Hamburg. „Alerta//Desire//Strandplenum“ ist eine Theaterakademie-Abschlussarbeit, die sich trotz Schwächen sehen lassen kann.
„Roadtrip mit der Gang“, super Idee! Die Gang, das sind vier queere, junge Menschen aus der niedersächsischen Provinz, und der Ausflug führt ans Meer: zelten, schwimmen, kuscheln. Aber schon die Planung ist kompliziert, weil: An welches Meer soll es eigentlich gehen? Ostsee? Der Darß muss schön sein, aber will man wirklich in den Osten, angesichts der Nazis? Vielleicht besser St. Peter-Ording? Andererseits ist die Nordsee natürlich ziemlich verspießert. Außerdem muss man noch eine Demo in Uelzen mitnehmen, und das Navi hat auch seinen eigenen Willen …
Mit „Alerta//Desire//Strandplenum“ hat Nora Kühnhold ihre Abschlussarbeit an der Theaterakademie Hamburg vorgelegt, die vergangenen Sonnabend geplante Livestream-Premiere auf Kampnagel wurde wegen eines Probenunfalls auf Montagabend verlegt, Antonia Sandrock spielt an Krücken – es ist Pandemie, aber Theater ist immer noch live und unvorhersehbar!
Abschlussarbeit: Unterhaltsames Jugendtheater
Kühnhold jedenfalls hat trotz des etwas sperrigen Titels höchst unterhaltsames Jugendtheater inszeniert: im Tonfall nahe an der jugendlichen Erfahrungswelt, strukturiert von hübsch gesetzten Höhepunkten, szenisch mit multimedialen Zwischendialogen in die Gegenwart geholt. Und nicht zuletzt mit streckenweise ziemlich bösem Witz.
Was das Ergebnis zwar ziemlich rund daherkommen lässt, dem Stück aber nicht nur guttut. Die Gruppe queerer Erholungssuchender nämlich versucht konsequent, die eigenen und fremden Grenzen zu respektieren, sieht dabei allerdings an jeder Ecke neue Grenzen aufpoppen, weswegen irgendwann nur noch Grenzen da sind.
Lacher und Komödie stehen im Vordergrund
Der Erholungswert jedenfalls geht gegen null, und dass irgendwann tatsächlich gekuschelt wird, ist dann eine freudige Überraschung. Das gibt zu Recht einen Lacher, nur hat man manchmal den Eindruck, dass die Lacher für die Inszenierung wichtiger sind als der Inhalt. Was ist denn so lächerlich daran, Grenzen zu beachten? Eben.
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„Es geht nicht darum, wie wir nicht leben wollen“, heißt es an einer Stelle, „sondern darum: Wie wollen wir leben? Und was würden wir tun, wenn wir frei wären?“ Die Utopie, die „Alerta//Desire//Strandplenum“ zeichnet, ist eine Suchbewegung, und wenn das politisch motivierte Navi als Wegbeschreibung ausgibt, dass der Weg das Ziel sei, dann ist man zumindest schon auf der richtigen Suche. Ein bisschen klarer ausgespielte Sympathie für diese Suche hätte man sich von Kühnhold gewünscht, stattdessen bekommt man 90 Minuten besten Komödienstoff. Ist auch wichtig.
„Alerta//Desire//Strandplenum“abrufbar auf dem Kampnagel-YouTube-Kanal