Hamburg. Am Wochenende ist Tag des Kindertheaters. Eigentlich sollten die Hamburger Kinder- und Jugendtheater feiern. Stattdessen stecken sie fest.
Sonnabend ist Feiertag. Aber zum Feiern ist gerade niemandem zu Mute: Seit 20 Jahren findet am 20. März der Internationale Kinder- und Jugendtheatertag statt, initiiert von der Association Internationale du Théâtre de l’Enfance et la Jeunesse (ASSITEJ), der Internationalen Vereinigung des Theaters für Kinder und Jugendliche. Eigentlich sollten an diesem Tag spezielle Aktionen stattfinden, um das Kinder- und Jugendtheater bekannter zu machen, aber aktuell findet gar nichts statt. Aktuell herrscht Corona, Kulturveranstaltungen sind untersagt, ein Publikum ist nicht zugelassen, die Theater bleiben geschlossen. Ein trauriger Feiertag.
Kindertheater in Hamburg bleiben geschlossen
Auch in Hamburg können die auf Kinder- und Jugendliche spezialisierten Häuser den Tag nicht begehen – das Junge Schauspielhaus als staatliche Bühne ohnehin nicht, aber auch die privaten Theater und die freie Szene sind zur Unsichtbarkeit verdammt. „Wir hoffen alle darauf, dass die Impfungen kommen. Und darauf, dass das Wetter schöner wird“, sagt Marius Adam, Intendant am Allee Theater in Altona, Spielstätte für Hamburger Kammeroper und Theater für Kinder, das mit Stücken wie „Rumpelstilzchen – Total versponnen“ und „Der kleine Mozart“ eine feste Größe in der Hamburger Kindertheaterszene darstellt.
Bei Adam wird weiterhin geprobt, wann allerdings Publikum wieder in seinen Saal darf, kann er nicht sagen, zumal die Inzidenz in der Hansestadt gerade wieder steigt. Falls die Genehmigung kommt, kann sein Haus jedenfalls schnell wieder spielen, zumal die Hygienekonzepte vorliegen. Das, was die meisten Bühnen im Lockdown machen, um sichtbar zu bleiben, das Internet bespielen, ist für ihn keine Lösung. „Ich habe heute früh ein Foto gesehen: ein Zuschauerraum voller Kinder! Das ist Kindertheater! Und das ist das, was ich mir wünsche!“
Eine ganze Generation für das Theater verloren?
Das ist das eine. Das andere ist natürlich: Anders als Erwachsenentheater arbeiten die auf ein junges Publikum spezialisierten Bühnen mit Zuschauern, die gerade erst die Kunstform Theater kennenlernen. Aber wenn diese Zuschauer den ersten Schritt nicht gehen können, dann besteht die Gefahr, dass sie einen zweiten auch bleiben lassen. Und dann hat man schnell eine ganze Generation fürs Theater verloren. „Wir spielen für sehr kleine Kinder“, beschreibt Judith Mauch, gemeinsam mit Katrin Sagener Betreiberin der Bühne Bumm, das Problem, „und ich habe das Gefühl, dass wir auch zu den Eltern den Bezug verlieren.“ Und Sagener sekundiert: „Wenn das noch länger dauert, dann geht dieser Generation wirklich ein Zugang verloren. Diese Generation kann sich Filme angucken, aber das ist nicht das gleiche wie wenn da echte Menschen stehen.“ Sie lacht, mit Galgenhumor: „Da fliegen ja Teilchen hin und her!“
Wenn das Allee Theater der Containerfrachter unter den Hamburger Kindertheatern ist, dann ist die Bühne Bumm das kleine Ruderboot: Ohne festes Haus spielen Mauch und Sagener Stücke wie „Das kleine Ich bin Ich“ oder „Rapunzel“ für ein Publikum ab zwei Jahren an Orten wie der Allmende Wulfsdorf in Ahrensburg oder dem Hamburger Monsun Theater. Beziehungsweise: gerade eben nicht.
Theatermacher voll des Lobes für die Hamburger Kulturpolitik
Für die meist privat betriebenen Theater ist das auch ein ökonomisches Problem. Wobei alle angesprochenen Theatermacher voll des Lobes für die Hamburger Kulturpolitik sind. „Alle kleinen Theater sind auf Kante genäht“, sagt Franz Breit, Intendant des Kindertheaters Wackelzahn. „Aber ich muss auch sagen: Die Stadt Hamburg und die Kulturbehörde kümmern sich vorbildlich um uns!“ In der Behörde gibt es ein Bewusstsein für die Problematik, und die Mitarbeiter wissen, wo sie helfen können. Das Theater Wackelzahn ist zudem in einer Sondersituation: Mit Stücken wie dem englischsprachigen „The Canterville Ghost“ oder dem sozialkritischen „Ich lass mir nix gefallen“ bespielt es einerseits das eigene kleine Hoftheater Ottensen, andererseits treten sie auch an Schulen auf. Letzteres ermöglichte noch einen Spielbetrieb bis vergangenen Dezember, als die Theaterräume längst geschlossen waren.
Auch das Fundus Theater ist zumindest wirtschaftlich auf der mehr oder weniger sicheren Seite, nicht zuletzt, weil das Haus institutionell gefördert wird. Entsprechend ist die Experimentierbühne stärker im Netz aktiv als die Mitstreiter, auch wenn Programmleiterin Sibylle Peters hier kein Allheilmittel sehen möchte. „Die Pandemie reißt Brücken ein, die wir gebaut haben“, beschreibt Peters die Situation. „Leute, die schwer zusammenzubringen sind, haben wir mit szenischen Verfahren zusammengebracht. Und die haben sich alle verloren.“
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Ohnehin ist das Fundus Theater bis auf weiteres nicht in der Öffentlichkeit präsent: Das aktuelle Gebäude in Hasselbrook wird aufgegeben, im Januar eröffnet das Theater neu in Borgfelde, also ist der Pandemie-Stillstand erträglich. „Wir tun so, als ob wir im Januar in einer postpandemischen Welt ankommen“, meint Peters, „und dann würde alles toll. Und das hält uns einigermaßen bei der Stange.
Am Ende ist überall dieselbe Sehnsucht zu spüren: die Sehnsucht danach, sich endlich wieder in einem Raum versammeln zu dürfen. „Man glaubt gar nicht, wie dankbar eine Schulklasse ist, wenn sie wieder ins Theater kann, nachdem sie solch eine lange Zeit nicht durfte“, sagt Marius Adam vom Allee Theater. Erstmal bleibt: ein trauriger Feiertag.