Hamburg. Die länderübergreifende Entscheidung wird heute verkündet. Kultursenator Carsten Brosda (SPD) wurde von seinen Kollegen überstimmt.
Die große Begeisterung und das befreiende Gefühl, nach monatelanger Arbeit endlich eröffnen zu dürfen – das wollten sich Anja Dauschek und ihr Team nicht nehmen lassen. Auch wenn auf die Pressekonferenz im Altonaer Museum am Donnerstag schon der drohende Schatten eines erneuten Lockdowns fiel. Und sich die Direktorin sehr wohl bewusst war, dass ihr Haus in wenigen Tagen coronabedingt schließen, die Ausstellung „Glaubensfragen“ also zunächst ohne Publikum bleiben würde. Und sie somit dasselbe Schicksal teilt wie ihre Kollegin im Jenisch Haus, die im Frühjahr gerade die Kunstsammlung des Senators Jenisch fertigkuratiert hatte, als die erste Infektionswelle alles zum Stillstand brachte.
Ebenso wie Theater, Kinos und Konzerthäuser werden auch die Museen am 2. November schließen müssen. Den ganzen Donnerstag über hatten die Kultusminister der Bundesländer über eine einheitliche Lösung konferiert, denn explizit wurden die Museen nicht im Beschluss der Bundesregierung über die zu schließenden Kultureinrichtungen erwähnt.
Offizielle Entscheidung wird an diesem Freitagmittag erwartet
Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda (SPD) hatte sich bis zuletzt für offene Ausstellungshäuser eingesetzt, wurde aber von seinen Kollegen überstimmt. Aus der Kulturbehörde hieß es, dass Bayern, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Brandenburg schon am Donnerstag einer Schließung zugestimmt hätten. Die offizielle Entscheidung wird an diesem Freitagmittag erwartet; dann soll der Senat in einer Sondersitzung tagen. Fest steht schon, dass der beitrittsfreie Museumstag am Sonnabend, 31. Oktober (Reformationstag), ein Höhepunkt im herbstlichen Veranstaltungskalender, definitiv gestrichen ist. „Wir möchten die Menschen nicht übermäßig in die Museen locken“, begründet Enno Isermann, Sprecher der Kulturbehörde, diese Entscheidung.
„Die Eindämmung des Corona-Infektionsgeschehens ist natürlich oberstes Gebot“, sagt Dirk Luckow, Intendant der Deichtorhallen Hamburg. Dennoch sei für ihn der zweite Shutdown „eine Riesenenttäuschung“. Es bedeute, dass die William Kentridge-Ausstellung ausgebremst wird, der für die kommende Woche geplante Start der großen Ausstellung zu Katharina Sieverding in der Sammlung Falckenberg abgesagt werden muss und „in einen Dornröschenschlaf verfällt“ sowie die sehr gut laufenden Ausstellungen von Matt Black und Jerry Berndt mit Amerika-Bezug zum Tag der Präsidentschaftswahl geschlossen sind.
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Timing für den Lockdown für die Museen denkbar schlecht
In den vergangenen Wochen hätten sich die Besucherzahlen wieder auf Vorjahresniveau bewegt. „Es wurden Ausstellungen verschoben, viel Geld investiert. Bitter für die Kulturhäuser, existenzbedrohend für alle privat geführten Spielstätten, enttäuschend für die Menschen, die in schweren Zeiten Halt und Erbauung bei der Kultur finden wollen“, sagt Dirk Luckow.
Ähnlich wie für die Spielstätten ist das Timing für den Lockdown auch für die Museen denkbar schlecht: Der Herbst ist traditionell die klassische Zeit, um sich Ausstellungen anzusehen; alle Häuser haben kürzlich große Schauen eröffnet, etwa „Max Beckmann. weiblich-männlich“ in der Galerie der Gegenwart oder die neue Gemäldegalerie in der Kunsthalle. Die Flexibilität, wie beim ersten Mal mit künftigen Ausstellungsterminen zu jonglieren, sei aufgebraucht, sagt Direktor Alexander Klar: „Notfalls müssen geplante Projekte gestrichen werden.“
Im Bucerius Kunst Forum zeigt man sich verständnisvoll
Dass große Häuser wie Kunsthalle, Deichtorhallen oder Museum für Kunst und Gewerbe, in denen ein Ansteckungsrisiko rein räumlich äußerst gering ist, dicht machen müssen, sorgt vielerorts für Unverständnis. Alexander Klar betont, dass besonders Museumsbesucher sehr diszipliniert seien. „Sie tragen konsequent Masken und halten die Abstands- und Hygieneregeln ein.“
Im Bucerius Kunst Forum, in dem vor ein paar Wochen die große Georges Braque-Ausstellung „Tanz der Formen“ eröffnet wurde, zeigt man sich verständnisvoll: „Auch wenn es für die Ausstellung bedauerlich ist, so steht gesamtgesellschaftlich an allererster Stelle, die Infektionszahlen durch proaktives Agieren deutlich zu reduzieren. Wann immer wir hierzu einen Beitrag leisten können, sehen wir es ganz klar als unsere Verantwortung, dies zu tun“, sagt Geschäftsführer Andreas Hoffmann.
Galerien: Nur Vernissagen und Veranstaltungen sind verboten
Die Hamburger Galerien dürften laut Kulturbehörde weiterhin geöffnet bleiben, ebenso wie der Einzelhandel, zu dem sie offiziell gezählt werden. Nur Vernissagen und Veranstaltungen sind verboten. Gedämpfte Freude bei Angela Holzhauer, Sprecherin des Landesverbands Hamburger Galerien e. V.: „Der Respekt der Menschen vor dem Virus ist erneut sehr groß. Das Bedürfnis, Kunst zu kaufen, steht leider nicht an erster Stelle. Dabei kann ich nur auffordern, sich jetzt mit Kunst zu beschäftigen und in die Galerien zu gehen. So viel Zeit für intensive Beratung und Gespräche war nie.“
Die Galeristin aus Ottensen befürchtet, dass die Schließung der kulturellen Einrichtungen im umsatzstärksten Monat auch auf die Galerien abfärben wird. „Es ist Hauptsaison, und keiner kommt. Wir haben weiterhin starke Umsatzeinbußen bei laufenden Kosten in diesem verrückten Jahr.“