichtbarste Konsequenz der Kompromisse ist die Umetikettierung zu „NDR Vokalensemble“, als Signal, dass man zukünftig auch kleinere, andere Besetzungsgrößen betonen und bieten will, und ebenso die solistischen Qualitäten der Singenden. Es gebe nun mehr solistische Aufgaben, heißt es dazu, und es soll auch mehr Spielraum bei der künstlerischen Gestaltung der Aufgaben eröffnet werden. „Wir können auch solistisch zeigen, was wir können“, fasst das Chor-Vorstandsmitglied Andreas Heinemeyer diese Absichten und Möglichkeiten zusammen.

Das Ensemble bleibt im NDR

Wichtigste Weichenstellung: Bestehende Arbeitsverhältnisse sind sicher, bei Neueinstellungen ist eine 60-Prozent-Teilzeit die Basis und Neu-Mitglieder können freischaffend tätig sein, nebenbei, zusätzlich, tunlichst im Einklang mit dem NDR-Dienstplan. Eine womöglich benachteiligende Zwei-Klassen-Gesellschaft kann Heinemeyer aber nicht ausmachen: „Das kann auch Vorteile haben. Wer sich auf eine solche Stelle bewirbt, macht das bewusst. Man erhält mehr Flexibilität.“ Vom Tisch ist die Idee, den Chor in eine GmbH zu überführen. Das sei für den DOV eine klar gezogene rote Linie gewesen, betont Heinemeyer.

„Im Rahmen der Vorgaben haben wir ein sehr gutes Ergebnis erzielt“, findet der NDR-Klangkörper-Manager Achim Dobschall, „um etwas Neues auf den Weg zu bringen, was künstlerisch sehr hochwertig sein wird.“ Heinemeyer ergänzt: „Wir haben eine Perspektive geschaffen, das Ensemble bleibt im NDR, und es gibt eine Stellenzahl, die musikalisch Sinn macht.“ Derzeit hat der Chor 27,5 Stellen, doch nicht alle sind real besetzt.

Harmonie durch Kompromiss wiederhergestellt

„Geplant ist ein Qualitätsmanagement, um die künstlerische Existenz des NDR Vokalensembles sicherzustellen und weiterzuentwickeln“, ist in der offiziellen Einigungs-Mitteilung zu lesen. Heinemeyer übersetzt das mit „einer Institutionalisierung des Austauschs zwischen künstlerischer Leitung und jedem einzelnen Ensemblemitglied“. Keine Quartals-Vorsing-Pflicht also, sondern eher ein beiderseitiges, organisiertes Wünsche-Äußern, „wie ist der Leistungsstand, wie kann man ihn verbessern?“ In freien Ensembles sei das viel eher üblich, ergänzt Dobschall, „und wir haben das auch mit Stimmcoaching-Angeboten verbunden.“

Die Harmonie scheint also durch einen Kompromiss wiederhergestellt, über den beide Seiten nicht gänzlich unzufrieden scheinen. „Gewonnen hat keiner“, kommentiert Heinemeyer die Einigung. „Es geht darum, dass wir in Hamburg ein singfähiges Ensemble haben, um Menschen fürs Singen zu begeistern. Wir erleben die größte Krise der Musik, vor allem für die Sänger, für die Chor-Landschaft. In dieser Lage ist es wahnsinnig wichtig, dass Ensembles Musik aufführen und dass wir einen Chor erhalten haben.“

War es das jetzt auch für die anderen Klangkörper mit Optimierungsüberlegungen und Sparrunden? Da ist Dobschall diplomatisch unfestgelegt. „Es macht keinen Sinn, jetzt überall den Hebel anzusetzen. Beim NDR Elbphilharmonie Orchester haben wir den Output seit der Eröffnung enorm verstärkt, da wäre es wirklich kontraproduktiv. Als Residenzorchester der Elbphilharmonie sind wir in einer internationalen Wettbewerbssituation, in der wir uns das nicht leisten sollten.“

Konzert: 20. Juni, 18/20.30 Uhr, Elbphilharmonie, Gr. Saal. NDR Chor und die Akademie für Alte Musik Berlin mit Werken von Rameau, Charpentier und Rebel. Evtl. Restkarten. www.elbphilharmonie.de