Hamburg. Vor Schließung ab Montag spielen Ohnsorg und Theater im Zimmer wie geplant Neues. Staatstheater arbeiten hinter den Kulissen weiter.
Verständnis einerseits, Enttäuschung anderseits, an mancher Stelle auch eine Portion Trotz – Hamburgs Theatermacher haben die einvernehmliche Entscheidung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der Ministerpräsidenten der Länder, mit dem Herunterfahren des öffentlichen Lebens zur Eindämmung der Corona-Pandemie auch die Bühnen zu schließen, aufmerksam registriert. Die Beschränkungen sollen bekanntlich von Montag an gelten, die neue Covid-19-Eindämmungsverordnung will der Senat an diesem Freitag beschließen. Was aber manchen die Theater, bei denen Premieren unmittelbar bevorstehen?
„Da gibt es bei uns keine zwei Meinungen. Wir spielen am Sonntag“, sagt Michael Lang und verweist auf das mit dem Gesundheitsamt abgestimmte Hygienekonzept: „Da haben wir vorausschauend schon im Sommer einkalkuliert, dass die Corona-Fallzahlen wieder steigen könnten“, sagt der Intendant des Ohnsorg-Theaters, dem keinerlei Infektionen aus Theatern bekannt sind.
Auch in der Entscheidung, nur „kompakte Produktionen“ auf den Spielplan zu setzen, sieht er sich grundsätzlich bestätigt. Die neue Zwei-Personen-Komödie „Rita will dat weten“ mit Konstantin Graudus und Lara-Maria Wichels ist, wie im Ohnsorg derzeit üblich, ohne Pause nur gut 70 Minuten lang. Infektionsschutz soll auch hier an erster Stelle stehen.
Vier ausverkaufte Abende im November mit Publikumsliebling Sandra Keck müssen erst mal ausfallen
Weil die Schließung der Theater von den Behörden zunächst bis Ende November angeordnet ist, Anfang Dezember aber schon die nächste Ohnsorg-Premiere ansteht, können Graudus und Michels ihre „Rita“ vorerst nur einmal spielen. Vier ausverkaufte Abende im November mit Publikumsliebling Sandra Keck („Kecke Utsichten“) müssen ebenfalls erst mal ausfallen. Die Proben fürs Weihnachtsmärchen „Des Kaisers neue Kleider“ laufen weiter. Lang erwägt, den Plan für die zweite Spielzeit-Hälfte ab Mitte Januar umzugestalten. „Die Theater sind wehrhaft und kreativ“, sagt er. Die bisherige finanzielle Unterstützung der Kulturbehörde tat ihr Übriges.
Coronavirus: Die Interaktive Karte
Zur Not aber muss es auch ohne diese gehen. „Wir bleiben standhaft wie ein Fels in der Brandung“, sagt Martha Kunicki, die Intendantin des von ihrer Familie betriebenen Theaters im Zimmer. Das kleine weiße Haus an der Alsterchaussee will an diesem Freitag und Sonnabend die A- und B-Premiere von „Die Turing-Maschine“ zeigen, dazu wie geplant am Sonntag eine dritte Vorstellung des Dramas über das britische Computer-Genie Alan Turing.
Zahl der Sitzplätze wird reduziert
Zur Sicherheit wird die Zahl der Sitzplätze noch einmal auf 44 im 120 Besucher fassenden Saal mit moderner Lüftung reduziert. „Einen Lockdown für Theater haben wir nicht für möglich gehalten, weil Theater im Hinblick auf Corona als risikofrei gelten“, gesteht Martha Kunicki und bedauert: „Leider wurden zwei von uns gestellte Anträge für die Kultur-Neustart-Corona-Hilfe abgelehnt.“ Dennoch hofft das Theater im Zimmer im Dezember weiterspielen zu können und die im November ausgefallenen Vorstellungen dann nachzuholen.
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Als „etwas gedämpfter“ empfindet Schauspielhaus-Intendantin Karin Beier den Kampfgeist im Vergleich zum letzten kulturellen Shutdown im März: „Ich merke, dass ich in betrübtere Gesichter sehe, aber ich gebe da nicht auf. Natürlich wird es besser und wir werden auch etwas lernen aus dieser Krise.“
Probenbetrieb wird fortgesetzt
Am Schauspielhaus standen vier Premieren im November an: „Ecce Homo“ im Rangfoyer sollte schon am Mittwoch herauskommen, „Die Räuber der Herzen“ im Malersaal am kommenden Freitag. Die Regisseurin Heike M. Goetze steckt in den Endproben für die große Produktion „Geschichten aus dem Wiener Wald“, es ist ihre erste Arbeit am Schauspielhaus, und das Junge Schauspielhaus hatte das Familienstück „Pinocchio“ geplant, beides sollte am 7. November Premiere feiern. Alle Stücke werden weiterhin geprobt, bestätigt Karin Beier. Sie sollen nach der nächsten Wiedereröffnung in jedem Fall gespielt werden. Welche Auswirkungen die Zwangspause auf die weitere Saisonplanung haben wird, steht derweil noch nicht fest, für Dezember und den Jahresbeginn gibt es noch keine festen Spieltermine.
Auch an der Staatsoper (John Neumeiers „Beethoven-Projekt II“ und „Die Fledermaus“ sind für Dezember geplant) und am Thalia Theater wird der Probenbetrieb fortgesetzt. Dort war der ungarische Film- und Theaterregisseur Kornél Mundruczó erst kürzlich eingesprungen, um mit der deutschen Erstaufführung der Groteske „Krum“ die abgesagte „Pippi Langstrumpf“-Premiere zu ersetzen. Die Vorbereitungen für die Dramatisierung des großen Saša-Stanišić-Romans „Herkunft“ laufen ebenfalls weiter, die Premiere ist am 18. Dezember geplant, noch wird auf diesen Termin hin gearbeitet. Die Stimmung am Haus sei „ermüdeter, allerdings auch vorbereiteter als beim letzten Mal“, erzählt Thalia-Sprecherin Maren Dey. „Insgesamt sind wir gefasst, aber es geht schon auch an die Substanz.“
Ernst Deutsch Theater will zunächst alle Abonnenten und Kartenkäufer kontaktieren
Nachholen, und zwar möglichst schon Anfang Dezember, möchte Isabella Vértes-Schütter gleich zwei für diesen November geplante Premieren. Die Intendantin des Ernst Deutsch Theaters hatte als SPD-Abgeordnete in der Bürgerschaft noch bis zum späten Mittwochabend im Hamburger Parlament beraten: „Die Eindämmung der Pandemie und dass wir das Gesundheitssystem nicht überlasten, hat oberste Priorität. Auch wenn es keine Anzeichen dafür gibt, dass sich Menschen in Theatern angesteckt haben, werden wir vom 2. November an erst mal schließen“, sagte sie.
Das Ernst Deutsch Theater will zunächst alle Abonnenten und Kartenkäufer kontaktieren; die Proben für das Weihnachtsmärchen „Der Froschkönig“ laufen ebenso weiter wie für das neu auf den Spielplan gerückte Goethe-Lustspiel „Die Mitschuldigen“. Für das hatte Regisseur Wolf-Dietrich-Sprenger erst am Dienstag die erste Leseprobe angesetzt. Isabella Vértes-Schütter blickt nach vorn: „Wir wollen beide Stücke halten.“