Hamburg. In den Kammerspielen inszeniert Christian Nickel „Eine verhängnisvolle Affäre“ als weitgehend packende deutsche Erstaufführung.
Wie heißt es doch so schön: Gut Ding will Weile haben. Gilt im Leben ja oft auch für gute Paar-Beziehungen. Aber eine Affäre? „Zwölf Wochen, drei Monate! Es kommt mir vor wie halbes Leben“, klagt Dan. Wobei man wissen muss: Er ist Rechtsanwalt. Ein erfolgreicher – und zwar im „Big Apple“, in New York.
Immer wieder im Laufe der folgenden zwei Stunden, unterbrochen von gut 20 Minuten Pause, wird sich dieser Dan ans Publikum im Saal wenden und in einer Art Rückschau versuchen zu erklären, was ihm widerfahren ist: „Eine verhängnisvolle Affäre“.
33 Jahre nach der Kinopremiere des erfolgreichen US-amerikanischen Thrillers mit Michael Douglas und Glenn Close haben die Hamburger Kammerspiele die Story nun als deutschsprachige Erstaufführung auf die Bühne gebracht. Ein Agent des englischen Lizenzgebers war direkt an die Traditionsbühne in Rotherbaum herangetreten – die Kammerspiele griffen zu. Ein Coup, der am Sonntagabend für großen Andrang sorgte. Die Premierenbesucher feierten das vierköpfige Ensemble, Regisseur Christian Nickel und Ausstatterin Birgit Voss mit minutenlangem kräftigen Applaus.
Die Geschichte des Drehbuchautors James Dearden wird hier zwar nicht neu erzählt, jedoch anders als im Film. Den hatte 1987 der Skandalregisseur Adrian Lyne („9 ½ Wochen“, „Ein unmoralisches Angebot“) für die Leinwand inszeniert. An markanten Stationen und Etappen von „Eine verhängnisvolle Affäre“ kommt indes auch Nickel nicht vorbei.
Von Au verleiht Anwalt Dan ungeahnt komische Züge
Und so erlebt das Publikum, wie Anwalt Dan Gallagher, glücklich verheiratet und Familienvater, eines abends in einer Bar in Manhattan die Verlagslektorin Alex Forrest kennenlernt – just als seine Frau Beth mit der Tochter aufs Land gefahren ist. Sein seit Kurzem ungebundener Freund Jimmy hat ihn dorthin mitgeschleppt. „Sie war so heiß wie die Hölle“, wird Dan später Jimmy erzählen. Da ist Dan schon zweimal mit Alex im Bett gelandet – man(n) beachte jedoch das Wort „Hölle“.
Michael von Au verleiht seinem Anwalt Dan insbesondere im ersten Teil einige ungeahnt komische Züge, verstärkt durch Stephan Bensons überzeichnetes Spiel als hipper Szene-Kumpel Jimmy. Ungelenk, ungeschickt, beinahe verklemmt, so bewegt sich dieser Dan im ungewohnten Bar-Ambiente. Ihm fällt die Kinnlade runter, als er Alex das erste Mal sieht – der „Wow!“-Effekt. Alexandra Kamp nähert sich ihm als coole, vermeintlich starke Business-Amazone. Gelegenheit macht Triebe, jedoch: Prüfe, wer sich heimlich bindet.
Bettszenen hinter einem Gaze-Vorhang
Schnell baut sich Spannung auf. Es knistert. Es prickelt. Doch berührt es einen auch? In jedem Fall versteht es Theaterregisseur Nickel, der an den Kammerspielen bereits „Die Jungs im Herbst“ inszeniert hatte, in Birgit Voss’ recht minimalistischem Bühnenbild ein szenisches und emotionales Wechselspiel zu etablieren, das bis auf ein paar Längen zum Ende des ersten Teil Dramatik entwickelt. Ein Gaze-Vorhang (auch bei Anrufen von Jimmy, Ehefrau Beth und Alex sowie für die Bettszenen) bewirkt als Projektionsfläche einiges. Nickel gelingt es davor mehr und mehr, ein Psychogramm der Protagonisten zu zeichnen.
Während für Dan nach dem zweiten Date Schluss sein soll, drängt Alex auf eine Beziehung. Sie ist verliebt, sie klammert, zwingt ihn regelrecht zum Bleiben, indem sie sich die Pulsadern aufschneidet. Dan hilft ihr – noch. Ein Ehemann in Nöten. Doch Alex bestimmt die Spielregeln und entpuppt sich als das, was sich neudeutsch „Stalker“ nennt. Wiederholt ruft sie in Dans Büro an, später auch zu Hause, taucht bei der Besichtigung seiner Wohnung auf, als er diese mit Ehefrau Beth zum Verkauf anbietet. Und bei einem Treffen im Central Park behauptet Alex, sie sei schwanger.
Bei ihrem Rachefeldzug als Alex wird Kamp lauter
Michael von Au nimmt die Zuschauer in seiner Rolle gekonnt mit auf eine Gefühls-Achterbahn: erst überfordert, dann verzweifelt, schließlich gewalttätig, er spielt alles aus. Alex will alles, nicht nur Dan mit Haut und Haaren, auch ein Kind, eine Familie.
Alexandra Kamp legt die einsame Seele ihrer Figur bloß, Alex’ Widersprüche zwischen der Sehnsucht nach Nähe und Obsession, ja Narzissmus. Sie hat ja niemanden. Bei ihrem Rachefeldzug, der zunehmend Dans Familie tangiert, wird Kamp immer lauter und rabiater, übergießt sein Auto mit Säure, nachdem er mit der Familie in die Vorstadt gezogen ist, rächt sich am Kaninchen der Tochter und entführt sie zwischenzeitlich.
Der Schluss ist ganz anders als im Film
Da hat Dan seiner Beth längst alles gebeichtet: Lisa Karlström, als kleine Blonde nicht bloß optisch ein Kontrast zur einen Kopf größeren Kamp, muss als Betrogene nicht nur psychisch leiden, sondern auch physisch (nach einem Autounfall). Sie emanzipiert sich auch glaubhaft in ihrer Rolle, gibt der typischen 80er-Jahre-Figur, die für ihren Ehemann auf eine Karriere verzichtet hat, so noch etwas mehr Gewicht.
Und das Ende dieses Psychothrillers ist in den Kammerspielen so, wie es Drehbuchautor Dearden ursprünglich für den Film geschrieben hatte - ein Happy End sieht anders aus. Weil es einem Testpublikum damals nicht gefiel, drehten die Produzenten 1987 kurzerhand einen anderen Schluss. Oft aber geht es auf der Bühne psychologisch feiner zu.
„Eine verhängnisvolle Affäre“ wieder Do 30.1., 20.00, bis 7.3., Kammerspiele (U Hallerstraße), Hartungstr. 9–11, Karten zu 10,- (erm.) bis 43,-; T. 413 34 40; www.hamburger-kammerspiele.de