Hamburg. Dirk Luckow hofft darauf, dass die Hamburger Ausstellungen Anfang Mai wieder öffnen können. Pläne dafür werden erarbeitet.

An diesem Donnerstag sollen in Hamburg nächste Coronalockerungen verkündet werden. Mögliche Kandidaten: die Hamburger Museen. Sie bereiten sich darauf vor, am 4. Mai wiederzueröffnen. Ein Gespräch mit Deichtorhallen-Intendant Dirk Luckow über Maßnahmen für künftige Ausstellungsbesuche und die wohltuende Wirkung von Kunst in Krisenzeiten.

Hamburger Abendblatt: Am 4. Mai sollen die Berliner Museen öffnen, Kultursenator Carsten Brosda (SPD) wünscht sich dies auch für Hamburg. Sind Sie optimistisch?

Dirk Luckow: Die Nachrichten aus Berlin und München über die Museumsöffnungen machen Hoffnung, dass es auch in Hamburg zu Lockerungen für die Museen kommen kann. Ich sehe das positiv, dass nach dem Ministerpräsidententreffen am 30. April auch für Hamburg die Weichen für eine Öffnung Anfang Mai gestellt werden können. Aber genau wissen kann man es nie.

Rechnen Sie mit vielen Besuchern, oder ist das Öffnen der ersten kulturellen Einrichtungen eher ein Signal für die Gesellschaft, nach dem Motto „Es geht wieder voran“?

Luckow: Ich glaube, dass sich das Publikum erst noch etwas an Ausstellungsbesuche herantasten wird. Jedenfalls rechne ich nicht gleich mit einem Ansturm. Die Menschen, zumal ein kunstaffines Publikum, sind eher zurückhaltend. Umso wichtiger ist, dass der Ausstellungsbetrieb mit all seinen Schutzmaßnahmen gut organisiert abläuft. Es werden vor allem Hamburger kommen, Touristen, die 30 Prozent unserer Gäste ausmachen, gibt es ja im Moment nicht. Außerdem entfallen ältere Besucher und Besucherinnen und andere Risikogruppen ebenso wie Schulklassen, individuelle Gruppen und Besucher von Veranstaltungen. Zugleich ist die Wiedereröffnung ein wichtiges Signal, die Menschen aus ihrer kulturellen Isolation wieder stückweise und in gebührendem Abstand zu befreien.

Was antworten Sie Kritikern, die sagen, Museen gehören nicht zu den systemrelevanten Orten einer Gesellschaft?

Luckow: Gerade jetzt sind Werte und deren Vermittlung gefragt. Besonders nach und in Krisen suchen Menschen nach Orientierung, die sie in der Kunst und Kultur finden. Wie kann das nicht systemrelevant sein? Die Kunst ist ja immer auch eine Antwort auf das Leben als Ganzes, verzaubert, zieht uns in ihren Bann, macht Hoffnung, leitet die Menschen zu anderen Gedankengängen, anders als sie sich etwas vorgestellt haben. Gerade jetzt in dieser schweren Zeit bietet der Besuch einer Ausstellung den Menschen eine Perspektive. Zu Hause fällt den Leuten die Decke auf den Kopf. In den Museen mit ihren Ausstellungen werden sie gut unterhalten, ohne dass wir falsche Töne in dieser für viele schweren Zeit anschlagen müssten. In unseren für Herbst geplanten Ausstellungen mit Tom Sachs, Matt Black, Jerry Berndt und Katharina Sieverding bieten wir Ausstellungen mit aktuellen politischen Inhalten und viel Biss. Das passende Programm jedenfalls für die Zeit – dann hoffentlich – nach Corona.

Die Deichtorhallen wurde von 1911 bis 1914 erreichtet. 1989 wurde hier die erste Ausstellung eröffnet.
Die Deichtorhallen wurde von 1911 bis 1914 erreichtet. 1989 wurde hier die erste Ausstellung eröffnet. © Andreas Laible

Wie ist die Situation momentan in den Deichtorhallen?

Luckow: Wir mussten zwei frisch angelaufene Ausstellungen, „Quadro“ und „Jetzt!“, aber auch die große Installationsausstellung in der Sammlung Falckenberg schließen, und wir konnten die Fotoausstellungen „gute aussichten“ und „recommended“ nicht wie geplant eröffnen. Das finden wir natürlich schlimm, andererseits ist uns die Bedeutung dieser Schließzeit bewusst. In den Ausstellungsräumen herrscht gespenstische Leere wie sonst nur an Montagen. Wir haben unsere ganze Planung zwei, drei Monate nach hinten verschoben. Die Änderungen ziehen sich bis 2022. Ein Albtraum! Alle Projekte müssen neu verhandelt, Künstlerinnen und Künstler informiert werden, Leihgeber und Sammler natürlich auch. Der Leihverkehr ist erschwert, da keine Flüge gehen, außerdem müssen Budgets und Haushaltspläne umgeschrieben werden, und das alles unter noch nicht absehbaren Vorzeichen.

Innerbetrieblich hat Corona, wie überall, auch Konsequenzen: viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, vor allem die, die eine Vorerkrankung, eine längere Anreise oder kleine Kinder haben, machen Homeoffice, der Rest arbeitet strikt getrennt in unseren Räumen. Der persönliche Kontakt fehlt uns, führt aber andererseits zur Dynamisierung der Arbeitszeiten, und wir machen das Beste über Telefonkonferenzen und Videocalls daraus. In den sozialen Netzwerken sind unsere Aktivitäten unter dem Hashtag #ClosedButOpen gut zusammengefasst. Besonders empfehlenswert sind zum Beispiel die kommenden neuen Vermittlungsangebote wie Atelierbesuche bei den Malerinnen und Malern der „Jetzt!“- und „Quadro“-Ausstellungen auf Insta­gram.

