Rada Biller: Die Wahlhamburgerin hat den Roman ihres Lebens geschrieben

Hamburg. Gut, dass Rada Biller zwei "Profis" in der Familie hat. Denn ohne den Zuspruch ihrer Kinder, der Autoren Elena Lappin und Maxim Biller, wäre es kaum zum späten literarischen Debüt der Mutter gekommen. "Sie sagten zu mir: Du kannst schreiben, du bist Schriftstellerin", erzählt Rada Biller. Maxim stellte den Kontakt zum Berlin Verlag her, Rada schickte 50 Seiten ihrer Prosaskizzen ans Lektorat und bekam schon bald die Nachricht: "Das liest sich sehr gut, ich kann Ihnen einen Vertrag anbieten."

So hat Rada Biller, die seit 1970 in Hamburg lebt, mit 73 Jahren ein Buch veröffentlicht, in dem zurückgeschaut wird, das aber zugleich in ihre Zukunft als Autorin weist. "Melonenschale" ist ein Text, der zwischen erzählter Erinnerung und literarischer Verarbeitung changiert. Die Ambivalenz wird in Genrezuordnung und Untertitel deutlich: es ist ein "autobiografischer Roman", in dem es um "Lebensgeschichten der Lea T." geht.

1930 wurde Rada in Baku am Kaspischen Meer geboren. Obwohl Vater und Mutter Akademiker waren, lebte die kleine jüdisch-armenische Familie in ärmlichen Verhältnissen nahe dem Erdöl-Werk, in dem die Eltern arbeiteten - friedlich Seite an Seite mit Menschen einfacher Herkunft und verschiedener Religionen. Eine Erfahrung, die Rada Biller prägte und bei den vielen Ortswechseln ihres Lebens hilfreich werden sollte.

Flucht vor stalinistischen Säuberungen und deutschen Truppen, die Suche nach Arbeit, das Studium, die Ehe und schließlich der Prager Frühling sorgten dafür, dass Rada und ihre Familie nirgendwo lange sesshaft sein konnten. Weitere Stationen waren eine Trabantenstadt von Moskau, das bashkirische Sterlitamak bei Ufa, Stalingrad, Moskau und Prag, das sie zwei Jahre nach dem sowjetischen Einmarsch verließen. Damals gingen die Billers nach Hamburg, wo Rada und ihr Mann im Grindelviertel leben.

Obwohl "Melonenschale" eine kaum vorstellbar entbehrungsreiche Zeit beschreibt, hat es die positive Ausstrahlung eines weltoffenen Menschen, der sich bisweilen darüber wundert, dass alles gut gegangen ist. ",Mit Mama kann ich überall überleben', hat Maxim einmal zu mir gesagt", erzählt Rada Biller. "Die Schwierigkeiten waren für mich oft ein Spiel, bei dem ich viel lernen konnte. Ich kann überall leben, mich überall anpassen."

Doch selten wird so gut sichtbar, wie sich Biografie und Literatur durchdringen. Denn das eigene Leben wird hier zum formalen Gerüst, um zum Schreiben zu finden. In ihre Biografie eingeflochten hat Rada Biller kurze Erzählungen, die sie Caprichos nennt. Dieses Buch wurde von den Kindern angestoßen, doch den Drang zum Schreiben hatte sie schon lange: "Ich habe in Prag kleine Szenen aufgeschrieben", sagt Rada. Beobachtungen, die über den Anlass hinaus bedeutsam erschienen und deshalb die Mitteilung wert sind. So erfasst sie beispielsweise im heimlichen Kinderblick auf ein karges, unaufgeräumtes Zimmer das ganze Lebensunglück einer Nachbarin.

Hamburg, wo sie sich fest verwurzelt fühlt, kommt kaum vor in ihrem Buch. "Es ist noch nicht so weit, es fehlen noch die richtigen Impressionen." Nun, Rada Biller hat ja gerade erst angefangen. Fürs Nächste arbeitet sie an einem Roman.

Rada Biller: "Melonenschale", Berlin Verlag, 373 Seiten, 22 Euro.