Hamburg. Der Hamburger Schauspieler und Sprecher Jens Wawrczeck („Die drei ???“) interpretiert auf seinem Debütalbum Filmsongs völlig neu.

Es ist schon erstaunlich. was sich mit einer besonderen Stimme so alles erzeugen lässt – an Stimmungen und auf Tonträgern. „Ihre Stimmbänder sind so dehnbar, musikalisch könnten Sie auch als Countertenor durchgehen“, hat eine Logopädin vor Jahren mal zu Jens Wawrczeck gesagt. Und der Mann ist vom Fach, seine Stimme kennen Millionen, Fans aus mehreren Generationen. Ob auf Kassette, LP, CD, MP3 oder im Stream: Der Hamburger Schauspieler und Sprecher ist seit mehr als vier Jahrzehnten Teil von „Die drei ???“. Stets gibt Jens Wawrczeck den zweiten Detektiv Peter Shaw. Von der beliebten Jugendkrimi-Reihe sind seit 1979 mehr als 50 Millionen Tonträger verkauft worden.

Eigentlich hätte Wawrczeck dieser Tage mit seinen Kollegen Oliver Rohrbeck (alias Justus Jonas) und Andreas Fröhlich (Bob Andrews) zum 40. Jubiläum der Reihe noch weitere Liveshows von „Die drei ??? und der dunkle Taipan“ in der ausverkauften Barclaycard Arena spielen und sprechen sollen. Wegen der Corona-Krise ebenso verlegt wie seine mit der Dramaturgin Sonja Valentin konzipierte feine und hintergründige Lesereihe „Hitch und ich“ über die literarischen Vorbilder der Hitchcock-Filme, die Wawrczeck seit 2019 regelmäßig in den Kammerspielen hält. Jenem Theater übrigens, in dem der kleine Jens als 13-Jähriger sein Bühnendebüt feierte.

Album „war wie eine Erlösung“

Wer nun glaubt, Wawrczeck habe derzeit weder etwas zu feiern noch zu tun, sieht sich getäuscht. Wenn der umtriebige Hörspiel- und Hörbuch-Fuchs nicht gerade im angemieteten Super­hearo Audio Studio in Altona aufnimmt, erzählt er auf Nachfrage gern von seinem bisher ungewöhnlichsten Projekt: Jens Wawrczeck singt jetzt auch. Am 8. Mai erscheint sein erstes Album „Celluloid“.

„Ein Nischenprodukt“, nennt es Wawrczeck mit hanseatischem Understatement, „eigentlich gar nicht alltagstauglich.“ Von wegen. „Celluloid“ erinnert vielmehr eine Dreiviertelstunde lang an manch zu Unrecht vergessene Filme und deren Lieder.

Hat das erste Musikalbum Überwindung gekostet? „Er war wie eine Erlösung“, entgegnet Wawrczeck. Er habe „großen Respekt vor dem Material“, vor den Originalaufnahmen, sagt der Cineast. Viele Filmsongs trage er gedanklich schon lange mit sich herum – weniger indes die bekannten, die oscarprämierten. Gut 60 Lieder hatte er an seinem Schreibtisch in seiner Wohnung in Ro­therbaum in der Vorauswahl, zwölf haben es auf „Celluloid“ geschafft.

Kaftvoller Eröffnungssong

Der James-Bond-Titelsong „You Only Live Twice“ („Man lebt nur zweimal“), 1967 von Nancy Sinatra gesungen, zählt zu den populären, auch „Porque te vas“ aus Carlos Sauras Meisterwerk „Cria Cuervos“ ist wohlbekannt. Wawr­czeck befreit das Lied hier jedoch vom Disco-Sound und interpretiert es mit seiner hohen, wandelbaren Stimme wie eine Diva. Noch kraftvoller ist nur der Eröffnungssong „At The Crossroads“ aus „Dr. Dolittle“. So entsteht beim Zuhören zeitweise wirklich großes Kino.

Für die Aufnahme der Lieder aus amerikanischen, spanischen und französischen Filmen hatte Wawrczeck im Vorjahr zehn Musiker im Chez-Chérie-Studio an der Berliner Sonnenallee versammelt. „Es vermittelt den warmen satten Klang der 50er- bis 70er-Jahre“, freut sich der Neo-Gesangskünstler. „Ich stand bei den Aufnahmen mitten im Raum, die Musiker saßen drumherum.“ Wawrczeck, der im Booklet der CD die Hintergründe und Auswahl der Lieder erläutert, hatte bei der Interpretation bestimmte Filmszenen im Kopf. Leonhard Mahlich und Christopher Noodt, Letzterer in Hamburg als Begleiter der Improtheater-Gruppe Hidden Shakespeare präsent, halfen mit ihren Arrangements bei der Umsetzung inklusive Blechbläser.

Faible für die 60er-Jahre

Manche Lieder sind komisch wie „Bibbidi Bobbidi Boo“ aus „Cinderalla“, andere erzeugen Dramatik mit einem versöhnlichen Ende wie bei „Wait Until Dark“ aus dem gleichnamigen Thriller mit Audrey Hepburn. Und fast alle Titel entstammen den 60er-Jahren: „Das ist eben ein Stil, der mir sehr gut gefällt“, sagt Jens Wawrczeck, der 1963 im dänischen Nykøbing geboren wurde. Schon mit elf Jahren hatte er beim NDR-Kinderfunk angefangen. Längst indes hat er seinen eigenen Hörbuchverlag gegründet, Audoba. Dort hat er kürzlich Guy de Maupassants Schauernovelle „Der Horla“ herausgebracht. „Da hab ich mich selbst nicht erkannt“, wundert sich Jens Wawrczeck, der Stimmwandler.

„Celluloid“ ab Fr 8.5.: CD 18,99, Vinyl: 29,99; www.audoba.de ; „Hitch und ich“ geplant am 18.10., Hamburger Kammerspiele