Hamburg. Fotograf Thorsten Milse zeigt in seiner Ausstellung „Survivor“ auf dem Überseeboulevard 52 Motive von Überlebenskünstlern der Natur.

Die HafenCity ist nicht unbedingt für Naturvielfalt und Artenreichtum bekannt. Sie hat aber im nördlichen Überseequartier mit dem Überseeboulevard ein kleines, wenn auch manchmal etwas zugiges Zentrum, das seit zehn Jahren immer wieder für sehenswerte Open-Art-Ausstellungen gut ist. Nun sorgt eine frische Schau in Zeiten erneut geschlossener Museen und Galerien für eine ungeahnte, auch mahnende Horizont-Erweiterung.

Hier in der Fußgängerzone lässt sich praktisch die Schönheit der Erde, indes auch die Gefahr für die Tiere auf wenigen Hundert Metern betrachten. Es springt einem etwa ein riesiges Chamäleon aus Madagaskar ins Auge, ein paar Meter weiter ist ein knallblauer Hyazinth-Ara aus Brasilien zu sehen, auf einem Bild nebeneinander ein afrikanischer Leopard und ein Spitzmaulnashorn; auf einem weiteren der Amazonasurwald, der größte Regenwald der Erde.

Thorsten Milse - einer der Tierfotografen

Die mehr als 50 gerahmten Motive stammen von Thorsten Milse, einem der international renommiertesten Tier- und Naturfotografen. Die Fotos, jeweils 1,80 x 1,20 Meter groß, sind beidseitig auf festen Fotogestellen montiert und mit präzisen Erklärungen versehen. „Survivor“ (Überlebende) hat Milse in Anlehnung an seinen kürzlich veröffentlichten Bildband die Ausstellung über bedrohte Arten genannt, entstanden in Kooperation mit dem World Wildlife Fund For Nature (WWF) und der Firma Canon.

Der Fotograf aus Bielefeld, dessen Storys in Magazinen wie „Geo“, „National Geographic“ oder „BBC Wildlife Magazine“ erschienen, ist seit fast 30 Jahren weltweit mit der Kamera unterwegs. Bei seiner Arbeit legt er nicht nur Wert auf außergewöhnliche Aufnahmen, es geht ihm um den Schutz bedrohter Tierarten.

Corona, Schweine- und Vogelgrippe: Wildtieren fehlt Lebensraum

Sieben Jahre sind vergangen, seit Milse erstmals auf dem Überseeboulevard präsent war. Damals zeigte er mit seiner Ausstellung „Dem Sturm ins Auge schauen“, wie sich Tiere an extreme Klima- und Wetterbedingungen anpassen müssen und können – jedoch auch, wie ihnen mehr und mehr Lebensraum genommen wird. Nun haben wir eine Pandemie. Eine, die mutmaßlich Ende 2019 von eingesperrten Wildtieren auf einem Markt in Wuhan (China) auf den Menschen übergesprungen ist. Die Fledermaus hatte leichtes Spiel, das Coronavirus auf Wildtiere zu übertragen. Erst diese Woche forderte die Weltgesundheitsorganisation WHO ein Verkaufsverbot für lebende Wildtiere auf Lebensmittelmärkten, denn mehr als 70 Prozent der neuen Infektionskrankheiten beim Menschen seien tierischen Ursprungs.

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Auch wenn Milse noch nicht in China war, für den umtriebigen Fotografen – er bereiste alle Kontinente inklusive der Antarktis – war die Corona-Pandemie nach Seuchen wie Schweinegrippe oder Vogelgrippe keine große Überraschung mehr. „Die große Schwierigkeit ist der den Tieren genommene Lebensraum“, lautet seine Erkenntnis. Er beklagt den Verlust der Biodiversität. Und zeigt mit seien eindrucksvollen Fotos zugleich, in welch zerbrechlichem Zustand die Erde ist. Die Zukunft vieler Tiere und Pflanzen steht auf dem Spiel. Doch ihren Fähigkeiten, sich einer veränderten Umgebung anzupassen, sind Grenzen gesetzt.

Fotos – „heiß“, „trocken“, „feucht“, „nass“ und „kalt“.

Die Fotos seiner Ausstellung in der HafenCity hat er bewusst nicht nach Kontinenten aufgeteilt, sondern in die Kategorien „heiß“, „trocken“, „feucht“, „nass“ und „kalt“. Titelmotiv der Schau und des Bildbandes sowie ein Beispiel für den Bereich „trocken“ ist das hierzulande kaum bekannte Fossa. Es gilt als das größte Raubtier auf Madagaskar, droht auf dem ostafrikanischen Inselstaat jedoch seinen Lebensraum zu verlieren, weil dort ein Großteil seines Lebensraums Wald vernichtet worden ist, ebenso wie jener der Beutetiere.

Besonders faszinierend, geradezu ästhetisch wirken Milses Fotos, wenn sich auf ihnen Tiere und Landschaften wie zu einem Gesamtkunstwerk fügen. Etwa ein afrikanischer Elefant im Okavango-Delta in Botswana, der seinen Durst stillt und Pflanzen frisst. Oder eine große Herde von Elefanten am Fuße eines anderen Fotos, die Spielzeugfiguren gleichen, weil sich im Hintergrund der Kilimandscharo erhebt, mit fast 6000 Metern das höchste Bergmassiv Afrikas. Umso dichter ist Milse mit der Kamera dran an einem Berggorilla-Weibchen mit Nachwuchs und einer Eisbären-Mutter mit gleich zwei Jungtieren.

Der Eisbär, „Symboltier des Klimawandels“

Hier ist es eine Eisbären-Familie aus dem Wapusk-Nationalpark in Kanada. Der Eisbär ist für Thorsten Milse „das Symboltier des Klimawandels“. Denn: „Der Lebensraum des Eisbären schmilzt ihm unter den Pfoten weg, und das Packeis des arktischen Winters kehrt Jahr für Jahr später zurück“, erläutert der Naturkenner. Seine Erfahrung: „Insbesondere Mütter und Jungtiere überleben die langen Hungerperioden oft nicht.“

Eisbären hat Milse übrigens besonders gern. „Mit Eisbär-Fotos könnte ich ganz Hamburg ausstatten“, sagt der Tierfotograf lachend. Im Laufe der Jahre hat er einige Tausend gemacht. Jetzt aber freut sich Thorsten Milse, dass er einen Teil seines großen (Foto-)Schatzes zeigen kann – bis Ende August in der HafenCity coronagerecht für Jung und Alt mit Abstand an der frischen Luft. Am Ende der Ausstellung will er alle 52 Fotos zugunsten des WWF versteigern. Milse geht es um die Vermittlung der „Faszination Leben“, das ist spür- und sichtbar.

„Survivor – Bedrohte Arten“ Open-Art-Ausstellung bis 31.8., derzeit täglich 5.00–21.00 (Ausgangsbeschränkung!), nördliches Überseequartier /Überseeboulevard, Eintritt frei; Bildband „Survivor – Bedrohte Arten“, Tecklenborg Verlag 287 Seiten., 42 Euro (2 Euro an den WWF)