Hamburg. Sohn des Heilumcowboy-Artspace-Gründers Jörg Heikhaus alias Alex Diamon entlastet jetzt den Vater – und hat neue Ideen für Urban Art.

Einst stand am Bäckerbreitergang 73/75 das städtische Fundbüro. Seit einem Jahrzehnt indes hat sich das Haus der Kunst geöffnet. Zumindest das Souterrain. In der Galerie Heliumcowboy Artspace öffnet jetzt für kurze Einblicke ein junger Mann im schwarzen T-Shirt mit der Aufschrift „Freak“. Hinter der FFP2-Maske steckt Melvin Heikhaus, der Sohn des über die Stadtgrenzen hinaus bekannten Jörg Heikhaus. Er hatte die Galerie 2002 an der Sternstraße eröffnet und hat sie in der Neustadt als Stätte für Urban Art etabliert.

„Die Ranch“, nennen die „Heikhäuser“ Heliumcowboy Artspace gern, Vater Jörg hat innen vor einigen Jahren einen Zaun aus Holz gezogen. Die Galerie hat kaum noch etwas von einem klassischen White-Cube-Raum, stattdessen hat sie eine Bar. Ein Drittel der Fläche gehöre Jörg, erklärt Melvin. Neben dem Tresen stehen Jazz-, Rock- und Punk-Platten und ein Vinyl-Plattenspieler. Darüber hängt ein gerahmter Holzschnitt mit Typografie – typisch für Alex Diamond.

Unter diesem Pseudonym hat sich Jörg Heikhaus einen Namen als ein führender Vertreter der urbanen Gegenwartskunst gemacht. Er weiß, wie Kreative mit ihren Arbeiten Grenzen überwinden können. Und hat nebenbei 2013 die dritte Ausgabe der Millerntor Gallery kuratiert, die weltweit erste dauerhafte Galerie in einem Fußballstadion, in diesem Fall jenem des FC St. Pauli.

Vater Jörg ist der Besitzer, Melvin der „Sheriff“

In diesen winterlichen Februar-Tagen wohnt und arbeitet Heikhaus alias Diamond wieder mal in seinem Hauptatelier in der Nähe von Kappeln an der Schlei. „Man kann ja nie genug Ateliers haben“, scherzt Melvin über Jörg Heikhaus. Er sage immer unbewusst „Jörg“ , wenn er über den Papa und Kollegen spricht. Seit November hat Sohn Melvin im Heliumcowboy Artspace als Galerie-Manager das Sagen. Vater Jörg ist weiterhin Besitzer, Melvin aber der „Sheriff“, der Herr über 150 Quadratmeter mit Terrasse im Hof. „Für mich war es in erster Linie eine Befreiung, nicht mehr als Galerist arbeiten zu müssen“, hatte Jörg Heikhaus (53) damals geäußert.

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

Bereits seit 2017 ist Melvin nach seinem Abitur als fester freier Mitarbeiter im Heliumcowboy Artspace präsent. Bei der großen Ausstellung „Cowboyland“ zum 15. Jubiläum half er dem Vater tatkräftig. „Er kann Bilder gut hängen, hat einen Blick dafür, Wände zu gestalten“, war dem (Ex-)Chef der Galerie da aufgefallen. Inzwischen ist Melvin, das frühere Mädchen für alles, nicht nur zum kreativen Galerie-Macher gereift, Heikhaus junior ist mit seinen 23 Jahren mutmaßlich Hamburgs jüngster Galerist.

Als Kind verkaufte Melvin in der Galerie Vintage-Sticker

Kein Wunder, er ist mit und im Heliumcowboy Artspace groß geworden. Als Kind begegnete Melvin hier zahlreichen Künstlern. „Ich habe mich auch schon früh für Kunst interessiert“, sagt er. Wie viele andere Jugendliche bei Vernissagen Wein- und Wassergläser eingeschenkt hat Melvin aber nicht – er verkaufte stattdessen bereits als Kind eigene Bilder: Vintage-Sticker mit „Star Wars“-Motiven als Vorlage zum Preis von 50 Cent oder einem Euro – für diejenigen, die sich die Kunst an den Wänden nicht leisten konnten oder wollten. Die Kärtchen mit einem in Rot gemalten Darth Vader holt Melvin auf Nachfrage hervor. „Er hat richtig viel verkauft damals“, erinnert sich Jörg Heikhaus am Telefon amüsiert. Heute ist sein Sohn auf andere Art geschäftstüchtig.

