Hamburg. Die belgisch-deutsche Schriftstellerin Katelijne Gillis ist ab August für vier Monate der Hamburger Gast 2019.

Katelijne Gillis hisst die Segel, um für vier Monate in Hamburg zu Gast zu sein. Die diesjährige Stadtschreiberin wurde in Antwerpen geboren, lebt in Aachen und als Nachfahrin von Peter Paul Rubens steckt ihr die Kreativität quasi im Blut. Mit ihr ins Gespräch zu kommen, ist einfach: Die 48-jährige studierte Dolmetscherin, Mutter von drei nahezu erwachsenen Kindern, spricht fünf Sprachen. Sie liebt „Theater, menschliche Stimmen, dunkle Schokolade, den Regen und gute Texte“. Im Blog „Hamburger Gast“ wird sie über ihre Eindrücke berichten.

Hamburger Abendblatt: Ist das Ihre erste Stelle als Stadtschreiberin?

Katelijne Gillis: Ja, klar, ich tingele nicht von Stadt zu Stadt mit der Feder in der Hand und schreibe. In Belgien gibt es zwar Stadtdichter, aber, so weit ich weiß, sind die alt, besonnen, trinken den ganzen Tag Kaffee, rauchen sich etwas und philosophieren vor sich hin.

Worauf freuen Sie sich in Hamburg?

Gillis: Auf die Menschen, das Wasser. Ich liebe das Wasser, als Himmelswasser von oben oder fließendes Wasser. Ich liebe Hafenstädte, weil die immer in Bewegung sind, weil die Energie von ganz anderen Teilen der Welt vorbeikommt.

Was wollen Sie den Hamburgern nach vier Monaten hinterlassen?

Gillis: Lust auf Mehr. Mehr Geschichte, mehr Gefühle. Ich habe Fotos von Hamburg aus dem Jahr 1889, sogar ich als Nicht-Hamburgerin erkenne, wie sehr sich die Stadt geändert hat und doch die gleiche geblieben ist. Sie ist unfassbar schön und hat es geschafft, aus schweren Zeiten immer wieder aufzustehen. Diese Fotos will ich gerne teilen. Man sollte im Alltag einfach anhalten und um sich schauen. Es hilft, wenn jemand von außen kommt und die Dinge mal anders sieht. Dafür ist dann ein Stadtschreiber gut.

Was macht für Sie einen guten Text aus?

Gillis: Ein guter Text muss berühren, man muss fühlen, wie man einbezogen wird. Man muss ein Teil der Geschichte werden können, man muss dorthin reisen können.

Haben Sie Vorbilder oder Lieblingsautoren?

Gillis: Ich liebe Sándor Marai, er ist so gut, dass es ihn umgebracht hat. Ich lese gerne Toon Tellegen, er ist ein genialer Autor für Kindergeschichten, auf Niederländisch, die deutsche Übersetzung bringt nicht immer alle Feinheiten rüber. Muriel Sparks ist ganz nett im Englischen, genau so wie der Schotte Alexander McCall Smith, wobei er ab und zu übertreibt, aber gut. Ernest van der Kwast schreibt schön wehmütig.

Sie sollen mit dem flämischen Maler Peter Paul Rubens verwandt sein. Inwiefern?

Gillis: Ich hatte eine Großtante, eine richtig schicke Madame, sie kam aus Antwerpen und wohnte später in einem Apartment in Brüssel. Sie war schön, unnahbar und zum Schluss ihres Lebens einsam. Sie hatte den Familienstammbaum aufstellen lassen, dort wurde die direkte Verbindung zu Rubens deutlich. Nach ihrem Tod sind die Dokumente verschwunden. Aber ihre Mutter, also meine Urgroßmutter, kann man auf Gemälden der Stadt Antwerpen erkennen. Sie hieß Maria de Groot und war sehr wichtig in der flämischen Kunstszene. Daher wurde sie manchmal mit in die Gemälde gemalt. Die Geschichte ist, dass diese Urgroßmutter eine direkte Nachfahrin von Rubens aus seiner Ehe mit seiner zweiten Frau, Hélène Fourment, war. Die hat er geheiratet, als er 52 war – und sie 16. Er hatte nach dem Tod seiner geliebten ersten Frau einem Freund geschrieben, dass es völlig verrückt wäre, die Freiheiten des Lebens gegen die Liebkosungen einer Alten einzutauschen, aber mit so einem jungen Ding würde seine ganze Seele wieder belebt.

Sie sind Autorin, Übersetzerin und Heilpraktikerin – welcher der drei Berufe gefällt Ihnen am besten? Und gibt es Gemeinsamkeiten?

Gillis: Übersetzerin hat etwas mit Grenzen überschreiten zu tun, genau so wie schreiben, dann kann man selber Grenzen legen und sie nach Belieben überschreiten. Die alternative Medizin macht das gleiche. Ich halte mich nicht gerne an Regeln, an Grenzen, an Einschränkungen. Ich beobachte gerne und zeige die Dinge in einem anderen Licht. Es ist nicht einfach, zu wissen, wo der Traum anfängt, und wo er endet.