Hamburg . Intendant Axel Schneider zieht eine positive Bilanz des Festivals. Die Finanzierung ist für zwei weitere Jahre gesichert.
Noch zwölf Tage bis zur Premiere und plötzlich springt der Hauptdarsteller ab. Selbst für ein Staatstheater wäre das eine missliche Situation, für ein kleines Privattheater ist so ein Umstand eine Katastrophe. „Ich habe ihm jeden Teppich ausgerollt“, erzählte Regisseur Gil Mehmert vom Münchner Metropoltheater, „aber ich konnte ihn nicht umstimmen.“ Also probierte die Truppe um Mehmert erst einmal ohne Hauptdarsteller weiter. Gespielt werden sollte „Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke“ von Joachim Meyerhoff. Eigentlich ein Fest für jeden Schauspieler, denn darin geht es um die Ausbildungsjahre des berühmten Absolventen der Otto-Falckenberg-Schule. Neun Tage vor der Premiere fand der Regisseur mit James Newton einen neuen Protagonisten und anschließend wurde an der Bühne unter Hochdruck zu Ende geprobt. Mit großem Erfolg: „Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke“ wurde nach Hamburg zu den Privattheatertagen (PTT) eingeladen – und gewann zum Abschluss sogar den Monica-Bleibtreu-Preis in der Kategorie „Komödie“.
Von einigen Schwierigkeiten wusste auch Stefan Hallmayer bei der Gala der Privattheatertage in den Hamburger Kammerspielen zu erzählen. Die sogenannte „Theaterscheune“ im Dorf Melchingen auf der schwäbischen Alb, in der Hallmayers Theater Lindenhof spielt, musste renoviert werden. Wohin also ausweichen? Hallmayer erzählte, dass sein Dramaturg das Stück „Chaim Adolf“ von Stefan Vögel gefunden habe, das sich hervorragend in Gasthöfen aufführen lasse. Also besetzte Intendant Hallmayer sich selbst als „Bauer Adolf“ und Martin Olbertz als Israeli Chaim und beide gastierten in diversen Wirtshäusern in der Region mit ihrem doppelbödigen Kammerspiel. „Wir haben Theater am Stammtisch gespielt“, beschrieb Hallmayer seine aus der Not geborene Gastspielreise. Nach gleich drei Aufführungen im Logensaal der Kammerspiele gewann er damit den Publikumspreis der Privattheatertage 2019.
Zwischen dem PTT-Programm und den 4500 Zuschauer kamen zu den 14 Vorstellungen
Der wurde vom Bundestagsabgeordneten Rüdiger Kruse (CDU) überreicht. Der Hamburger Politiker macht sich seit Jahren stark für die Privattheatertage und hat in der Vergangenheit sehr erfolgreich finanzielle Unterstützung in Berlin für die PTT einwerben können. Dass Kruse ein sehr launiger Redner sein kann, bewies er bei der vom Pianisten-Duo David & Götz moderierten Gala. Kruse zeigte eine ganze Reihe an Verbindungen zwischen dem aktuellen PTT-Programm und den Berliner Politikverhältnissen. Den Stücktitel „Die Frau, die gegen Türen rannte“ bezog er auf seine Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer, kurz AKK genannt. „Herbstgold“ hätte seiner Meinung nach eine Würdigung für Kanzlerin Angela Merkel sein können, nur mit der Eröffnungsinszenierung „Die Schulz-Story“ haderte er etwas: „Da besorgt man acht Jahre lang das Geld und dann machen die was über die SPD“, sagte er in launigem Tonfall über ein Stück, das Aufstieg und Fall des ehemaligen Kanzlerkandidaten Martin Schulz erzählt. Kruse brachte auch gute Nachrichten für PTT-Initiator Axel Schneider mit: Auch in den kommenden zwei Jahren werden die PTT mit Bundesmitteln unterstützt. „Dem zehnten Jubiläum steht nichts im Wege“, so Kruse.
Von den drei sogenannten „Hamburg-Jurys“, die während des Festivals die Aufführungen begutachteten, wurden noch zwei weitere Stücke mit dem Preis ausgezeichnet, der an die 2009 in Hamburg gestorbene Schauspielerin Monica Bleibtreu erinnert. In der Kategorie „(Zeitgenössisches) Drama“ fiel die Wahl der dreiköpfigen Jury auf das Stück „Die Frau, die gegen Türen rannte“ vom Prinz Regent Theater Bochum. Vor allem die Hauptdarstellerin Kinga Prytula wurde für ihre außergewöhnlich intensive und abgründige Darstellung einer verwitweten und alkoholkranken vierfachen Mutter gelobt.
4550 Zuschauer kamen zu den 14 Vorstellungen
Der Preis in der Kategorie „(Moderner) Klassiker“ ging in diesem Jahr nach Bremen an die Bühne Cipolla. Monique Schwitter, Schauspielerin und Buchautorin, beschrieb, wie intensiv man in der Jury gerungen habe, wer den Preis bekommen solle, weil die vier Klassiker-Inszenierungen von geradezu verblüffender Qualität gewesen seien. „Wir haben uns für ein kleines Theaterwunder entschieden“, so Schwitter. Stefan Kautz (Regie und Spiel), Gero John (Musik) und Melanie Kuhl (Puppenbau) brachten „Der Untergang des Hauses Usher“ nach Edgar Allan Poe als Puppenspiel auf die Bühne.
Mit den gezeigten künstlerischen Leistungen konnten Axel Schneider, die für die Jurys verantwortliche Dramaturgin Sonja Valentin und das PTT-Team in diesem Jahr wieder sehr zufrieden sein. Insgesamt 4550 Zuschauer kamen zu den 14 Aufführungen und sorgten für eine Auslastung von 82,5 Prozent – so viel wie noch nie zuvor. „Fünf Vorstellungen waren fast komplett ausverkauft“, freute sich Schneider, der Intendant der Hamburger Kammerspiele und des Altonaer Theaters: „Entsprechend schauen wir positiv in die Zukunft und sind froh, dass die Privattheatertage als Leistungsschau der bundesdeutschen Privattheater hier in Hamburg ihren festen Platz gefunden haben.“