Hamburg. Pascal Kerouche ist seit vielen Jahren mit Rapper Gzuz und Co. befreundet, an ihrem Erfolg hat er maßgeblichen Anteil.
Pascal Kerouche sitzt an seinem Schreibtisch mit Blick auf die Rote Flora. An der Wand Auszeichnungen, die er für seine Arbeiten für die extrem erfolgreichen Rapper der 187 Strassenbande erhalten hat, ein paar gerahmte Bilder stehen auf dem Boden. „Die wollte ich immer mal aufhängen“, sagt er und zieht eines davon aus dem Stapel. Das Büro: Altbau statt Loft. Ein Doppelschreibtisch, Zweiersofa, zwei einfache Bürostühle. Kein Schnickschnack, auch keine minimalistische Moderne. Von hier aus beeinflusst der Fotograf und Videoregisseur die musikalischen Vorlieben und das Kaufverhalten deutscher Jugendlicher. Dabei agiert er längst global.
Die entscheidende Begegnung für seinen späteren Erfolg hat Kerouche bereits 2009, als er, gerade von einem mehrjährigen USA-Aufenthalt zurückgekehrt, in der Schanze dem 187-Mitglied Gzuz über den Weg läuft. Einige der inzwischen auf YouTube millionenfach geklickten Videos der Gruppe kennt der heute Mittdreißiger da bereits. Gzuz und ihn verbindet die Liebe zu deutschem Gangsta-Rap, der in Form und Stil dem US-Rap näher ist als etwa dem Hip-Hop von Bands wie Fettes Brot und Fanta 4.
Zu den geplanten Fotoaufnahmen kommt es zunächst zwar nicht, da Gzuz eine mehrjährige Haftstrafe antreten muss. Der Kontakt wird nach dessen Entlassung jedoch schnell wieder hergestellt. Längst hatte die 187 Strassenbande sich über Kerouche informiert, kennt seine in den USA entstandenen Arbeiten für Snoop Dogg, Lil’ Kim, Kanye West und andere Rap-Superstars.
Fotoaufnahmen und Videodrehs
Pascal Kerouche wird für Fotoaufnahmen und Videodrehs engagiert, begleitet die Gruppe auf Tour, fährt gar mit den Mitgliedern in den Urlaub. Die Vorwürfe der Frauenfeindlichkeit und Gewaltverherrlichung, mit denen sich die Strassenbande aufgrund ihrer Texte seit Jahren konfrontiert sieht, spielen für sein Verhältnis zur Crew keine Rolle, sagt Kerouche. Er kenne auch die private Seite der 187er, in den Medien komme manches falsch rüber. Explizit äußern wolle er sich zu diesem Thema nicht, stattdessen erklärt er: „Ich stehe immer zu Gzuz und den anderen, egal was ist. Das ist wie bei einer Familie.“
Der Aufstieg der Strassenbande zur bestimmenden Rap-Crew Mitte der 2010er-Jahre wird von ihm nicht nur dokumentiert, sondern visuell geradezu inszeniert. Was 187 und ihn eint: Sie sind authentisch – ein Kernaspekt der Hip-Hop-Kultur. Auch die Sehnsucht nach Loyalität – ein weiterer Eckpfeiler des Hip-Hop-Wertesystems – spielt für beide eine große Rolle.
Natürlich ist die mittlerweile erfolgreichste Jugendkultur weltweit auch für große Konzerne interessant, die hier enorme Absatzmärkte sehen. „Viele bekannte Marken setzen mittlerweile auch in Deutschland auf Musiker, so wie es in den USA seit Jahrzehnten üblich ist“, berichtet Kerouche. Im vergangenen Jahr habe er für Puma mit dem Rapper Bausa zusammengearbeitet, außerdem für Jägermeister mit Snoop Dogg, für Nike mit der 187 Strassenbande und RAF Camora. Auch Red Bull war schon unter seinen Auftraggebern.
In erster Linie geht es um Geschichten
Das verbindende Glied zwischen der jeweiligen Marketingabteilung und den Künstlern ist Pascal Kerouche. Weil er nicht nur die Sprache der Werbeträger, sondern auch die des Managements und der anvisierten Zielgruppe spricht. Dabei fotografiert er weder nur für Werbekampagnen, noch hat er ausschließlich Rapper oder Sportler wie Usain Bolt und Neymar vor seiner Linse. Wie jeder Fotograf und Filmemacher erzählt Kerouche in erster Linie Geschichten. Das einfache Leben fasziniert ihn ebenso wie das der Superstars.
„Auf den Philippinen habe ich Menschen fotografiert, die auf riesigen Müllkippen leben. Ich möchte auch diese Seite des Lebens zeigen. Mein Sohn war damals fünf und begleitete mich. Diese Eindrücke haben ihn noch wochenlang beschäftigt.“ Den Kontakt zu Menschen, die er dort fotografiert hat, hält Kerouche bis heute, das ist ihm wichtig.
Mittlerweile hat er einen Teil seiner Arbeiten nicht nur in zwei Fotobüchern veröffentlicht, sondern auch in Galerien und auf Festivals in Berlin, Kassel und Köln, in Äthiopien und Polen gezeigt. In Hamburg ist die Affenfaust Galerie an der Paul-Roosen-Straße zu seiner künstlerischen Heimat geworden. „Bei der letzten Ausstellung dort habe ich auch viele Bilder an Kunstsammler verkauft. Manche erzählten mir, dass sie gerade ihre erste Fotografie überhaupt gekauft hätten.“
Einen Karriereplan hat Kerouche bis heute nicht. Initialzündungen für Projekte überlässt er oft dem Zufall, der Erfolg ist das Ergebnis harter Arbeit. „Mein bislang größtes Projekt habe ich vor Kurzem in Philadelphia mit dem Rapper Meek Millabgedreht. Am Set waren unter anderem Wheelie-Bike-Fahrer, die auch im Videoclip vorkommen. In den Staaten gibt es eine richtige Szene, über die ich gerne mal eine Doku drehen würde“, verrät er. An Projektideen für die Zukunft mangelt es ihm jedenfalls nicht.