Hamburg. Talkrunde über Gründer, Corona, Podcasts und Projekte mit Annemarie Heyl, Ralf Dümmel und Philipp Westermeyer.
Wie kommen Start-ups durch die Corona-Pandemie? Welche Chancen bringt die Krise? Welche neue Ideen und Projekte werden in dieser Zeit geboren? Über diese und weitere Fragen sprach Berndt Röttger, stellvertretender Chefredakteur des Hamburger Abendblatts, mit Annemarie Heyl, Gründerin und Chefin des auf Saftkuren spezialisierten Hamburger Start-ups „Kale and Me“, Philipp Westermeyer, Chef und Gründer der Online Marketing Rockstars (OMR), einer Messe mit 50.000 Besuchern, sowie dem Hamburger Investoren aus der „Höhle der Löwen“ und Unternehmer Ralf Dümmel.
Über ihre Arbeit in Zeiten von Corona ...
Ralf Dümmel: Wir sind bis jetzt sehr gut durch die Krise gekommen. Das liegt sicher daran, dass wir unsere Produkte über viele Kanäle verkaufen. Als im Lockdown viele Läden geschlossen hatten, haben wir viel mehr über Teleshopping und online verkauft. Da gab es brutale Wachstumszahlen. Da liefen vor allem Garten- und Heimwerkerartikel. Wir haben schnell reagiert, aber wir hatten in unserer Branche auch die Chance dazu. Andere Branchen tun mir wirklich leid.
Annemarie Heyl: Uns geht es den Umständen entsprechend sehr gut. Wir bewegen uns genau in den Bereichen, die in den vergangenen Monaten am meisten gewachsen sind: Zum einen Onlinehandel: Wir vertreiben unsere Säfte zu 95 Prozent online. 30.000 Säfte verschicken wir im Monat an unsere Kunden nach Hause. Zum zweiten Gesundheit: Wenn die Menschen derzeit etwas beschäftigt, dann ihre Gesundheit, die Stärkung ihres eigenen Immunsystems. Wir bieten ja vor allem Säfte für Fastenkuren an. Wir bieten ein Gesundheitsprodukt an – das passt in die Zeit.
Philipp Westermeyer: Wir gehören natürlich nicht zu den Corona-Gewinnern. Wir hatten im Mai das OMR-Festival mit 50.000 Besuchern geplant, dass dann nach langer Vorplanung und erheblichen Investitionen abgesagt werden musste. Wir haben dieses Jahr Millionen verloren. Das ist bitter. Als Veranstalter waren wir da voll im Orkan. Wir haben uns stark auf unsere Medienaktivitäten, die Podcasts, Webseiten und unsere Social-Media-Kanäle konzentriert. Da erreichen wir täglich Hunderttausende Menschen.
Aber ihr müsst euch keine Sorgen machen. Wir haben eine Menge neuer Sachen gemacht: Wir haben eine neue Plattform aufgebaut, wir haben den Pitch als Betreiber des Hamburger Tele-Michels gewonnen. Ich habe meiner Mutter dabei geholfen in der Krise mit ihrem Geschenkartikel-Laden endlich online zu gehen. Das habe ich in unserem digitalen Magazin „Philipp 2“ beschrieben und einen kleinen Film darüber gemacht. Ich hätte nicht gedacht, dass das so viele Menschen interessiert.
Ralf Dümmel: Die Menschen merken, was authentisch ist. Weil es aus dem wahren Leben ist.
Über neue Projekte und Pläne ...
Philipp Westermeyer: Wenn es geht, würde ich nächstes Jahr gern wieder ein richtiges Event machen. Ich mache das OMR-Festival ja total gern. Wir beobachten, was geht. Wir bereiten das im Hintergrund vor. Wenn es die Lage zulässt sind wir bereit. Wir merken, dass die Leute ein Festival wollen – wenn es seriös machbar ist. Bis dahin bauen wir uns weiter als Marke auf und stellen uns noch breiter auf. Wir kommen jetzt im Herbst mit dem ersten OMR-Original raus: ein Dokumentarfilm in Fernsehqualität. Auch um zu zeigen: Wir sind da, wir machen geile Sachen.
Berndt Röttger: Was ist das für eine Doku?
Philipp Westermeyer: Da geht es um den früheren Bertelsmann- und Karstadt-Chef Thomas Middelhoff. Das ist ja ein spektakuläres Leben mit diesem Auf- und Abstieg. Vom Vorstandsvorsitzenden in der Concord bis zum Freigänger in der Behindertenwerkstatt in Essen. Wir hatten irgendwann einmal darüber gesprochen, wie man sein Leben verfilmen könnte. Ich habe ihm Tipps gegeben. Und er meinte: Dann mach du das doch. Das habe ich mir nicht zweimal sagen lassen.
