Hamburg. Lockerer, aber immer noch vorsichtig: Diese Veranstaltungen sind wieder erlaubt. Berlin testet derweil Desinfektion per Nebelmaschine.

Vier Zahlen bestimmen von nun an, was wo wie in der Hamburger Kulturszene passiert: 1000, 650, 200, 100. 1000 Menschen dürfen maximal ab sofort bei Freiluftveranstaltungen mit festen Sitzplätzen anwesend sein, Höchstens 650, wenn es überdacht ist (diese Zahl ist keine Willkür, sondern die Corona-Füllmenge für den Großen Saal der Elbphilharmonie, der hiesige Pandemie-Urmeter sozusagen).

Hamburg: Senat beschließt weitreichende Corona-Lockerungen

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    Bis zu 200 dürfen es bei allem ohne Sitzplatz und open air sein, 100 in dieser Kategorie in geschlossenen Räumen. Wäre dort Alkohol dabei, reduziert sich die Maximalmenge um 50 Prozent. Eigentlich ganz einfach, und entschieden lockerer als bislang, immer noch vorsichtig.

    Das Reeperbahn Festival kann stattfinden

    „Sicherlich macht es Sinn, nicht gleich mit einem Corona-Volllast-Betrieb anzufangen“, sagte Kultursenator Carsten Brosda gestern zu dieser nächsten Etappe. Bei der Verkündung der Maßnahmen wies Bürgermeister Peter Tschentscher ausdrücklich darauf hin, dass das Reeperbahn Festival stattfinden kann. Clubs und Diskotheken müssen aber unabhängig von den neuen Vorgaben weiterhin geschlossen bleiben, Reeperbahn Festival hin oder her.

    Das Timing allerdings ist, wie es ist: Pünktlich zu Beginn der Sommerpause wird nun gelockert. „Es gibt ja auch Häuser, die normalerweise durchspielen, das gilt besonders für private“, entgegnete Brosda, der morgen bei der Premiere von „Paradiso“ im Schmidts Tivoli sein wird. „Jetzt herrscht Sicherheit, wie es weitergeht. Eine Öffnung kann verantwortet werden. Die Häuser jetzt aus Prinzip geschlossen zu lassen, nur weil manche in der Sommerpause sind, hielten wir für Quatsch. Wer veranstalten will und Dinge verantwortungsvoll ausprobieren möchte, kann das auch kurzfristig tun.“

    Kultursenator Carsten Brosda  ist vorsichtig  und optimistisch  zugleich.
    Kultursenator Carsten Brosda ist vorsichtig und optimistisch zugleich. © Roland Magunia |

    Abstand und gegebenenfalls Mund-Nasen-Schutz weiterhin Pflicht

    Mehr Eigenverantwortung ist nun möglich und angezeigt „Aber es kann auch jetzt nicht jeder einfach machen, was er will.“ Abstand und gegebenenfalls Mund-Nasen-Schutz seien weiterhin Pflicht, es brauche Hygiene-Konzepte. Außerdem müssen die Kontaktdaten erhoben werden. Es sei also Sache des Veranstalters, gefahrlosen Betrieb hinzubekommen.

    Pflicht ist auch: 1,50 Meter zwischen „Infektionsgemeinschaften“. Die Platzzahlen werden nicht für jedes Haus vorgegeben, die ergäben sich aus den Hygiene-Regeln. Zu den Ankündigungen, staatliches Geld für Umbauten oder andere Corona-Anpassungsmaßnahmen zu erhalten, sagte Brosda: „Die Abstimmungen über die Richtlinien des Bundes laufen noch. Wenn die fertig sind, sehen wir, ob noch Lücken bleiben und wo wir als Stadt kurzfristig mit hineinmüssen.“ Zum Berliner Sing-Verbot in geschlossenen Räumen, das gerade in der Hauptstadt für Wutanfälle sorgt, erklärte er: „Derzeit ist das hier kein Thema.“

    Im Klassik-Bereich tut sich in Hamburg momentan nicht viel

    NDR, Symphoniker und Philharmoniker sind in der Sommerpause. Für Anfang September ist beim NDR-Orchester die gemeinsame Saison-Eröffnung der Elbphilharmonie mit HamburgMusik geplant. In der Staatsoper ruht alles, bis zur Verkündung der Alternativ-Pläne für den Herbst Anfang August.

