Hamburg. Das Peng! Kollektiv bringt Aktivismus, Hacking und Kunst zum Sommerfestival. Fake Bundesamt und Reaktion von Kai Diekmann.

Peng! Klingt gefährlich, klingt wie ein Schuss. Klingt aber auch wie ein Luftballon, den ein Clown mit einer Stecknadel zum Platzen bringt. Peng! Killer und Clown, mit diesen beiden Charakteren hat man das Peng! Kollektiv aus Berlin schon recht gut beschrieben.

Das Peng! Kollektiv, ein mehr oder weniger anonymer Zusammenschluss aus Künstlern, Wissenschaftlern und politischen Aktivisten mit Hauptsitz Berlin, hat sich in wenigen Jahren zum wichtigsten Vertreter des Artivism (ein Kofferwort aus „Art“ und „Activism“) im deutschsprachigen Raum gemausert. 2015 rief die Gruppe brave Bürger dazu auf, sich als Fluchthelfer zu betätigen, indem sie in Italien gestrandete Geflüchtete per Privat-PKW in die Bundesrepublik bringen.

Video: Peng!

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Im Folgejahr bewarf ein als Clown verkleideter Peng!-Aktivist die AfD-Rechtsaußen-Politikerin Beatrix von Storch mit einer Torte. Auch beim Internationalen Sommerfestival auf Kampnagel waren sie schon zu Gast: 2016 zeigte die Gruppe hier „Call a Spy“, eine Aktion, bei der das Publikum angehalten war, mit echten Agenten unterschiedlicher Geheimdienste zu chatten.

Peng! gründet „Bundesamt für Krisenschutz und Wirtschaftshilfe“

Raffiniert? Schon. Politisch? Sicher. Bisschen albern? Auf jeden Fall. „Peng! ist ein explosives Gemisch aus Aktivismus, Hacking und Kunst im Kampf gegen die Barbarei unserer Zeit“, schreiben sie selbst. Pathos können sie also auch, stimmt aber irgendwie.

Als Theater gehen diese Arbeiten nur durch, wenn man einen sehr weiten Theaterbegriff anlegt, dennoch: Die meisten Peng!-Aktionen entstanden in Zusammenarbeit mit Bühnen, oft mit dem Schauspiel Dortmund, wo etwa „Deutschland sagt Sorry!“ als Projekt gegen die Hartz-IV-Sanktionen realisiert wurde.

Vorstände aus der Wirtschaft geleimt

Auch die aktuelle Arbeit „Klingelstreich beim Kapitalismus“ ist eine Theaterproduktion, und findet zur Eröffnung des diesjährigen Sommerfestivals statt: Das Peng! Kollektiv hat hierfür ein fiktives „Bundesamt für Krisenschutz und Wirtschaftshilfe“ gegründet, angeblich angegliedert an das Wirtschaftsministerium. Hoch seriös, mit Ansprechpartnern, Anschrift, eigener Website.

Dieses angebliche Bundesamt kontaktierte die Vorstände großer deutscher Unternehmen, darunter Schwergewichte wie der Energiekonzern RWE. Und diskutierte mit den (erstaunlich leicht erreichbaren) Wirtschaftslenkern Ideen, ob der Kapitalismus heutzutage überhaupt das passende System sei: Wo liegen die Grenzen des Wachstums, angesichts von Klimakrise und Überbevölkerung? Interessant: Sobald öffentliche Gelder winken, sind auch Erzkapitalisten bereit, die Systemfrage zu stellen.

Ex-"Bild"-Chef Kai Diekmann twitterte einen Verdacht

Rasch flog die Aktion auf: Kai Diekmann, der ehemalige Chefredakteur der „Bild“, machte das Fake-Bundesamt auf Twitter öffentlich, allerdings noch in der Annahme, es hier mit einem Verbrechen zu tun zu haben, an Kunst dachte da noch niemand.

Der Kunstcharakter des „Klingelstreichs beim Kapitalismus“ wird erst kommenden Mittwoch offenbar: Bei der Sommerfestival-Eröffnung will das Peng! Kollektiv eine Installation im Kampnagel-Garten zeigen, die die Aktion dokumentiert. Dass diese Dokumentation lehrreich wird, das darf man erwarten. Dass sie unterhaltsam wird, allerdings auch – bei aller inhaltlichen Raffinesse behält die Gruppe den Entertainment-Aspekt ihrer Arbeit immer im Blick. Killer und Clown, Peng!

„Klingelstreich beim Kapitalismus“
12.–30. 8., Kampnagel, Festival Avant-Garten