Melvin weiß um seine drei Arbeitsbereiche in der Galerie: erstens Künstler und Werke organisieren sowie die Bilder passend aufhängen, zweitens Kontakt zu Künstlern halten. Und drittens möchte er junge, unbekannte Künstler entdecken und engagieren. Zu namhaften wie Boris Hoppek (50) alias Forty, dem deutschen Graffiti- und originellen Puppenkünstler, hat Melvin ebenso einen Draht wie zu Jon Burgerman (42).

Der britische Künstler, sowohl im Londoner Victoria and Albert Museum als auch in New Yorker U-Bahn-Stationen präsent, zählt gleichfalls zu den Etablierten. Mit dem Mann aus Nottingham hat Melvin zur Annäherung erst mal über das englische Fußball-Nationalteam gefachsimpelt. Überhaupt ist die Geschäftssprache des Heliumcowboy Artspace Englisch. Ein Indiz für die Vernetzung und das internationale Renommee der Galerie.

„Lass mal cornern!“ – Melvin Heikhaus’ erste eigene Ausstellung

Nach Melvin Heikhaus’ Weltreise 2019 stellte sich für beide die Frage: Steigt der Sohn voll ein, oder stirbt die Galerie? Das Projekt „Lass mal cornern!“ war die erste von Melvin kuratierte Ausstellung. Jörg Heikhaus hat dafür einen Kiosk in die Galerie hineingebaut – mehr nicht. „Er stand mir mit Rat und Tat zur Seite, aber ich bin seitdem verantwortlich“, sagt Melvin. Die Schau sei vom Publikum „sehr gut angenommen“ worden, auch von neuen Besuchern, erzählt der Galerie-Manager.

Zu seinem Einstand als Chef im November hatte Melvin Heikhaus erst mal Pech: Die Ausstellung „Hurry up, please – it’s time!“ (der Titel war eine Reaktion auf die Pandemie) fiel in die Zeit des Lockdowns light: Der Hamburger Grafiker und Tattoo-Künstler Fabian Wolf durfte nicht wie geplant in der Galerie tätowieren. Fünf weitere Künstler hatten es ebenfalls nicht leicht, wie Heikhaus erläutert. „Ich hoffe, dass ich sie noch mal zeigen kann.“ Die in der Vorwoche beim Bund-Länder-Treffen neu festgelegte Sieben-Tage-Inzidenz von 35 als Richtwert für die Wiederöffnung von Museen und Galerien empfinde er als „sehr nervig“; die Bedingungen bedeuten „für uns alle viel mehr Arbeit“.

Im Lockdown entstand die Ausstellungs-Serie „Einblick“

Aber: „Not macht erfinderisch.“ Und so hat Melvin Heikhaus mitten im Lockdown die neue Ausstellungs-Serie „Einblick“ kreiert. Die eröffnet er jeden Freitag um 20.15 Uhr bei einem Zoom-Meeting mit einem neuen Künstler; deren Werke sind jeweils eine Woche lang virtuell, aber auch real im Schaufenster der Galerie zu sehen. Sechs Künstler sind bisher dabei: „Ich bin gespannt, ob das genutzt wird.“ Melvin selbst kennt Zoom längst von Vorlesungen an den Uni Hamburg – Jung-Galerist Heikhaus studiert im dritten Semester Kunstgeschichte.

„Wir wollen versuchen, die Kultur am Leben zu erhalten“, spricht Melvin Heikhaus für sich und den Vater. „Er hat eine ganze andere Flexibilität“, lobt der und sagt offen: „Ich bin froh, dass ich das nicht mehr machen muss.“

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Jörg Heikhaus lässt Melvin gewähren, mehr noch: Er vertraut ihm. „Er muss mir nichts beweisen. Ich sitze ihm nicht als Chef im Nacken“, sagt Jörg Heikhaus. So oder so: Nachdem an diesem Freitag (19.2.) in der „Einblick“-Serie der Hamburger Urban-Art-und Graffiti-Künstler mit dem Namen mittenimwald zu Gast sein wird, hat Melvin Heikhaus am 26. Februar Alex Diamond geladen. Diese virtuelle Vernissage wird Familiensache. Exponate werden sich gewiss genug finden lassen. Wie die anderen Künstler bekommt aber auch der Vater nur eine Woche Ausstellungszeit.

Galerie Heliumcowboy Artspace Bäckerbreitergang 75; Ausstellung „Einblick“ bis auf Weiteres, nächste Vernissage: mittenimwald via Zoom Fr 19.2., 20.15; www.heliumcowboy.com