Berlin. Sie ist Schauspielerin und Drehbuchautorin. Just zu ihrem 40. Geburtstag legt Anna Brüggemann nun ihr erstes Buch vor: „Trennungsroman“
Man kennt sie als Schauspielerin aus Filmen wie „Berlin am Meer“, „Renn, wenn du kannst“ und zahlreichen Fernsehauftritten. Anna Brüggemann schreibt aber auch Drehbücher, oft gemeinsam mit ihrem Bruder, dem Regisseur Dietrich Brüggemann, der sie dann auch mit ihr verfilmt: „Neun Szenen“ oder „3 Zimmer/Küche/Bad“. Für „Kreuzweg“ bekamen beide auf der Berlinale 2014 den Silbernen Bären für das beste Drehbuch.
Auch Judith Kerrs Roman „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ adaptierte Brüggemann für das Kino. Nun folgt ein weiteres Debüt: Anna Brüggemann hat ihren ersten Roman geschrieben. „Trennungsroman“ (Ullstein, 416 Seiten, 20 Euro) heißt er und erscheint an diesem Montag – fünf Tage nach ihrem 40. Geburtstag.
Hamburger Abendblatt: Ist das Zufall oder Absicht, dass Ihr erster Roman zu Ihrem Geburtstag erscheint? Oder wollten Sie sich selbst damit ein Geschenk machen, um in eine neue, „reifere“ Dekade zu wechseln?
Anna Brüggemann: Nein, das ist absoluter, das ist absolutester Zufall. Das Buch sollte eigentlich schon vor einem halben Jahr erscheinen. Dann wurde es verschoben. Nicht wegen mir, sondern aus irgendwelchen verlagsplanerischen Gründen. Jetzt fällt es halt zufällig in die Geburtstagswoche.
Sie haben schon viele Drehbücher geschrieben, aber dies ist Ihr erster Roman. War das ein lang gehegter Wunsch? Oder ein spontaner Entschluss im Lockdown: Wenn nichts anderes geht, schreib ich halt ein Buch?
Brüggemann: Weder noch. Schreiben war immer ein Teil von mir. Als Dietrich und ich den Silbernen Bären bekamen, war eine Literaturagentin an Dietrich dran. Der hat ihr immer gesagt: Ich hab auch eine Schwester, die schreibt. Großartig, oder? Dietrich halt. So kam das ins Rollen. Den Vertrag habe ich schon länger, aber immer kam was dazwischen, ein Drehbuch, ein Kind, ein Schauspielprojekt. Der erste Lockdown hat dann tatsächlich dazu geführt, dass ich superschnell vorankam.
Lesen Sie auch:
- Hamburger Alltagsgeschichten voller Empathie
- Ein Virus, das auch Bücher infizierte: 5 Literatur-Tipps
- Ein Hamburger Buchverlag ganz ohne Männer
Das Buch heißt „Trennungsroman“ und ist, was der Titel verspricht. Jetzt hören Sie vermutlich immer dasselbe: Gab es eine persönliche Trennung, die Sie verarbeitet haben?
Brüggemann: Auf keinen Fall, nein! Ich bin dieses Projekt angegangen, wie ich alle Projekte angehe: Ich habe Figuren entwickelt. Erst während des Schreibens fiel mir plötzlich auf: Oh, alle werden mich fragen, ob das autobiografisch ist.
Trennungsschmerz ist was, das die meisten gern verdrängen. Wieso sich mit dem Thema plagen, wenn es nicht an einem nagt?
Brüggemann: Ich fand das Thema spannend. Weil ich in meinen 20ern nie so eine feste Beziehung hatte wie alle anderen. Als ich sesshaft wurde, sind aber ganz viele dieser Beziehungen auseinandergegangen, immer nach ähnlichem Muster. Ich fand, da war etwas Allgemeingültiges, was sich zu erzählen lohnt. Das ist vielleicht prototypisch für meine Generation. Ich bin’s nicht. Meine Beziehungen und Trennungen waren immer viel chaotischer und hysterischer. Aber zwei Fragen haben mich beim Schreiben sehr interessiert: Wie geht man mit schlechtem Gewissen durchs Leben? Und wie geht man durchs Leben, wenn der Mensch, mit dem man alt werden wollte, nicht mehr will?
