Hamburg. Albert Wiederspiel hadert zum Ende des Hamburger Festivals mit den Umständen, zieht aber eine positive Bilanz.
Das 28. Filmfest Hamburg ist am vergangenen Wochenende zu Ende gegangen. Es war ziemlich anders als sonst, immerhin konnte man wieder Filme, Filmemacher und Zuschauer in den Kinos begrüßen. Es war das erste große deutsche Publikumsfestival nach dem Lockdown. Im Programm waren halb so viele Filme wie sonst – 76. Gezählt wurden 13.690 Zuschauer – ein Drittel der Menge des Vorjahres.
Einen der besten Filme aus dem Programm konnte man zum Schluss sehen. „Nomadland“ von Chloé Zhao erzählt von Fern, einer Frau um die 60, die in den USA bei Amazon arbeitet, aber bald schon ihren Job verliert. Mit ihrem Van macht sie sich auf den Weg, zieht von Ort zu Ort, nimmt Gelegenheitsjobs an und trifft Leute, die wie sie abseits der konventionellen Gesellschaft leben. Frances McDormand spielt die Hauptrolle mit sehr viel Mut zum Unkonventionellen. Die von ihr verkörperte Figur wirkt zunächst wie aussortiert. Aber dann wird deutlich, dass hier eine Frau ihrem persönlichen Traum auf der Spur ist.
Im „Streamfest“ konnten 50 Titel online abgerufen werden
Chloé Zhao taucht ihr Roadmovie immer wieder in Sonnenuntergänge und zeigt ein Amerika von unten, das nur sehr wenig Glamouröses an sich hat. Der Film gewann in diesem Jahr bereits Preise bei den Festivals in Venedig und Toronto.
Der einzige Preis des diesjährigen Filmfests, der Publikumspreis, ging an den Film „Gunda“. Der aus St. Petersburg stammende und in Berlin lebende Regisseur Victor Kossakovsky erzählt in seinem Dokumentarfilm von einem Schwein, von Hühnern und Kühen – auf eine ganz besondere Weise. Der Film hat zwar eine Tonspur, aber keinerlei Dialog. So sprechen die Bilder für sich selbst und sind zugleich ein Plädoyer für die artgerechte Haltung von Tieren in einer natürlichen Umgebung.
50 Titel aus dem Filmfest-Programm konnten im Rahmen vom „Streamfest“ auch online abgerufen werden. Rund 2500 Filmfreunde nutzten dieses Angebot. Verkauft wurden dafür Eintrittskarten, die die Kinos wegen des Mindestabstands nicht an die Kassen bringen konnten.
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Einige Filmemacher kamen gar nicht erst nach Hamburg
Das Filmfest war auch in diesem Jahr wieder ein Branchentreff. Die elf Fachveranstaltungen waren mit 800 Besuchern ebenfalls gut besucht. Die Bilanz von Filmfest-Chef Albert Wiederspiel fiel am Ende des Festivals ambivalent aus. Publikum und Gäste hätten sich gefreut, wieder im Kino zu sein, aber Säle, die nur zu einem Drittel gefüllt waren, seien ein „erbärmlicher Anblick“. Der Fassbinder-Schwerpunkt sei beim Publikum gut angekommen, auch wenn der Eröffnungsfilm „Enfant Terrible“ von Oskar Roehler das Publikum polarisiert habe. Auch beim „Filmfest ums Eck“ seien fast alle Vorstellungen nahezu ausverkauft gewesen.
Natürlich waren einige der eingeladenen Filmemacher aus Vorsichtsgründen gar nicht erst gekommen. „Die Gäste, die gekommen sind, waren begeistert und glücklich“, sagte der Festival-Chef. Zu den Höhepunkten der Veranstaltung zählte er die sehr emotionale Wiederaufführung von Faith Akins „Kurz und schmerzlos“, der beim Filmfest 1998 seine Hamburg-Premiere gefeiert hatte.
Die vorher aufgezeichneten Filmgespräche mit den Filmemachern wolle man auch in den kommenden Jahren beibehalten. Apropos: Was ist, wenn sich an der Corona-Krise bis zum September 2021 nichts Wesentliches geändert hat? Könnte man so ein hybrides Filmfest noch einmal veranstalten? Wiederspiel legt sich fest: „Wenn es sein muss – klar!“