Hamburg. In Alan Ayckbourns Stück „Snake In The Grass“ spielt ein wunderbares Frauentrio im English Theatre groß auf.

Die Schlange im Gras erkennt man oft erst auf den zweiten Blick. Sie ist eine Meisterin der Tarnung. Verdächtig, ja geradezu dubios wirken eigentlich alle drei Personen in Alan Ayckbourns Stück „Snake In The Grass“, das Robert Rumpf jetzt zur Saisoneröffnung im English Theatre herausgebracht hat.

Ein Hauch Normalität für das beliebte Privattheater, das wie alle übrigen auf fünf Monate Stillstand zurückblickt. Jetzt sitzen hier statt der üblichen 160 nur gut 30 Zuschauer und blicken erwartungsvoll Richtung Bühne, um einen Psychothriller von einem der erfolgreichsten britischen Dramatiker zu erleben.

Schaupielerinnen waren vor Auftritt am English Theatre in Quarantäne

Die drei Darstellerinnen haben sich zwei Wochen lang in Hamburg in Quarantäne begeben und können deshalb auf der Bühne wohltuend normal agieren. Mathias Wardeck hat als Kulisse einen leicht vernachlässigten Garten errichtet, flankiert von der Veranda eines Sommerhauses. Der Hausherr ist gestorben, die Verwandtschaft reist an.

Und bald stellt sich heraus, dass diese Familie Leichen im Keller hat. Die schmallippige Annabel Chester (Debbie Radcliffe) ließ als Kind ihre jüngere Schwester Miriam mit dem gewalttätigen Vater zurück und kehrte dem Land den Rücken. Nun ist der alte Mann gestorben.

Hysterie und Gier sind Zutaten des Dramas

Doch auf Annabel wartet eine erste Überraschung. Scheinbar wurde der Vater getötet – von Miriam. Und die zuvor gefeuerte Krankenschwester Alice Moody (Joanne Hildon) wittert das große Geld mit Hilfe einer miesen kleinen Erpressung.

Hysterie, Gier, Liebessehnsucht, Gefühlskälte und Manipulation sind die Zutaten dieses Psychodramas, das seine Kraft erst allmählich entfaltet, aber einem starken Frauentrio die Gelegenheit zu erstklassigem Spiel bietet. Die zeternde, bewusst geschmacklos gekleidete Alice (Kostüme: Patricia Royo) muss besänftigt werden, da sind sich die Schwestern einig. Doch zur äußeren Thriller-Handlung gesellt sich eine psychologische Ebene. Und da muss sich die herzkranke Annabel eigenen Ängsten, dem Scheitern ihrer Firma und ihrer von Gewalt geprägten Ehe (und allerlei seltsamen Geräuschen vom Tennisplatz) stellen.

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Ihre nervlich sichtlich angeschlagene Schwester, bei Jan Hirst großartig zwischen Verzweiflung und Kälte schwankend, hält überdies noch weitere Überraschungen aus der dunklen Kammer der Familiengeheimnisse bereit.

Ayckbourn hat mit „Snake In The Grass“ ein wunderbares weibliches Gegenstück zu dem Männerhorrordrama „Haunting Julia“ geschaffen. Pointiert setzen Debbie Radcliffe und Jan Hirst als ungleiches, durch Schuld und Hass-Liebe verbundenes Schwesternpaar die Geschichte aufs Gleis. In die Details der toxischen Beziehungen und dysfunktionalen Familie einzutauchen, verlangt in der zweiten Szene des ersten Aktes dann einiges an Geduld. Dafür geht es nach der Pause umso rasanter weiter mit einem geradezu geisterbahnartig mit Trash-Effekten aufgeladenen Finale. Seine Wirkung verfehlt es nicht.

„Snake in the Grass“ bis 31.10., The English Theatre Of Hamburg, Lerchenfeld 14, Karten T. 227 70 89; www.englishtheatre.de