Wenn man ein Drehbuch schreibt, denkt man vielleicht schon an Schauspieler und ist mit Regisseuren im Kontakt. War das befreiend, mal ganz für sich selbst zu schreiben? Oder hat auch Sie diese Einsamkeit befallen, von der so viele Autoren sprechen?
Brüggemann: Ich fand es befreiend, denn alles, was ich beim Drehbuchschreiben schwierig finde, fiel hier weg: a) dass du nur 90 Minuten hast und dich beschränken musst. b) dass du alles, was du dir überlegst, in Bilder und Dialoge übersetzen musst. Und c), dass du dich mit mindestens fünf Leuten auseinandersetzen musst, die alle eine eigene Vorstellung haben. Da war plötzlich sehr viel Platz. Als würde man vom engen New York in die weite Prärie kommen. Ich habe außerdem immer ein sehr bewegtes Leben, ich habe die Kinder, muss ständig zu Dreharbeiten. Beim Schreiben war endlich mal Ruhe.
Wirklich? War da Ruhe beim Schreiben mit zwei Kindern im Haus?
Brüggemann: Ich teile mir das mit meinem Mann ziemlich gleichberechtigt. Und ich habe immer geschaut, dass ich einen Arbeitsraum habe. Wir haben einen Schreibraum in Treptow, aber das war im Lockdown doch weit weg. Also wurde ich ein Arbeitsnomade. Mal war ich in Dietrichs Wohnung, mal bei einer Freundin oder im Schneideraum meines Mannes. Das ging dann. Und ich bin extrem effektiv. Wenn ich weiß, ich bin da nur für ein paar Stunden, muss auch was passieren.
Sie schreiben seit Langem Drehbücher, erst mit Ihrem Bruder, dann auch allein. Haben Sie sich da langsam im Schreiben entwickelt, oder war das schon immer eine zweite Gabe?
Brüggemann: Es war schon immer mit mir und bei mir. Das war auch das, was ich werden wollte, lang bevor ich wusste, dass Schauspiel ein Beruf ist, den man wirklich ergreifen kann. Ich bin wahnsinnig froh, dass ich Dietrich habe, der mich immer sehr wertgeschätzt und zum Schreiben ermutigt hat. Und das immer schon von mir wusste, lange bevor ich es selber wusste.
Und haben Sie jetzt Blut geleckt? Werden Sie weiter Romane schreiben?
Brüggemann: Wenn sie mich lassen, ja. Das Schöne an der Buchwelt ist, Verlage sehen das künstlerische Schaffen eher als Entwicklung, die wollen Autoren lange begleiten.
Wird es zum „Trennungsroman“ auch bald den „Trennungsfilm“ geben?
Brüggemann: Ich denke darüber nach. Und wenn, dann würde ich auch Regie machen wollen.
Also noch mal ein ganz anderes Debüt!
Brüggemann: Ja, das würde ich nicht aus der Hand geben wollen. Aber es ist nicht ohne Grund ein Roman. Ganz wichtig dabei sind die Gedanken und Innenwelten. Das filmisch übersetzt zu bekommen, wäre sehr schwierig. Mal sehen.
Wie sind Sie sonst durch die Corona-Zeit gekommen?
Brüggemann: Glücklicherweise sind mir keine Dreharbeiten geplatzt. Deshalb war ich erst mal sehr entspannt und konnte in Ruhe schreiben. Als Familie haben wir sehr davon profitiert. Aber natürlich mache ich mir, und das immer mehr, massive Sorgen, in welcher Gesellschaft wir aufwachen werden. Denn alles, was das Leben für mich lebenswert macht, ist bedroht. Das Schlimme an der Pandemie ist: In allen Krisen bisher ist man zusammengerückt. Das ist wohl ganz gesund: Du suchst dein Rudel, wenn Gefahr ist. Aber genau das darf man jetzt nicht tun. Das hat es noch nie gegeben. Und auf Dauer macht das was mit uns.