Hamburg. Das Hamburger Label Skip Records feiert 20. Geburtstag. Gast des Jubiläumskonzerts ist auch das Tingvall Trio.

Es ist ein trüber Vormittag irgendwann im Winter 2005, als es bei Skip Records in Eimsbüttel klingelt. In der Tür steht ein Nachbar: Pianist Martin Tingvall, der gekommen ist, um eine Demo-CD vorbeizubringen. Einen Termin hat er nicht, aber einen Traum: Das Plattenlabel von Sabine Bachmann und Bernd Skibbe soll das Debütalbum seines Trios herausbringen. Ein Jahr später steht „Skagerrak“ tatsächlich in den Regalen – Auftakt zu einer Erfolgsgeschichte, die bis heute fortgeschrieben wird.

In diesen Tagen feiert Skip Records mit einem Jubiläumskonzert in der Laeiszhalle 20. Geburtstag , und in ihrem bis zur Decke mit Platten und CDs gefüllten Wohnzimmer erinnern sich Bachmann und Skibbe an die Anfangstage. Mutig war es schon, sich Ende der 90er-Jahre in die Selbstständigkeit zu wagen; immerhin hatten beide feste Jobs beim Branchenriesen Warner Music. Doch der Wunsch, die eigene Lieblingsmusik herauszubringen, ohne permanent auf kurzfristige Renditen zu schauen, ließ sie nicht los. „Die ersten drei Jahre liefen super“, sagt Sabine Bachmann, „aber dann wurde es eisig, eine Achterbahnfahrt.“

Der Markt für physische Tonträger schmolz, auch wegen illegaler Downloads. Selbst große Firmen gerieten ins Trudeln. Das Skip-Duo hatte Geld zurückgelegt, ein Existenzkampf war der Label-Betrieb dennoch. „Immer wieder haben wir uns gefragt, ob wir in der nächsten Woche finanziell noch zurechtkommen“, erzählt Bernd Skibbe. Vorbei die Zeiten, in denen Vertriebspartner feste CD-Kontingente abnahmen und das Geld pünktlich auf dem Firmenkonto war. Immer mehr musste in Vorleistung getreten werden, pro Album kam leicht ein fünfstelliger Betrag zusammen. Da sei Durchhaltevermögen gefragt gewesen, unbeirrtes klares Kurshalten. Und das zahle sich nach überwundener Krise bis heute aus.

Große Firmen versuchten, Tingvall abzuwerben

Tatsächlich hat Skip Records inzwischen etwa 150 Titel herausgebracht, von denen 90 Prozent auch noch erhältlich sind. Darunter „kolossal erfolgreiche“ Alben von Posaunist Albert Mangelsdorff oder Schlagzeuger Wolfgang Haffner, dessen CD „Music“ im Jahr 2000 die erste Skip-Veröffentlichung war. Von der südafrikanischen Sängerin Simphiwe Dana bis zum ungarischen Saxofonisten Tony Lakatos reicht das Programm, doch Label-Primus ist und bleibt Martin Tingvall.

Acht der zehn bestverkauften Skip-Alben gehen – solo oder mit dem Trio – auf sein Konto, mehr als 10.000 -mal hat sich jedes Album verkauft, „Vägen“ (2011) sogar mehr als 25.000-mal, die aktuelle CD „The Rocket“ schaffte es im Juli auf Platz eins der deutschen Jazz-Charts. Ein Erfolg, der in der Branche schnell Begehrlichkeiten weckte. Große Firmen, Namen nennen Bachmann und Skibbe nur unter der Hand, versuchten, Tingvall abzuwerben, doch der blieb stark – wohl auch wegen der familiären Atmosphäre bei Skip. „Wenn man gemeinsam Plattenkisten zum Verkaufsstand geschleppt hat, dann schweißt das zusammen“, sagt Sabine Bachmann mit einem Lächeln. Zudem bemühe man sich – nicht nur bei Martin Tingvall – die sehnlichsten Künstlerwünsche zu erfüllen, etwa den Wunsch nach Auftritten in Japan, dem Traumziel vieler Jazzer.

Schlagzeuger Emil Brandqvist kam und blieb

In Sachen Wechselabsichten lasse sich im Übrigen eine Analogie zum Fußball ziehen: „Fiete Arp ist zu Bayern gegangen, sitzt dort aber vermutlich nur auf der Ersatzbank. Wenn einer unserer Künstler zu einem Major geht, kann ihm das auch ganz leicht passieren. Bei Skip dagegen ist er immer Stammspieler.“

Natürlich habe man lernen müssen, nein zu sagen, ergänzt Bernd Skibbe. Nicht jedes von Musikern gewünschte High-End-Fotoshooting sei finanzierbar, nicht jede teure Studiozeit lasse sich immer weiter ausdehnen. Bei aller Begeisterung für die Sache: Auch bei Skip müssen am Ende die Zahlen stimmen. Dass sie stimmen, dafür sorgt derzeit unter anderem Schlagzeuger und Komponist Emil Brandqvist, ebenfalls so einer, der nicht lockergelassen hat. Der kam und blieb. „Ein Jahr lief sein Demo immer wieder bei uns im Büro“, sagt Bernd Skibbe. „Dann war die Zeit reif für ein Album.“

Manche Titel werden millionenfach gestreamt

Inzwischen ist Album Nummer fünf avisiert und Brandqvists Trio ein internationaler Erfolg. „Eine seiner Nummern ist schon mehr als zehn Millionen mal gestreamt worden“, freut sich Skibbe. Für Instrumental-Jazz eine sensationell hohe Zahl, die manch Mühe vergessen lässt. Etwa die der gut 35.000 Kilometer, die das Skip-Paar Jahr für Jahr durch Europa fährt, um die tourenden Künstler zu betreuen und in Wien und Wilhelmshaven, in Florenz und Frankfurt einen Verkaufsstand aufzubauen.

Anstrengend sei das manchmal schon, sagt Sabine Bachmann, aber auch ein Garant für Streicheleinheiten. „Wenn hinterher die Leute kommen und vom Konzert schwärmen, wenn sie uns beschwören, unbedingt weiterzumachen und statt einer gleich vier Skip-CDs kaufen, dann tut das sooo gut…“

Auch wenn die beiden die 60 inzwischen überschritten haben – an ein Ende der Skip-Geschichte ist noch lange nicht zu denken. „Wir haben nicht vor, in Rente zu gehen“, sagt Bernd Skibbe. Im Gegenteil: Für 2020 sind bereits fünf Veröffentlichungen fest eingeplant, und wer weiß, was da noch kommt.

Kann ja jederzeit passieren, dass es an einem trüben Morgen ganz unvermittelt klingelt. Und der nächste Skip-Star in der Tür steht.

20 Jahre Skip Records Sa 21.9., 19.00, Laeiszhalle, Großer Saal, Karten zu 12 bis 48 Euro im Vorverkauf, auch unter www.elbphilharmonie.de