Hamburg. Vom 24. September bis zum 3. Oktober werden 76 Produktionen aus 49 Ländern zu sehen sein – in den Festivalkinos und als Stream.

„Filme berühren“ lautet das Motto des diesjährigen Filmfestes Hamburg, das jetzt sein Programm vorgestellt hat. Das stimmt einerseits und hat andererseits einen besonderen Klang in einer Zeit, da Berührung, also körperliche Nähe, potenziell mit Gefahr verbunden ist. Passenderweise zeigt das Festivalplakat zwei Frauenhände vor einem gelben Kleidungsstück, die sich nicht berühren. Und im Filmfest-Trailer sind zwei junge Leute zu sehen, die im Kinosaal, umgeben von rot-weißem Flatterband, Abstand zueinander halten, während auf der Leinwand eine leidenschaftliche Kussszene läuft. Beide fühlen sich wohl angeregt, aber: Sie bleiben auf ihren zugewiesenen Plätzen sitzen. Corona-Realität.

Beim Filmfest ist in diesem Jahr notgedrungen vieles anders als sonst, die Pandemie erfordert Zugeständnisse, das Festival ist diesmal eine hybride Veranstaltung, denn die Kinos können nur eine reduzierte Zahl von Plätzen anbieten. Das Filmfest stockt diese Zahl bis zur vollen Saalkapazität auf, indem es für die restlichen Plätze Karten als Streaming-Links verkauft, die pro Ticket 7,50 Euro kosten. Das Geld kommt den Kinos zugute. 76 Filme aus 49 Ländern werden vom 24. September bis zum 3. Oktober gezeigt, so Filmfestleiter Albert Wiederspiel – etwa halb so viele sonst üblich. Aufgespürt hat sie Wiederspiels Team unter anderem bei den Festivals in Cannes, Venedig und Toronto.

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Das Publikum wird in diesem Jahr die einzige Jury sein

Es wird in diesem Jahr keine Feiern und fast keine Jurys geben, fast alle Preise entfallen. Die Ausnahme ist der Commerzbank Publikumspreis, der erstmals vergeben wird und mit 5000 Euro dotiert ist. Gekürt werden soll der beste Film des Festivals. Das Publikum wird damit 2020 zur einzigen Jury.

Eröffnet wird das Filmfest am Donnerstag, 24. September, mit einer „Zeremonie“ (Musik und Reden) im Cinemaxx Dammtor. Anschließend läuft Oskar Roehlers­ Film „Enfant terrible“ über den Film-Berserker Rainer Werner Fassbinder. Der feierliche Auftakt wird in sämtliche Festivalkinos übertragen, die alle anschließend je einen Fassbinder-Film zeigen: „In einem Jahr mit 13 Monden“ (Passage), „Lola“ (Studio), „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“ (Metropolis) und „Querelle“ (Abaton).

Rainer Werner Fassbinder ist ein Schwerpunkt im Programm.
Rainer Werner Fassbinder ist ein Schwerpunkt im Programm. © picture alliance / Keystone | dpa Picture-Alliance / Keystone

US-Independent-Regisseurin Kelly Reichardt steht im Zentrum

Zwei Schauspieler präsentieren beim Filmfest ihre jeweiligen Regiedebüts: Moritz Bleibtreu hat mit „Cortex“ einen Psychothriller gedreht, in dem er selbst die Hauptrolle spielt. Und auch Bjarne Mädel agiert in „Sörensen hat Angst“ sowohl vor als auch hinter der Kamera. Er spielt einen Kommissar mit einer Angststörung. Und in „Bad Boy Lemke“ sinniert ein Kino-Enfant-terrible, der Regisseur Klaus Lemke, aus Anlass seines 80. Geburtstags über nicht abgeschlossene Filmprojekte.

Viele der bewährten Filmreihen fallen in diesem Jahr aus. Was bleibt, ist der Fokus auf das Gegenwartskino. Diesmal steht die US-Independent-Regisseurin Kelly Reichardt im Zentrum. Von ihr sind „First Cow“, River Of Grass“ und „Meek’s Cutoff“ zu sehen. Ihr männlicher Gegenpart ist der Chilene Pablo Larraín, dessen Filme „Ema“, „Tony Manero“ und „No!“ gezeigt werden. Abschlussfilm ist das von der Chinesin Chloé Zhao inszenierte „Nomadland“ mit Frances McDormand, ein Roadmovie auf der Schattenseite des amerikanischen Traums.

Vielversprechend: „Das Geheimnis des Totenwaldes“ mit Matthias Brandt

Bei den angekündigten TV-Filmen klingt „Das Geheimnis des Totenwaldes“ mit Matthias Brandt als Hamburger LKA-Chef vielversprechend. Von diesem Dreiteiler darf das Filmfest allerdings nur den ersten Part zeigen. Eine echte Hamburgensie ist Oliver Schwabes Dokumentarfilm „Helga – Die zwei Gesichter der Feddersen“, für den er Karl Dall, Ole von Beust und Dieter Hallervorden vor die Kamera holte. Noch nicht ganz fertig, aber schon Gegenstand zahlreicher Gespräche ist die Doku „Im Wahn – Trump und die amerikanische Katastrophe“, in der Stephan Lamby und der ehemalige „Spiegel“-Chef Klaus Brinkbäumer den Wahlkampf des aktuellen US-Präsidenten beleuchten.

Klein, aber fein fällt das Michel Kinder- und Jugend-Filmfest aus, das in diesem Jahr volljährig wird. Da gibt es zum Beispiel zwei neue Folgen des TV-Dauerbrenners „Die Pfefferkörner“.

Die Reihe „Filmfest ums Eck“ wird fortgesetzt

Die Filmfest-Filme laufen erneut nicht nur in den Festival-Kinos: Im Rahmen der Reihe „Filmfest ums Eck“ sind auch das Koralle, Blankeneser, Alabama, Hansa, Astor, Zeise und Magazin dabei. Der Vorverkauf startet am 10. September auf filmfesthamburg.de, um Onlinebuchung wird dringend gebeten.

Das Filmfest ist aber nicht nur eine Publikumsveranstaltung, sondern auch ein Branchentreff. Zahlreiche Fachver-anstaltungen, bei denen es etwa um Dreherfahrungen während der Pandemie, Intimität vor der Kamera und die Berechenbarkeit von Erfolg geht, ergänzen das Programm. Diese Diskussionen wurden in der Vergangenheit meist in einem Zelt auf dem Allende-Platz geführt. Das gibt es in diesem Jahr nicht. Treffpunkt ist stattdessen der Außenbereich der Turmbar auf der Moorweide.

Albert Wiederspiel, der eigentlich gar nicht zu Vorhersagen neigt, hat diesmal ein untrügliches Gefühl: „Ich bin mir sicher, dass dieses Filmfest unvergesslich wird.“

Filmfestchef Albert Wiederspiel bleibt optimistisch.
Filmfestchef Albert Wiederspiel bleibt optimistisch. © Roland Magunia | Roland Magunia

Info und Karten: www.filmfesthamburg.de