Hamburg. „Freiraum“ wird im Museum für Kunst und Gewerbe eröffnet. Die Häuser öffnen sich zunehmend für andere Publikumsgruppen.

Noch ist ziemlich viel Freiraum im „Freiraum“. Einzelne Möbelmodule aus hellem Holz stehen in der einstigen Turnhalle des Museums für Kunst & Gewerbe (MKG): eine Küchenzeile mit Kaffeemaschine, große Schreibtische, ein Schrank mit allerlei Technik darin, eine mobile Bühne und ein Flipchart, auf dem mit Edding die Wörter „fröhlich“, „lebendig“ und „wandelbar“ stehen.

So soll es ab dem 5. September zugehen im „Freiraum“, wenn es nach den verantwortlichen Kuratoren Nina Lucia Groß und Tilman Walther geht. „Wir möchten, dass sich hier möglichst viele Menschen möglichst wohl fühlen“, so Walther. „Der Raum steht und fällt mit seinen Nutzern.“

Das kann eine Schulklasse sein, die sich vor einer Führung durchs Haus versammelt, das können Freunde sein, die sich zwischen den Einkäufen bei einem Kaffee unterhalten, oder Menschen, die auf der Durchreise noch eine Stunde Zeit haben, bevor ihr Zug fährt. Auch Schüler, die hier ihre Hausaufgaben machen, sind willkommen, ebenso Vereine, die ihre wöchentliche Sitzung abhalten wollen, Kollegen aus dem Haus, die schon immer mal eine kreative Idee umsetzen wollten. Die konsumfreie, kostenlose Begegnungsstätte ist ein Experiment hin zu mehr Öffnung, gefördert durch Innovationsmittel der Behörde für Kultur und Medien.

Hamburger Museen machen Angebote für die Mehrheit

Der kulturelle Shutdown währte in den Museen zum Glück nicht allzu lange. Ab dem 7. Mai durften die Ausstellungshäuser wieder für Besucher öffnen. Und doch war diese Zeit lang genug, um bei vielen Mitarbeitern einen Sinneswandel in Gang zu setzen. Einfach so weitermachen wie bisher und hoffen, dass die Touristen im Sommer es schon richten werden? Auf keinen Fall. Im Museum für Kunst und Gewerbe hat das Team um Direktorin Tulga Beyerle fleißig am „neuen Museum“ gefeilt.

„Es war der Beginn des Lockdowns, niemand war im Haus, man war voneinander isoliert. Wir haben uns entschieden, darum zu kämpfen, dass sich die Dinge weiterentwickeln. Dafür braucht es neutrale, sichere Orte wie ein Museum, an dem über Themen diskutiert und gestritten werden darf.“ Nicht als bloße Bildungs- und Vermittlungseinrichtung, sondern als Einladung an alle.

„Die Zeiten, in denen Museen für das Bildungsbürgertum reserviert waren, sind endgültig vorbei“, so die Direktorin. Es sei die gesellschaftspolitische Verantwortung einer Kulturinstitution, Angebote für die Mehrheit zu machen, schließlich würden die Hamburger Museen vom Steuerzahler finanziert.

Kuratoren als Ansprechpartner für Ideen und Anregungen

Schon ein Jahr nach ihrem Amtsantritt hatte Beyerle hehre Pläne für ihr Haus, sie wollte das nähere Umfeld miteinbeziehen, setzte etwa ein Projekt mit der benachbarten Drogenberatung Drob Inn um. Auch eine Außenfläche, auf der in den warmen Monaten Tango und Milonga getanzt werden kann, sowie ein zweiter Eingang hin zur Stadt waren im Gespräch.

Dieses Experiment soll nicht automatisch mehr Menschen in die Ausstellungen locken. Aber natürlich kann und darf die Sammlung des MKG Thema im „Freiraum“ sein, in Gesprächen zwischen Besuchern. „Es kann auch mal vorkommen, dass eine Restauratorin mit ein paar Lupen in den ,Freiraum‘ kommt und die Anwesenden einlädt, über ein Objekt zu sprechen.“ Auch „Design Talks“ bei Wein und Käse sind denkbar.

Die Kuratoren wollen als Gastgeber im Raum fungieren, als Ansprechpartner für Ideen, Anregungen, aber auch für Änderungswünsche. „Bestenfalls machen die kritischen Freunde des Museums uns auf unsere blinden Flecken aufmerksam“, so Tilman Walther. Auf die müsse man dann eingehen und reagieren. Der „Freiraum“ soll prozesshaften Charakter haben. „Wir können vom Wissen unseres Publikums nur profitieren.“

„Zwischenraum“ im MARKK

Auch im Museum für Hamburgische Geschichte, das derzeit seinen grundlegenden Umbau unter der neuen Direktorin Bettina Probst angeht, ist ein Aufenthaltsraum geplant, in dem Interessierte sich an Computerterminals mit der Sammlung beschäftigen und in einer Bibliothek lesen können, ohne gleich den Eintritt für eine Sonderausstellung bezahlen zu müssen.

Seit Alexander Klar den Eingang zur Galerie der Gegenwart wieder geöffnet hat, hat sich dort eine gemütliche Lounge etabliert. Und wer weiß, was Klar noch so alles plant? Jüngst sorgte er mit einem möglichen Erweiterungsbau für Aufsehen. Der könnte nicht nur für opulentere Sonderausstellungen, sondern auch für mehr öffentliche Aufenthaltsräume genutzt werden. Schließlich lautet das Motto der Kunsthalle „Für uns alle“ – und zwar nicht erst seit der Feier des 150-jährigen Bestehens.

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Im MARKK hat Direktorin Barbara Plankensteiner schon vor einigen Monaten einen „Zwischenraum“ eingerichtet, in dem Besucher eingeladen werden, Veränderungsprozesse des Museums am Rothenbaum mitzugestalten. Dort werden etwa neue Ausstellungsformate erprobt. Im Altonaer Museum sorgt ein „Community Curator“ dafür, dass sich das Haus hin zur Stadt und ihren Bewohnern in all ihrer Vielfalt öffnet. Wie etablierte Kultureinrichtungen mit migrantischen Akteuren zusammenwirken können, ist Hauptanliegen dieser Stelle. Es ist also ziemlich deutlich, wohin die Reise künftig geht.