Hamburg. Das Lichthof Theater streamt das Stück „Nerven“ von Yolanda Morales - eine Arbeit, die Lust auf mehr macht.
Gesund sieht das nicht aus. Die Haut schält sich in Fetzen vom Körper, eine lavaartige Masse hat sich in den Raum geschoben, der Boden ist bedeckt mit schwarzem Staub. Eine apokalyptische Welt haben Lea Lahr-Thiele (Kostüme) und Lea Burkhalter (Bühne) da entworfen, für Yolanda Morales’ Tanzstück „Nerven“, das am 11. Februar im Lichthof Theater Premiere feierte, angesichts der Corona-Pandemie als Stream.
Die Presse konnte sich bei der Generalprobe ein Bild des Stücks machen – und sah eine Künstlerin, die der Hamburger Tanzszene neue Impulse verschaffen könnte, mit einer ganz eigenen, so minimalistischen wie düsteren Tanzsprache.
Beunruhigende Zukunftsvision
Morales, geboren 1984 im mexikanischen Chiapas, ist Absolventin des Hamburger Studiengangs Performance Studies, ihre erste Arbeit in der Hansestadt war 2019 das Stück „2666“ auf Kampnagel. Schon damals spürte man ein Interesse der Choreografin an beunruhigenden Zukunftsvisionen, allerdings existierten in „2666“ noch Strukturen, gegen die man sich auflehnen konnte.
In „Nerven“ hingegen existiert nichts mehr. Eine Katastrophe ist über die Welt hereingebrochen, ob die wenigen Überlebenden noch Menschen sind, ist nicht klar. Eigentlich sind es Kreaturen, die durch ein verwüstetes Land irren, ohne echte Verbindung zueinander.
Das Kreatürliche ist ein Thema, das den Hamburger Tanz umtreibt
Das Kreatürliche ist ein Thema, das den Hamburger Tanz gerade umtreibt. In den Arbeiten von Ursina Tossi waren es Tiere, in die sich die Menschen zurückverwandelt haben, bei Patricia Carolin Mais „Kontrol“ blieb ein hochgestählter, kaum noch menschlicher Körper übrig, der sich verzweifelt in Bodybuilding-Posen warf. Beide Motive sind auch bei Morales erkennbar: die Tiere, die sich heulend und keckernd auf einem Erdhügel versammeln. Die Posen der Stärke, in die sich das vierköpfige Ensemble hineinzittert.
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Alicia Ocadiz, Ida Hørlyck, Emilie Lund und Joel Paulin tanzen mit künstlerischer Genauigkeit durch diese abgründige Zukunft, ein im Freie-Szene-Verhältnis großes Ensemble, was einen Hinweis darauf gibt, wie viel sich Morales schon mit ihrem zweiten Stück zutraut.
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Und auch wenn man sich manchmal ein paar Brüche gewünscht hätte, die einen Kontrast in der konsequenten Düsternis des Stücks gesetzt hätten – „Nerven“ ist eine Arbeit, die Lust auf mehr macht. Und dass das Lichthof den Abend zumindest im Netz zeigt, ist ein eindeutiger Gewinn für den Tanz.
„Nerven“ 11.–14.3., 20.15 Uhr, als Stream unter www.lichthof-theater.de