Hamburg. Der libanesische Choreograf Rabih Mroué spricht über Tanz, die Lage in Beirut und die Hoffnung, die hoffentlich nicht stirbt.

Rabih Mroué ist documenta-Künstler, Theatermacher und Choreograf. Mit doppelbödigen Lecture-Performances wurde er international bekannt, ab dem 14. November gastiert er mit einem zweiteiligen Tanzabend auf Kampnagel. Doch den in Berlin lebenden gebürtigen Libanesen beschäftigt derzeit auch noch etwas anderes: die Proteste in seiner Heimat.

Sie haben sich häufig mit dem Konflikt in Syrien beschäftigt. Ist der Arabische Frühling nun als Winter in Beirut angekommen?

Rabih Mroué So etwas gab es noch nie in der Geschichte. Alle Klassen und Religionen kämpfen vereint gegen eine Regierung, die die Menschen- und Bürgerrechte beschneidet. Es ist eine Revolution, und wir wissen nicht, wie es enden wird, weil die, die an der Macht sind, früher Warlords waren. Sie werden ihre Positionen nicht einfach aufgeben. Vor drei Wochen hatte niemand mehr Hoffnung im Libanon. Jetzt gibt es sie und ich hoffe, sie stirbt nicht.

Viele Künstler beteiligen sich daran, was halten Sie davon?

Ich glaube, die Kunst sollte jetzt zuhören, was geschieht. Ich war erst vor wenigen Tagen in Beirut und möchte als Bürger teilnehmen, nicht als Künstler. In dieser Zeit muss die Kunst bescheiden sein und die Leute unterstützen. Ich glaube nicht an Kunst als eine aktivistische Form.

Sie sind aber mit ausgesprochen politischen Produktionen bekannt geworden. Nun erarbeiten Sie bereits die dritte Produktion mit dem Dance On Ensemble um den ehemaligen Cunningham-Tänzer Ty Boomershine. Was interessiert Sie eigentlich am Tanz?

Das Ensemble hat mich gefragt, und ich fand es interessant, mit 40plus-Tänzern zu arbeiten. Ein interessantes Alter. Eine Übergangsphase, in der wir die Jugend verlassen und in das alternde Leben eintreten. Es ist auch eine herausfordernde Phase, zumal bei Tänzern, deren Körper ihr wichtigstes Instrument ist. Das Alter ist bei uns aber nicht das Thema.

In „You should have seen me dancing Waltz“ sind die Tänzerinnen und Tänzer mit den Krisen und der Gewalt in der täglichen Berichterstattung konfrontiert.

Tanz ist ein abstraktes Medium. Wir lesen bei den Proben Tageszeitungen und improvisieren im Moment noch, aber nicht um diese zu illustrieren. Es ist nicht so, dass die News dem Tanz folgen oder der Tanz den News.

Der Titel der zweiten Arbeit, „Elephant“, erinnert an den Titel des Films von Gus Van Sant, in dem es um einen Amoklauf an einer Highschool ging.

Die Choreografie ist eine Referenz an Alan Clarke, der 1989 einen Kurzfilm drehte, der ebenfalls „Elephant“ hieß und Schützen mit der Kamera verfolgt, die scheinbar wahllos auf Zivilisten schießen. Ich habe in meiner Arbeit vielfach Fotos getöteter Menschen aus den Medien etwa aus dem Syrienkrieg gezeigt. Damit verweise ich darauf, dass die Toten uns niemals verlassen werden, solange wir ihnen keine Gerechtigkeit verschaffen. Die Schatten verfolgen uns. asti

„Elephant“ & „You should have seen me dancing Waltz“ 14. bis 16.11., jew. 20.00, Kampnagel, Jarrestr. 20-24, Karten: 27 09 49 49