    Das Ensemble Resonanz reagierte schnell auf die neuen Senats-Spielregeln: Ein „urban string“-Konzert am 21. August wird aus dem Resonanzraum in die Hanseatische Materialverwaltung verlegt und zum Open Air-Konzert. Es wird neben einem Auftritt beim Kampnagel-Sommerfestival auch einen Hölderlin-Abend im Thalia im August geben und ein Projekt für die Hockney-Ausstellung im Bucerius Kunst Forum. Das Ohnsorg-Theater meldet sich am 16. Juli mit der Karaoke-Komödie „Tussipark“ zurück.

    Coronavirus: So können Sie sich vor Ansteckung schützen

    • Niesen oder husten Sie am besten in ein Einwegtaschentuch, das Sie danach wegwerfen. Ist keins griffbereit, halten Sie die Armbeuge vor Mund und Nase. Danach: Hände waschen
    • Regelmäßig und gründlich die Hände mit Seife waschen
    • Das Gesicht nicht mit den Händen berühren, weil die Erreger des Coronavirus über die Schleimhäute von Mund, Nase oder Augen in den Körper eindringen und eine Infektion auslösen können
    • Ein bis zwei Meter Abstand zu Menschen halten

    Generalpause in Elbphilharmonie und Laeszhalle

    Sowohl in der Elbphilharmonie als auch in der Laeiszhalle herrscht weiter Generalpause. Generalintendant Christoph Lieben-Seutters Antwort auf die Frage, ob und ab wann was passiert: „Der Konzertbetrieb mit Publikum in Elbphilharmonie und Laeiszhalle wird am 1. September wieder aufgenommen. Alles weitere in den nächsten Tagen.“

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    Etwas konkreter orakelte sein Dienstherr: „Die Elbphilharmonie entwickelt gerade Formate, wie man zum Beispiel vor dem Haus beginnt, etwas zu machen, und wie man mit Probekonzerten testet, wie es mit den Abläufen im Haus funktioniert. Veranstaltungen auf dem Vorplatz sind, wie in den letzten Jahren auch, in der Sommerpause möglich.“ Beim Konzertveranstalter ProArte ist es noch zu früh für Ansagen von Extra-Konzerten. Man werde sich mit der Elbphilharmonie ins Benehmen setzen, um zu sehen, was ginge, so Prokurist Florian Platt. Klar sei: „Die Klassik steht in den Startlöchern.“

    Raumdesinfektion durch Aerosolvernebelung

    Vielversprechend für etliche Kultur-Adressen ist unterdessen ein Versuch, den das Berliner Ensemble gerade durchführte: Raumdesinfektion durch Aerosolvernebelung, die im Zuschauerraum, in den Foyers und auf der Bühne passiert. Ein natürlich abbaubares Mittel wird über ein Verneblungsgerät oder das vorhandene Lüftungssystem in der Luft verteilt und diese damit desinfiziert. Dabei setzt es sich gleichmäßig an allen Oberflächen ab und erreicht auch schwer zugängliche Bereiche.

    Messungen nach dem ersten Probedurchlauf an über 50 Stellen im BE ergaben, dass etwa 99 Prozent der Bakterien und Viren im Raum entfernt werden konnten. Für Bühne und Zuschauerraum wurden zunächst Verneblungsgeräte mit Hochdruck-Düsentechnik verwendet. Für den dauerhaften Einsatz während der Vorstellungen kämen geräuschlose Ultraschallgeräte zum Einsatz, die vor jeder Vorstellung zusätzlich zur manuellen Reinigung aktiv werden. Auch Eingangsbereiche sowie Toiletten ließen sich so desinfizieren. „AMO Air“ verzichte dabei auf sonst übliche Schwermetalle und sei für Allergiker ungefährlich.

    Vernebelungstechnik wurde Krankenhäuser entwickelt

    Die Technik wurde für Krankenhäuser entwickelt und sei 2017 erfolgreich auf den Virusstamm (MERS, SARS, Covid) getestet worden. In dieser Woche stehen Gespräche mit der Berliner Philharmonie an, teilte eine Sprecherin des Herstellers mit, der zahlreiche Anfragen aus der Kultur erhalte.

    Und während auf dieser Seite des Globus gewartet und gehofft wird, spielte in Wellington das New Zealand Symphony Orchestra am Freitag ein Konzert ganz wie früher. Volles Haus, volle Bühne. Freudentränen. Weit entfernt von hier und jetzt, in jeder Hinsicht.