Kiel. Edita Gruberová wird im Kieler Schloss wie eine Königin empfangen – und gibt unter Riesenjubel ihre Abschiedsvorstellung.
Riesenjubel, schon als sie die Bühne betritt. Brava! Bravissima!! Edita Gruberová wird im Kieler Schloss wie eine Königin empfangen. Und das ist sie ja auch. Unglaubliche fünf Jahrzehnte lang hat sie an den Opernhäusern der Welt für Furore gesorgt, als Primadonna assoluta, der kein Ton zu hoch, keine Koloratur zu schnell und keine Partie zu schwer ist. Jetzt sagt die „slowakische Nachtigall“ Adieu. Im März gab sie in München ihre letzte Opernvorstellung, beim SHMF ist sie mit einer Farewell-Gala zu Gast, die Fans aus ganz Deutschland angelockt hat.
Sie feiern die gloriose Vergangenheit der Sopranistin, klar – aber auch ihre Gegenwart. Wie souverän Gruberová ihre Stimme mit 72 Jahren im Griff hat, ist beeindruckend. Vor allem kurz vor und kurz nach der Pause präsentiert sie sich noch einmal in glänzender Form, bei Johann Strauß’ „Frühlingsstimmen“ und Rossinis „Una voce poco fa“ aus dem Barbier von Sevilla, eine ihrer Parade-Arien, mit der sie im Februar 1968 als Opernsängerin debütierte.
Gruberová lässt die Koloraturen glitzern
Hellwach begleitet von ihrem Landsmann Peter Valentovic am Flügel, lässt Gruberová die Koloraturen glitzern, blitzsauber und gestochen scharf wie eh und je. Spitzentöne setzt sie traumwandlerisch sicher an, auch im Pianissimo, und entfacht in der Höhe eine Strahlkraft, die den akustisch nicht eben einfachen Saal zum Flirren bringt. Was für eine Stimmkontrolle!
Es zeugt vom künstlerischen Anspruch von Edita Gruberová, dass sie sich nicht auf solche effektvollen Bravournummern beschränkt. Zu Beginn des Programms singt sie Lieder von Richard Strauss, der die Interpreten mit seinen extremen Intervallschritten zu vokalen Akrobaten macht. Auch da balanciert sie ihre Stimme geschmeidig auf dem vokalen Drahtseil – aber der Klang bleibt doch etwas matt, vor allem in der Mittellage, und sie intoniert immer mal einen Hauch oder zwei zu tief. Der Zwischenapplaus wirkt dann auch eher respektvoll als begeistert.
Dann legt die Sopranistin noch eine Schippe drauf
Doch das ändert sich, als die Sängerin ins Repertoire des Belcanto eintaucht, mit dem sie ihre größten Erfolge gefeiert hat. In der besagten Rossini-Arie gurrt ihre geläufige Gurgel, bei Bellini besticht sie mit weichen Glissandi und einem schier endlosen Atem, der es ihr erlaubt, weite Bögen zu spannen und die Töne zu einem dichten Legato zu verbinden. Im letzten Stück, der Wahnsinns-Arie der Ophelia aus Thomas’ „Hamlet“, scheint Gruberová ihrem Pensum Tribut zollen zu müssen. Obwohl sie dem Pianisten Peter Valentovic vorher einen fulminanten Solo-Auftritt und sich selbst damit eine kurze Pause gegönnt hat, lässt ihre Präsenz und Präzision spürbar nach. Als wären die Konditionsreserven allmählich aufgebraucht.
Aber dann legt die Sopranistin doch noch mal ein paar Schippen drauf und begeistert ihr Publikum mit drei Zugaben. In den Operettenschlagern „Ach, wir armen Primadonnen“ und „Mein Herr Marquis“ zwitschert sie die Koloraturen mit einer Brillanz und Leichtigkeit, als wäre sie gerade einem Jungbrunnen entstiegen – und demonstriert nebenbei auch noch ihren komödiantischen Charme. Danach, natürlich, minutenlange Standing Ovations, Blumensträuße und wund geklatschte Hände. Edita Gruberová nimmt all das mit der freundlichen Grandezza einer wahren Königin entgegen. Ein würdiger Abschied für eine der ganz Großen.