Hamburg. Die Komödienfarce ist bester Boulevard und überzeugt mit virtuosem Spiel, Timing und der puren Freude an der Eskalation.

Heiner Liebig ist zu Geld gekommen. Nicht ganz legal: Der Buchhalter hat den Aktenkoffer in der U-Bahn verwechselt, und bringt statt Arbeitsunterlagen 1,5 Millionen Euro mit nach Hause. Weswegen die kriminelle Energie im Spießer erwacht – Liebig schlussfolgert, dass es sich um ergaunertes Geld handeln dürfte, Geld, das im Grunde niemand gehört, und das er nutzen könnte, um aus dem kleinbürgerlichen Alltag auszubrechen. Dumm nur, dass seine Frau Johanna nicht wirklich von diesem Ausbruch begeistert ist. Ebenfalls dumm, dass sich die Polizei für Liebig zu interessieren beginnt, und dumm, dass sich einer der Polizisten als korrupt erweist. Ungünstig auch, dass dann noch zwei so treue wie doofe Freunde vor der Tür stehen und Geburtstag feiern wollen und dass der eigentliche Kofferbesitzer Einwände gegen Liebigs Plan hat…

Ray Cooneys 1995 uraufgeführte Farce „Funny Money“ ist bester Boulevard: Eine zunächst nachvollziehbare Handlung nimmt an jeder Ecke die absurdestmögliche Abzweigung, bis nicht einmal mehr die Beteiligten wissen, wo oben und wo unten ist. Die Handlung wird von Storytwist zu Storytwist unbedeutender, während der Spaß daraus entsteht, dass irgendwann drei Aktenkoffer über die Bühne wirbeln und weder Publikum noch Protagonisten den Überblick haben, in welchem Koffer Geld, in welchem Kokain und in welchem Akten stecken. Ein Koffergewirbel, bei dem es nicht mehr auf eine stimmige Geschichte ankommt, sondern auf virtuoses Spiel mit Timing und Pointensicherheit.

Komödienmaschinerie funktioniert perfekt

Dieses Spiel jedenfalls beherrscht Komödienspezialist Folke Braband in seiner „Funny Money“-Inszenierung am Winterhuder Fährhaus aus dem Effeff. Dass keine der Figuren halbwegs Tiefe entwickelt, dass das gezeigte Verhalten jeder Wahrscheinlichkeit spottet – egal. Hauptsache, die Pointen sitzen!

Und die sitzen, nicht zuletzt dank des Ensembles: Peter Nottmeier ist als überraschend durchtriebener Buchhalter Heiner zwar niemand, dem man seine Buchhaltung anvertrauen möchte – dass eineinhalb Millionen für den kompletten Neustart nicht gerade viel sind, sollte ihm ebenso klar sein, wie die Tatsache, dass ein Nonstopflug nach Mallorca als Fluchtplan nur so mitteldurchdacht ist, wenn einen die kolumbianische Drogenmafia auf dem Kieker hat. Aber Heiner mag ein schlechter Buchhalter sein, als Schießbudenfigur wird er von Nottmeier so engagiert gegeben wie sein begriffsstutziger Freund Victor von Ralf Komorr oder der mit wunderbarer St.-Pauli-Streetcredibility ausgestattete Taxifahrer von Tino Führer. Hier funktioniert die Komödienmaschinerie perfekt.

Freilich läuft nicht alles so rund: Simone Pfennig als Johanna Liebig bremst den Boulevard-Irrsinn mit übertrieben wodkaseligem Spiel immer wieder aus, Tom Prestings Wohnzimmerbühne steht dem Abend mehr im Weg als dass sie wildes Tür-auf-Tür-zu-Theater ermöglichen würde, Schwulenwitze geben dem Stück einen Hang zum Bräsigen, den die ansonsten fröhlich unmoralische Inszenierung gar nicht nötig hätte. Und doch: Über weite Strecken trifft Braband den richtigen Farce-Ton, schnell, hart, mit Witz und Freude an der Eskalation.