Wie man hört, arbeiten die Hamburger Museen eifrig an einem gemeinsamen Plan zur Wiedereröffnung. Welche Maßnahmen werden diskutiert?

Luckow: Alle Museen und Ausstellungshäuser ziehen bei der Frage nach der Wiedereröffnung und der nach den dringend erforderlichen Maßnahmen an einem Strang. Hans-Jörg Czech, Direktor der Historischen Museen, leitet federführend diese komplizierte Verständigung für uns Hamburger Museen in Abstimmung mit der Kulturbehörde und insbesondere mit Senator Brosda in wunderbarer Weise. Es geht z. B. darum, wie räumliche Engpässe vermieden werden können, wo Desinfektionsspender aufgestellt werden sollten, wie die Ausstattung der Kassen im Foyer und in den Shops mit Plexiglasschutz zum Infektionsschutz der Kassenkräfte erfolgt, aber auch um die Ausrüstung des Personals mit Atemschutzmasken. Wir heuern zusätzliches Reinigungspersonal an, das täglich mehrmals eine Desinfizierung von kontaktintensiven Oberflächen vornimmt.

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    Die Deichtorhallen und die Sammlung Falckenberg in Harburg bieten ja wegen ihrer Großflächigkeit gute Bedingungen, um den geforderten Abstand einzuhalten. Welche Erfahrungen haben Sie in der Hinsicht von früheren Ausstellungsprojekten, auf die Sie zurückgreifen können?

    Luckow: Wir sind froh, dass wir hier auf unsere einschlägigen Erfahrungen im Besuchermanagement und der Wegführung aus vergangenen, erfolgreichen Ausstellungen zurückgreifen können. Vor allem sind wir bei Ausstellungen mit viel Zuspruch wie bei den Frühwerken von Baselitz, Richter, Polke und Kiefer oder bei Eröffnungen im Haus der Photographie und auch in der Sammlung Falckenberg mit dem Thema der eingeschränkten Personenanzahl bestens vertraut. Die Erfahrungen mit dem Selbstscannen von Onlinetickets sowie mit dem in der Sammlung Falckenberg eingesetzten Buchungssystem, mit Tickets einen definierten Time-Slot online zu buchen, könnten sich noch auszahlen. Erst einmal aber planen wir in der Sammlung Falckenberg mit geöffneten Sonntagen.

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      Wie könnte ein künftiger Ausstellungsbesuch ganz konkret aussehen?

      Luckow: Es wird in jedem Fall eine Besucherlenkung geben; ob mit klar vorgegebenem Rundgang, müssen wir noch sehen. Es wird in beiden Hallen nur einen Eingang und einen Ausgang geben. Die Besucher werden entsprechende Markierungen am Boden für Schlangenbildung vorfinden. Die Bookshops werden erfreulicherweise geöffnet sein. Es wird auch erst einmal kein Zeitfenster für den Besuch geben. Gerne möchten wir den Besuchern die Flexibilität erhalten. Aber wir halten uns die Option nach Erprobung von Zeittickets offen. Auf Café- und Restaurantbesuch muss noch verzichtet werden. Aber unser neuer Restaurantbetreiber Torsten Gillert hat mit dem „Erdbeerfressenden Drachen“ ein tolles Lieferkonzept. Unter dem Titel „Kulinarischer Landgang“ gibt es jeden Tag leckere Gerichte der internationalen Küche. Es wird im Restaurant gekocht, muss aber vorbestellt werden und kann dann außerhalb verzehrt werden.

      Was hat die nunmehr fast dreimonatige Schließung mit den Museen, den Künstlerinnen und Künstlern gemacht?

      Luckow: Wenn es bei diesen zwei bis drei Monaten bleibt und wir bald wieder zu einer gewissen Normalität zurückfinden, sind die Auswirkungen hoffentlich überschaubar. Die wirtschaftlichen Einbußen für die Museen und Ausstellungshäuser sind aber schon jetzt massiv. Hinzu kommen die Künstler und Künstlerinnen, die von den gesamten wirtschaftlichen Folgen betroffen sind. Eine aktuelle amerikanische Studie besagt, dass 95 Prozent einen Verlust ihres Einkommens pandemiebedingt hinnehmen müssen. Langfristig wird der Kunstmarkt leiden, Preise können sinken, Messeverkäufe wegbrechen, Galerien auf Onlineplattformen angewiesen sein. Das sind dann eher düstere Aussichten.

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        Haben Sie das Gefühl, dass durch die Pandemie ein Umdenken stattfindet? Gibt es etwas Positives, das Sie daraus ziehen?

        Luckow: Ich hoffe es. Ich sehe darin eine Chance, sehr grundlegend die eigenen Verhaltensweisen zu überdenken. Dabei sind die zukünftigen Auswirkungen des Coronavirus weiterhin vollkommen unklar. Auf diese fast surreale und zugleich sehr reale Gefahr jenseits unserer alltäglichen Wahrnehmung werden wir uns weiter einzustellen haben. Im besten Fall wird das Ganze dazu beitragen, unsere Gewohnheiten umzudenken, etwas zu ändern, was sich im Umweltsinne sowieso ändern muss.

        Wie, denken Sie, werden wir uns in zehn Jahren an diese Zeit im Ausnahmezustand erinnern?

        Luckow: Das wird mindestens so in die Geschichtsbücher eingehen wie die Weltwirtschaftskrise von 1929. Man kann nur hoffen, dass nicht fatale politische Folgen daraus erwachsen.

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