Berndt Röttger: Das ist ja ein ganz neues Metier, in dem ihr euch da bewegt.
Philipp Westermeyer: Absolut. Aber wir sind ja eine Medienfirma – und da gehört Bewegtbild doch auch dazu. Das sind jetzt genau die Zeiten, Neues auszuprobieren. Wir haben uns überlegt: Wir müssen das nicht unbedingt monetarisieren und darauf hoffen, dass das jemand für 3 Euro kauft. Den ersten Film geben wir jetzt einfach so raus und schauen einmal wie das Echo dann ist.
Berndt Röttger: Ralf, nach dem Magazin über dich – folgt nun der Film?
Ralf Dümmel: Ne, da soll man die Kirche im Dorf lassen. Das Magazin war eine tolle Erfahrung. Das hat wahnsinnigen Spaß gemacht. Auch wenn ich zuerst gedacht habe: Wer will das eigentlich lesen? Aber irgendwann werde ich mit 80 im Schaukelstuhl sitzen und es stolz meinen Enkeln zeigen. Aber mehr ist da nicht geplant. Ich bin Unternehmer und kümmere mich um meine Firma und meine 400 Mitarbeiter.
Über Start-ups in Zeiten von Corona…
Ralf Dümmel: Für viele Start-ups ist es schon anders. Ich halte das Risiko nicht für größer. Bei der Staffel, die im Frühjahr ausgestrahlt wurde, haben die Gründer schon gelitten. Wir hatten das Geschäft ganz normal geplant und dann waren ca. 8000 Filialen geschlossen und die Ware konnte da nicht verkauft werden. Das war schwer. Jetzt aber weißt du, in welcher Zeit wir uns bewegen und dass alles unsicher ist – das kann man mit einkalkulieren. Das ist fürs Unternehmertum ein Lerneffekt. So eine Krise macht dich auch stärker als Unternehmer.
Annemarie Heyl: Das gilt sicher nicht für alle. Aber für uns galt das bestimmt. Wir haben uns in der Krise noch einmal viel stärker positioniert und ganz klar in Richtung Gesundheit ausgerichtet. Ich hatte zu Beginn des Lockdowns angefangen fern zu fasten. Am Ende haben 450 Leute mitgemacht. Uns hat die Zeit darin bestärkt, uns noch konsequenter in Richtung Gesundheit zu positionieren.
Über Leidenschaft …
Ralf Dümmel: In Gründer zu investieren ist eine Herzenssache. Da geht es nicht nur um Geld. Du musst Leidenschaft für die Produkte haben. Ich erinnere mich an eine Szene, da habe ich Holger Stanislawski in seinem Supermarkt besucht. Wir hatten gerade ein neues Produkt auf den Markt gebracht. Stani wollte in sein Büro. Aber ich sah gerade einen Kunden vor dem Produkt stehen und hab gesagt, lass mal schauen, ob der kauft oder welche Geschmacksrichtung er nimmt. Und dann hat der beides gekauft. Ich habe mich so gefreut. Und Stani meinte nur: Ralf, das waren jetzt 4 Euro. Aber darum ging es gar nicht.
Über Podcasts …
Philipp Westermeyer: Der ganze Bereich Podcast wächst bei uns enorm. Wir machen aktuell zwei Podcasts pro Woche.
Ralf Dümmel: Glaubst du, das Wachstum hängt mit Corona zusammen und damit, dass die Leute mehr zu Hause sind?
Philipp Westermeyer: Nein, ich denke der stärkste Hebel bei Corona war ein anderer. Das war der Drosten-Podcast. Der hat so viele Leute auf das Thema Podcast gebracht und Hunderttausende von neuen Podcast-Hörern geschaffen. Davon entdecken dann natürlich viele auch andere spannende Themen in der Podcast-Welt. Unter den 100 erfolgreichsten Podcasts in Deutschland sind übrigens allein acht Virologen-Podcasts.
Ralf Dümmel: Wann war ich eigentlich bei dir im Podcast Philipp?
Philipp Westermeyer: Das ist schon lang her. Da haben wir gerade angefangen.
Berndt Röttger: Ralf, du warst übrigens auch der erste Gast im Abendblatt-Podcast „Entscheider treffen Haider“.
Ralf Dümmel: Ja, man fängt immer mit den kleinen Gästen an …